Es muss nicht immer ein Plastiksackerl sein, findet die grüne Nationalratsabgeordnete Christiane Brunner: "Ich will aber nicht die Verantwortung auf die Menschen, sondern auf die Politik schieben".

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"PVC Ade" erklärt Brunner zum Motto ihres Selbstversuchs. Neben PVC gibt es aber zahlreiche andere Plastikstoffe. Zum Beispiel "Polyethylen-Terephthalat", das den PET-Flaschen ihren Namen gibt. Laut Umweltberatung werden bis zu 70 % der Flaschen verbrannt.

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Wenn Christiane Brunner die Frage "Darf's ein Gratis-Sackerl sein?" hört, sieht die Nationalratsabgeordnete rot. Denn "natürlich ist das Gratissackerl ein Plastiksackerl", ärgert sich die grüne Umweltsprecherin in einem ihrer Blogeinträge. Brunner möchte die ungeliebten Zeugen unserer Wegwerfgesellschaft am liebsten noch heute verbieten. Innerhalb der Partei ist sie damit auch nicht alleine. Vizebürgermeisterin und Klubchefin der Wiener Grünen, Maria Vassilakou, hat zu Beginn des Jahres ein Verbot der Plastiksackerl in Wien gefordert - derStandard.at hat berichtet. Auch die Wiener ÖVP hat vor vier Jahren ein solches Verbot gefordert - allerdings erfolglos.

Andere Länder, andere Tüten

Zahlreiche Länder haben dem Plastiksackerl bereits den Kampf angesagt. So gibt es etwa in ganz Bangladesch, Ruanda und Bhutan ein Plastiksackerl-Verbot. In China wurde das Gratis-Sackerl verboten. Im Westen klappt das oft nur auf Stadtebene, so wie in San Francisco und Paris. Andere Länder setzen wiederum auf Versteuerung. Irland hat eine 15-Cent-Steuer (2007 Erhöhung auf 22 Cent) auf jedes Plastiksackerl eingeführt, und hat damit seit 2002 einen Rückgang von 90 Prozent im Verbrauch der Tüten verzeichnet. Auch Kenia und Uganda versuchen mit Steuern dem Plastikmüll Einhalt zu gebieten.

Ministerium verweist auf EU

"Warum gibt es in Österreich weder eine entsprechende Steuer noch ein Plastiksackerl-Verbot?", fragte derStandard.at beim Umweltministerium nach. "Die Verpackungsverordnung ist eine Umsetzung der EU-Richtlinie über Verpackungen. Diese Richtlinie sieht vor, dass Verpackungen, die entweder stofflich oder thermisch verwertbar sind, jedenfalls auf den Markt gebracht werden dürfen. Tragetaschen können verwertet werden, sind somit Verpackungen im Sinne dieser Richtlinie. Verbote bestimmter Verpackungen sind daher nach geltendem EU-Recht nicht möglich", heißt es aus dem Umweltministerium. Eine Besteuerung nach irischem Vorbild sei nicht geplant.

Ein Monat ohne Plastik

Christiane Brunner will das nicht so stehen lassen und startet einen Selbstversuch - Vom 24. November bis 24. Dezember will die grüne Nationalratsabgeordnete kein Plastik kaufen, dass schließt auch das Sackerl mit ein. "Ich will damit zeigen, welche Möglichkeiten Konsumenten haben und welche politischen Rahmenbedingungen dazu notwendig sind", sagt Brunner im Gespräch mit derStandard.at. Den Warenkorb ohne Plastikverpackungen zu füllen, stellt die Politikerin vor viele Probleme.

Revival des Stofftaschentuchs

Wo kauft man Taschentücher, die nicht in Kunsstoff verpackt sind? Bis Weihnachten will Brunner diese und andere Fragen beantworten. Dabei sei ihr aber bewusst, dass es ganz ohne Plastik nicht geht, denn umweltbewussteres Einkaufen koste auch mehr Geld. "Das ist genau das Problem", meint Brunner. "Umweltbewusstsein muss leistbar werden. Wir fordern daher auch die Ökologisierung des Steuersystems", führt sie fort.

"Natürlich soll jeder seinen Beitrag zum Umweltschutz leisten, doch wir brauchen zuerst Gesetze, die das erleichtern. Das Thema wird völlig dem freien Markt überlassen. Als Konsument kann ich mich nur innerhalb eines Systems bewegen", sagt Brunner und spielt dabei auf eine Aussage von Umweltminister Niki Berlakovich an, in der er sich gegen ein Plastiksackerl-Verbot aussprach und an das Umweltbewusstsein der Österreicher appellierte. "Das ist eine Frechheit. Um zu appellieren, muss man nicht Minister werden", ärgert sich Brunner. Mann müsse zuerst die politischen Rahmenbedingungen dafür festsetzen. Eine gute Gelegenheit dafür wäre die für Ende des Jahres angesetzte Gesetzesnovelle zur Abfallwirtschaft. "Doch die Anträge, die ich eingebracht habe, wurden alle auf das nächste Jahr verschoben", ärgert sich Brunner.

Plastik ist nicht gleich Plastik

Die Europäische Plastikindustrie erklärt Plastik zu dem "Material des 21. Jahrhunderts" und verzeichnet eine weltweite Produktion von 230 Millionen Tonnen. Davon beträgt der europäische Anteil beinahe ein Viertel. Jedes Jahr wird im Durchschnitt 9 Prozent mehr Plastik produziert - Die Industrie hat also allen Grund zur Freude.

40 % der nachgefragten Plastikmenge kommt im Jahr 2009 von der Verpackungsindustrie. Der Stoff PE-LD wurde dabei am häufigsten verwendet. Dabei handelt es sich um einen Stoff mit besonders geringer Dichte, der als Verpackungsmaterial von Lebensmitteln, Kosmetika und anderen Artikeln des täglichen Gebrauchs verwendet wird.

Entsorgungsprobleme

Dem "Umweltforum Haushalt" zufolge werden pro Jahr mehr als 600 Milliarden Plastiksackerl hergestellt. Landen diese im Müll, wird nur ein Teil in Müllverbrennungsanlagen verbrannt. Der Großteil wird auf Deponien gelagert. Die aus Erdöl produzierten Taschen belasten die Umwelt noch Jahrhunderte lang. Wenig Verständnis für die Forderung nach weniger Plastiktaschen kommt aus dem Ministerium: "Fakt ist: Plastiksackerl machen weniger als 1 Prozent des gesamten Plastikmülls aus. Die Deponierung unbehandelten Restmülls ist in Österreich verboten. Geschichten, wonach 350 Mio Plastiksackerl auf Deponien landen, sind völlig aus der Luft gegriffen - abfallwirtschaftliche Fakten belegen das."

Es sei höchste Zeit

Alternativen zum herkömmlichen Einkaufssackerl gibt es genug: Von den biogenen Wegwerftaschen bis zum Einkaufskorb der Großmutter. Welche Alternative allerdings wirklich ökologisch ist, darüber scheiden sich die Geister. "Man müsse eben darüber diskutieren", meint Brunner. "Mein Eindruck ist leider, dass Abfallvermeidung kein großes Thema ist", sagt sie in der Hoffnung, mit ihrer Aktion zur Diskussion anzuregen. Das es so nicht weitergehen könne, zeige auch der  Dokumentationsfilm "Plastic Planet" aus dem Jahr 2009. "Wer den Film gesehen hat weiß, dass es höchste Zeit ist , etwas zu unternehmen", sagt Brunner. (Daniela Neubacher, derStandard.at, 25.11.2011)