Umweltminister Nikolaus Berlakovich sitzt lieber auf der sicheren Seite: Auch wenn es Zweifel am Klimawandel gibt, sei es "klüger, sich vorzubereiten, als in ein paar Jahrzehnten Probleme zu bekommen. Das ist doch vernünftig. Nicht?"

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Standard: Herr Minister, die Erwartungen an den Klimagipfel in Cancún sind nach dem Nichtergebnis in Kopenhagen gering. Was wäre für Sie ein Erfolg?

Berlakovich: Die Bedingungen haben sich seit Kopenhagen noch verschlechtert. US-Präsident Barack Obama hat in seinen Gremien nicht mehr die Mehrheit, damit steht die Ampel für ein einheitliches Klimagesetz auf rot. Die Frage, wie es mit dem Kioto-Protokoll weitergeht, ist völlig offen. Das ist schlimm genug. Daher müssen zumindest in Teilbereichen Erfolge erzielt werden.

Standard: Wo zum Beispiel?

Berlakovich: Wo wir Chancen haben, ist etwa bei Reed+, der Rettung des Regenwaldes, Finanzierung oder Technologieaufbau.

Standard: Selbst wenn man in Teilbereichen arbeitet, stellt sich die Frage: Wie sinnvoll ist es, wenn etwa die USA oder China nicht mitziehen? Beide Länder zählen zu den Hauptverursachern der Klimaverschmutzung.

Berlakovich: In Wahrheit steht die UNO auf dem Prüfstand. Sie muss ein Format schaffen, wo man alle ins Boot holt. Denn was die Menschen zu Recht nicht verstehen, ist: Wieso sollen wir Klimaschutz machen, wenn die großen Verursacher nicht helfen? Das ist die Schwäche beim Kioto-Protokoll, wo nur manche Industrieländer beteiligt sind und Verpflichtungen haben, China und die USA aber nicht.

Standard: Inwieweit haben die einflussreichen Schwellenländer wie China, Brasilien, Südafrika und Indien recht, wenn sie die internationalen Verhandlungen blockieren? China spricht von einer "historischen Verantwortung der Industrieländer", die während ihres Aufschwungs wenig an Klima gedacht haben, das nun aber von den Schwellenländern erwarten.

Berlakovich: Die Schwellen- und Entwicklungsländer haben insofern recht, als sie eine wirtschaftliche Entwicklungsperspektive brauchen. Andererseits müssen sie nicht unsere Fehler machen. Sie haben bessere Technologien zur Verfügung, etwa beim Bau eines Kraftwerks: Technologien, die Europa vor 50 Jahren noch nicht hatte. Somit kann sauberer produziert werden.

Standard: In Kopenhagen wurden den Ländern Milliardenhilfen zugesagt, damit sie die Anpassung an die Folgen des Klimawandels bezahlen können. Bis jetzt liegt nur ein kleiner Prozentsatz auf dem Tisch - wo ist Österreich in seinen Zahlungen?

Berlakovich: Es gab eine Einigung der EU-Staatschefs für eine schnelle Finanzierung für die ersten drei Jahre. Eine langfristige ist noch offen, auch darum wird es in Cancún gehen. Die EU und Österreich sind bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Österreich zahlt 120 Millionen Euro, in Summe sind es 30 Milliarden US-Dollar. Aber es ist nur teilweise Geld geflossen, das stimmt. Es muss klar sein, wofür das Geld verwendet wird.

Standard: Es spießt sich an den Rahmenbedingungen?

Berlakovich: Es geht um einen Kapazitätenaufbau, und es braucht einen rechtlichen Rahmen. China sagt, wir wollen uns zu nichts verpflichten, wir wollen Klimaschutz freiwillig machen und uns nicht kontrollieren lassen. So geht es nicht, wenn internationales Geld im Spiel ist.

Standard: Wie geht es denn?

Berlakovich: Die Politik, die politischen Akteure, spielen eine wichtige Rolle. Bei der UNO-Artenschutzkonferenz in Japan haben nach zähen Verhandlungen um elf Uhr in der Nacht Kuba, Bolivien und Venezuela Einspruch eingelegt. Es hat so ausgeschaut, als würde die mühsam erarbeitete Einigung zwischen 193 Staaten nun kippen. Das war Wahnsinn. Dann hat sich herausgestellt, dass die nur formale Dinge kritisierten. Es ging darum, Stärke zu demonstrieren, sich zu profilieren.

Standard: Klimaverhandlungen als Machtdemonstration?

Berlakovich: Da ist es nicht um Klimaschutz gegangen, sondern um Macht. Es hat niemand China oder Indien schlecht behandelt. Das ist eine Frage der Uno, wie sie es schafft, in einem internationalen Format Fortschritte zu erzielen.

Standard: Wäre der Aufbau einer Weltklimabank eine gute Idee?

Berlakovich: Das ist eine Möglichkeit. Aber was keinen Sinn macht, ist, dass man neue Strukturen aufbaut, die Bürokratie und Geld verschlingen und nicht direkt dem Klimaschutz zugute kommen.

Standard: Kritiker sagen, der Klimawandel sei eine Erfindung, die Erde erwärme sich so oder so.

Berlakovich: Selbst bei Zweifeln: Stellen Sie sich vor, Sie machen einen Winterspaziergang und stehen vor einem zugefrorenen Teich. Zwei Experten sind dort: Der eine sagt, Sie können bedenkenlos rübergehen, das Eis ist dick genug. Der zweite sagt, da können Bruchstellen sein. Was machen Sie? Sie können dem glauben, der sagt, Klimawandel gibt es nicht, über den Teich gehen und einbrechen. Oder Sie gehen um den Teich, weil Bruchstellen da sein könnten. Das ist doch vernünftiger. Nicht?

Standard: Vermutlich.

Berlakovich: Es ist klüger, sich vorzubereiten und auf der sicheren Seite zu sein, als in ein paar Jahrzehnten enorme Probleme zu bekommen. Schließlich geht es um die Zukunft der Erde. (Saskia Jungnikl, DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.11.2010)