Guido Gluschitsch begleitete das Alpen-Team bei der BMW GS-Trophy 2010 in Südafrika. In seinem Tagebuch kann man die knochenharte Tour nacherleben
-> derStandard.at/AutoMobil auf Facebook .
In dieser Galerie: 15 Bilder
Einen Presslufthammer zuzureiten, kann nicht ruppiger sein. Wir prügeln
die BMW F 800 GS mit bis zu 160 Stundenkilometer über Schotterpisten.
Und Schotterpiste ist eh noch milde gesagt. Aus dem Boden ragen Felsen,
denen man mit einem gemäßigten Tempo sicher ausweichen könnte. Aber so,
wie wir unserem Ziel entgegenfliegen, haben wir keine Chance.
Ich fahr mit 120 km/h eh noch halbwegs moderat – aber weit über meinen
Grenzen. Das Alpen-Team sieht die Sache jedoch locker. Die Schweizer
Christoph Muri und Johannes de Ciutiis sind ganz begeistert, und der
Wiener BMW-Mechaniker Bernhard Schmidtmayer kriegt das Grinsen sowieso
nimmer aus dem Gesicht. Die Drei waren die besten Fahrer aus Österreich
und der Schweiz, die bei der GS-Challenge 2010 angetreten sind. Deshalb
fahren sie jetzt gegen neun andere Teams um den Titel der GS-Trophy.
Während das Alpen-Team auf dem Schotter nur lacht, haben mir die
Potholes auf der Straße schon den Schweiß auf die Stirn getrieben. Ich
rede mich zwar darauf aus, dass es die weit über 30 Grad im Schatten
sind, die mir die Poren öffnen, in Wirklichkeit ist es aber purer
Angstschweiß. Potholes sind Löcher im Asphalt, die so groß sind, dass
man locker eine Endurojacke reinlegen könnte, und niemand würde sie
sehen. Sie entstehen, weil die Straßen so schlecht gepflegt sind. Bei
Regen reißen die Lkws erst kleine Steine aus dem Asphalt – und nach ein
paar Jahren sind riesige Löcher im Boden.
Wie in einem Computerspiel versuche ich, erst den Potholes und jetzt den
Steinen auszuweichen. Die Schläge, die ich über den Lenker kassiere,
sind meine Strafpunkte. Die Hände klammern sich so fest um den Lenker,
dass man die weißen Knöchel fast schon durch die Handschuhe leuchten
sehen kann. Wenn es ihn mir nur nicht aus der Hand reißt.
Die beiden Schweizer haben ein ganz anderes Problem. Ihr Gepäck liegt
noch am Flughafen in Frankfurt – gemeinsam mit dem Zeug von weiteren
rund zehn Fahrern. Keine Ahnung, wie BMW es geschafft hat, für alle
diese Fahrer noch Kombis, Helme, Zelte und sogar Zahnbürsteln
aufzutreiben. Nur bei den Stiefeln mussten sie passen. Deshalb fahren
die Jungs mit ihren Turnschuhen. Für die Burschen ist das kein Problem.
Erst am Abend, als wir in der Nähe von Amersfort in einem Enduro-Camp
landen, borgen sich die Schweizer Stiefel von anderen Fahrern aus, um
die Sonderprüfung fahren zu können.
Das Wetter hat inzwischen
umgeschlagen. Es ist kalt, feucht, und irgendwie glaube ich, in Irland
zu sein. Saftig grüne Wiesen liegen im Nebel, und Kühe wie Schafe grasen
darauf.
Wir haben aber keine Zeit zum Herumschauen. Die erste Sonderprüfung
fordert unsere ganze Konzentration. Ja, unsere. Ich werde das Alpen-Team
unterstützen. Zumindest lautet so der Plan. Wir müssen zu fünf Punkten
auf dem Endurogelände finden. Dazu bekommen wir die Koordinaten und ein
Navigationsgerät. Straßen zu den Punkten gibt es nicht.
Dafür
Schlammlöcher, Weidezäune und wieder Löcher im Boden – nur diesmal
größer und tiefer, und wer drüberfährt, sitzt unweigerlich drinnen. Tomm
Wolf, der oberste der Marschalls, beschreibt die Stolperfallen beim
Briefing ganz klar: "Passt auf die Löcher auf. Wenn es ausschaut, als
würde ein Hasenohr rausragen, lasst euch nicht täuschen, es ist sicher
ein Esel."
Einen Turn vor uns startet das Südafrika-Team und ist in nur 38 Minuten
wieder im Ziel. Während der Minute 38 haben wir ganz andere Probleme.
Christoph ist in ein Schlammloch gestolpert – die BMW ist bis zum
Kotflügel einfach verschwunden. Christoph hat einen echt tollen Abstieg
über den Lenker gemacht. Der war so beeindruckend, dass ich
mich gleich dazugelegt habe. Von außen betrachtet, hätte man sagen
können, ich wäre über das blockierte Vorderrad gestürzt. Stimmt aber gar
nicht. Ich habe Diamanten geschürft. Ehrlich.
Wir ziehen die Schweizer GS aus dem Dreck. Und Bernhard macht sich
gleich drauf dran, die Schaltung meiner GS zu reparieren, die beim Sturz
auf einen Stein – nein kein Diamant – leider ein wenig gelitten hat.
Ein Mechaniker im Team ist unbezahlbar.
Aber es liegt nicht an mir allein, dass wir innerhalb der Stunde nur
drei der fünf Ziele finden. Christoph gefällt es anscheinend im Schlamm.
Keine 500 Meter nach dem ersten Schlammloch, sitzt er schon im nächsten
fest. Der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten ist halt nicht immer der
schnellste, sondern manchmal der dreckigste.
Die Südafrikaner gewinnen vor den Deutschen und dem US-Team. Wir belegen
leider nur den vorletzten Platz bei der Sonderprüfung. "Hauptsache wir
haben die Japaner hinter uns gelassen", meint Johannes, und Christoph
versucht den Schlammpackungen eine heilende Wirkung zuzusprechen und
beschwört, dass wir am meisten Spaß hatten.
Nur Bernhard ist schon wieder am reparieren. Mit einem Gummihammer
drischt er auf seine vordere Felge ein. Die Steine haben ihre Spuren
hinterlassen. Aber nicht nur an Bernhards BMW, sondern an jeder
einzelnen. Verwunderlich: Kein Schlauch hat aufgegeben. Und inzwischen
ist auch das Gepäck der Schweizer gelandet. Schade eigentlich, wenn sich
der Christoph eh so über den Schlamm freut, der ihm überall
reingeronnen ist.