Driften ohne zu lenken

Foto: derStandard.at/Screenshot

Auf der Suche nach immer neuen Zielgruppen versuchen Spielentwickler ihrer Werke zugänglicher zu machen. Das geschieht einerseits durch ausgeklügeltere Interface-Designs und neue Eingabegeräte wie Motion-Controller und andererseits durch die schlichte Vereinfachung der virtuellen Herausforderung. Dabei ist die Vereinfachung in manchen Fällen soweit vorangeschritten, dass man sich fragt, ob es sich tatsächlich noch um ein interaktives Erlebnis oder schon um einen Film handelt.

Passiv geht die Welt zu Grunde

Youtube-User haben zwei besonders verblüffende Beispiele für die Anspruchslosigkeit mancher Videospielen herausgepickt. Wer dahinter nur Wii- oder Web-Games vermutet, liegt falsch: Selbst vermeintliche Hardcore-Games wie "Call of Duty: Black Ops" lassen sich mit geschlossenen Augen absolvieren. Videoblogger "Bungle" zeigt, wie er in der zweithöchsten Schwierigkeitsstufe (Hardened) die gesamte erste Mission in Kuba praktisch kampflos übersteht. Dafür musste er lediglich zwei Schüsse abfeuern und dies auch nur, weil dadurch zwei geskriptete Ereignisse ausgelöst wurden. Das sarkastische Kommentar nach knapp einer Viertelstunde Spielzeit: "Ich hoffe, ihr wisst zu schätzen, was ich für euch getan habe Leute. Es war sehr sehr hart hier zu sitzen und nichts zu tun."

Hersteller Treyarch anzurechnen sei an dieser Stelle allerdings, dass man es immerhin geschafft hat, die Illusion eines Krieges derart gut umzusetzen, dass man kaum auf die Idee kommen würde, nicht zu schießen. Auch wird es nach der ersten Mission zunehmend schwerer. Was "Call of Duty: Black Ops" allerdings konsequent durchzieht, ist das "Spielen auf Schienen". So muss man sich in den seltensten Fällen selbst einen Lösungsweg überlegen und dank standardmäßig eingerichteter Autozielfunktion muss nicht einmal das Zielen großartig geübt werden. Als Gesamtwerk konnte "Black Ops" dennoch überzeugen.

Geisterfahrer

Das zweite Beispiel kommt von Youtube-Nutzer "Geltonz". Er demonstriert, wie man im Rennspiel "Joy Ride" für die Sensorsteuerung Kinect für Xbox 360 über die Ziellinie kommt, ohne dabei auch nur mit der Wimper zu zucken. Nicht nur braucht man dank abfedernden Banden das imaginäre Lenkrad nicht zu bewegen, das Spiel gibt auch von selbst Gas.

Zur Verteidigung der seichten Unterhaltung sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass das gesamte Konzept von Kinect darauf beruht, unkomplizierte Spielerlebnisse zu ermöglichen. Vom Tischtennis für Grobmotoriker bis hin zum Gankörpersquasch geht es mehr um Bewegung, als um anspruchsvolle Spielerlebnisse. Dass man gar nichts tun muss, dürfte aber nicht im Sinne der Schöpfer sein.

Das Gesetz der Masse

Angesichts derartiger Nullnummern wird der eine oder andere vielleicht mit Wehmut an vergangene Tage denken, als Videospiele noch für eine reaktionsschnelle und freiwillig angestrengt grübelnden Minderheit designt wurden. (zw)

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