Wien - Als vor 13 Jahren das Kioto-Protokoll und damit erstmals völkerrechtlich verbindliche Reduktionsziele für Treibhausgase beschlossen wurden, sorgte ein Begriff im Abkommen für Unbehagen bei Umweltgruppen: "Flexible Mechanismen" .

Die darin zusammengefassten Instrumente ermöglichen den Industriestaaten, einen Teil der notwendigen Emissionsreduktionen auch außerhalb des eigenes Landes zu erzielen, sei es in Entwicklungsstaaten ("Clean Development Mechanism" - CDM) oder in anderen Industrie- beziehungsweise Transformationsstaaten ("Joint Implementation" ). Hintergrund ist, dass die Reduktion einer Tonne CO2 wegen unterschiedlicher Technologielevels in anderen Staaten deutlich günstiger sein kann als im eigenen Land.

Die Zwischenbilanz aus österreichischer Sicht: Österreich wird als Beitrag zur Erreichung des Kioto-Ziels für die Periode 2008 bis 2012 Emissionsreduktionseinheiten im Wert von rund 45 Mio. Tonnen erwerben. Rund 60 Prozent davon sind CDM-Projekte. Verantwortlich für Ankauf und Management des Österreich-Programms ist die Kommunalkredit Public Consulting (KPC). Alexandra Amerstorfer, Geschäftsführerin der KPC, zum Stand der Dinge: "Aktuell haben wir rund die Hälfte der 45 Millionen Tonnen bereits auf dem Konto; die andere Hälfte ist vertraglich gesichert." Der Durchschnittspreis für eine Emissionsreduktionseinheit über das Portfolio liegt aktuell bei 8,99 Euro pro Tonne.

Doch wofür gibt Österreich genau seine Klimaschutz-Millionen aus? Ein paar Beispiele: In Ho-shiarpur im indischen Punjab ersetzt ein Biomasse-Kraftwerk, das Reishülsen als Brennstoff verwendet, fünf Dieselgeneratoren. Die Finanzierung dieser Maßnahmen ist die Emissionsreduktion von 120.000 Tonnen CO2 wert.

In der Region Donetsk in der Ukraine werden mehrere Nahwärmenetze neu instand gesetzt, Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen installiert und der Energieträger von Kohle auf Erdgas gewechselt. (Ersparnis: 1,1 Millionen CO2). Ein Windpark mit 58 Anlagen in der Provinz Jilin im Nordosten Chinas bringt bis 2010 eine kalkulierte Einsparung in der Höhe von 620.000 Tonnen.

An einzelnen Projekten sind auch österreichische Unternehmen beteiligt. So war etwa bei der Errichtung einer Biodiesel-Anlage in Bulgarien das Unternehmen KWI-Consultant in der Projektplanung engagiert. Dennoch ist der Anteil der Projekte mit österreichischer Beteiligung eher gering. Big Player am Markt sind häufig große, internationale Finanzdienstleister, die den CO2-Markt als lukratives Geschäftsfeld entdeckt haben. Österreich hat zum Beispiel 2009 mit JP Morgan mehrere Projektbündel im Wert von insgesamt 1,5 Millionen Tonnen CO2 Äquivalenten abgeschlossen.

Das wesentliche Kriterium für die klimapolitische Sinnhaftigkeit der Projekte ist die "Zusätzlichkeit" der Maßnahme. Würde ein Projekt auch ohne Finanzierung aus dem Programm umgesetzt? Schwachstellen wurden international offenkundig, etwa bei der durch CDM-Mittel finanzierten Entsorgung des Kältemittels HFC-23, dessen Produktion in China jedoch extra dafür kräftig angekurbelt wurde (siehe auch Seite 30). Die "Zusätzlichkeit" ist angesichts vorhandener Alternativen in diesem Fall schwer argumentierbar. Österreich ist übrigens an den chinesischen Kältemittel-Deals nicht beteiligt.

Als problematisch wird von Kritikern zudem erachtet, dass die Anzahl der Institutionen, die für die Durch-führung des Prüfverfahrens registriert sind, an zwei Händen abzählbar ist. Die Einschränkung auf einige wenige Prüfstellen hat auch laut Alexandra Amerstorfer zu einem Stau bei der Projektanerkennung und damit letztlich zu Lieferausfällen geführt. "Lieferausfälle entstehen auch dadurch, dass das Executive Board der UN in den vergangenen Monaten deutlich strenger in seinen Auslegungen geworden ist." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28.11.2010)