Bild- und Klangwelten: Froschmädchen (Yulia Potorchina) und Wassilissa (Magdalena Hofmann).

Foto: Ch. Husar

Baden bei Wien - Als Knäbchen für alles wird man des Sommers gern superspontan nach Baden geschickt - oder aber zu diversen Kindermärchenevents. Wieso also nicht mal zu einem Kindermärchenevent nach Baden? Eben.

Im dortigen Stadttheater gibt es nämlich eine frisch uraufgeführte Märchenoper zu beschauen: Die schöne Wassilissa von Pavel Singer (Musik) und Thomas Jorda (Libretto) ist eine altrussische, gendermäßig vertauschte Version des "Froschkönigs".

Singer, der Kinderunterhaltungsprofi, schüttet ein Füllhorn an Klängen aus, die zum Sprudelbad der guten Laune werden oder aber zur kalten Decke der Düsternis und Dämonie; musicalmäßig Eingängiges wechselt mit spacigen Sounds und scharfen Klangballungen. Schade, dass das Orchester der Bühne Baden unter der Leitung Oliver Ostermanns nur einen schwachbrüstigen Sound über die Rampe bringt, schade auch, dass die vokalen Leistungen mancher Darsteller mehr bange machen als ihre Rollen. Schön immerhin: Magdalena Anna Hofmann als Wassilissa, der Schönste aller: Thomas Weinhappel als Prinz Iwan.

NÖN-Kulturchef Thomas Jorda hat in seinem durch eingeblendete Szenentitel klug strukturierten Textbuch Menschen- und Machtmissbrauch als Kern dieses Märchens herausgeschält.

Sam Madwars megaopulentes Bühnenbild - Zarenpalast, Geisterwald samt Monsterhexenhaus, Folterburg, alles da - hätte andernorts für drei Produktionen gereicht: Rushhour am Schnürboden. Beleuchtungsmäßig werden sämtliche Regenbogenfarben mehrfach durchgeorgelt, gewandmäßig (Friederike Friedrich) auch.

Ingesamt amalgamiert die Inszenierung Alexander Kuchinkas die Bilderwelten tschechischer Märchenfilme (Aschenbrödel), fantastisch-üppiger Hollywood-Musical-Schinken à la Wizard of Oz und Ed-Wood-Grusel-Trash zu einem fantastischen, nicht enden wollenden visuellen Overkill. Kult. (Stefan Ender, DER STANDARD - Printausgabe, 23. November 2010)