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Der Wechsel von warmen und kalten Bädern trainiert das Herz-Kreislaufsystem.

Foto: APA/Thomas Kienzle

Wetter kann nicht nur miserable Laune verbreiten, es wird auch mit zahlreichen Wehwehchen in Verbindung gebracht. Etwa 40 Prozent aller Mitteleuropäer behaupten von sich wetterfühlig zu sein. Je nach Witterung kämpfen sie mit Migräneattacken, Kreislaufbeschwerden, Schlafstörungen oder rheumatischen Schüben. 

Der plötzliche Wechsel von Temperatur und Luftfeuchtigkeit macht den Menschen am meisten zu schaffen und so ist in Sachen Wetterfühligkeit der „Föhn" der unumstrittene Star. „Temperatursprünge von zehn Grad sind für den menschlichen Organismus eigentlich überhaupt kein Problem", weiß Jürgen Kleinschmidt, Physiker und Mediziner an der Ludwig Maximilian-Universität in München und regelmäßige Saunabesucher geben ihm hier sicherlich recht. Als Einbildung tut der Wetter-Experte für Balneologie und Klimatologie die föhnbedingten Beschwerden aber trotzdem nicht ab. „Der Indoor-Worker hat ganz einfach verlernt mit dem Wetter umzugehen", so Kleinschmidt. Acht Stunden täglich in vollklimatisierten Räumen, geschützt vor jeglichem Wettereinfluss, mutieren laut Kleinschmidt empfindliche Büroarbeiter allmählich zu wetterfühligen Menschen.

Reduzierte Anpassungsfähigkeit

Dahinter steckt das vegetative Nervensystem, dass beim Naturburschen die natürliche Adaption an das jeweilige Wetter problemlos übernimmt. Ist es draußen kalt, dann sorgen parasympathische Nervenfasern unwillkürlich dafür, dass sich die Wärmeabgabe nach außen reduziert, indem sich die Hautgefäße verengen. Reicht die Drosselung der peripheren Durchblutung nicht aus, beginnen Muskeln zu zittern um Stoffwechselwärme zu produzieren. Umgekehrt werden die Gefäße bei sommerlichen Temperaturen erweitert, der Organismus erzeugt Schweiß und damit Verdunstungskälte.
„Bei wetterfühligen Menschen ist diese normale Regulationsfähigkeit schnell ausgereizt und dann kann jeder berühmte Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen, so auch ein Wetterwechsel", weiß Kleinschmidt. In der Klimatologie versuchen Wissenschaftler seit Jahrzehnten herauszufinden, auf welche meteorologischen Faktoren das vegetative Nervensystem im Detail so sensibel reagiert. Atmosphärische Druckschwankungen, Ozon, elektrische Ladungen oder niederfrequente elektromagnetische Strahlungen, so genannte Spherics, kamen dabei schon als Auslöser für Anpassungsschwierigkeiten in Betracht. 

Auch Kleinschmidt hat versucht das Phänomen der Wetterfühligkeit zu ergründen. Gemeinsam mit seinem Team konfrontierte er mehrere Personen über circa vier Wochen mit Wettersimulationen in einer Klimakammer. Typische Wetterprobleme, wie Gelenks- oder Kreislaufbeschwerden blieben jedoch aus. Der Einfluss des Wetters auf die Gesundheit ist eine ebenso subjektive wie individuelle Angelegenheit geblieben und lässt sich daher auch nicht in handfeste Vorhersagen ummünzen.

Hilft nicht und schadet nicht

Das erklärt, warum das Verständnis für die Probleme wetterfühliger Menschen unter Nicht-Wetterfühligen eher bescheiden ist. Die Biowetter-Vorhersage befriedigt dieses Bedürfnis nach Akzeptanz, wahrscheinlich erfreuen sich die Prophezeiungen bevorstehender gesundheitlicher Probleme durch diesen oder jenen Wetterwechsel deshalb so großer Beliebtheit. „Das Biowetter ist das Pendant zum Horoskop", vermutet Kleinschmidt und konstatiert: „ Bei schaden niemandem, zumindest solange der Wetterfühlige dadurch nicht davon abgehalten wird, morgens trotzdem das Haus zu verlassen, seiner Arbeit nachzugehen, auch wenn ihm das Biowetter prophezeit, dass er damit seinem Rhema nichts gutes tut". 

Ein Profi unter den Wetterfühligen ist auf das Biowetter so oder so nicht angewiesen: Der Wettervorfühlige. Er spürt mitunter schon heute das Wetter von morgen im Knie. Wozu Meteorologen das Wetter analysieren und Prognosen erstellen, wenn es wandelnde Wetterpropheten gibt? „Wenn man diese Prophezeiungen systematisch überprüft, dann stellt man sehr schnell fest, dass es mit dem Vorfühlen nicht allzu weit her ist", so Kleinschmidt und will dabei niemandem den Glauben in seine Fähigkeiten nehmen. „Das Wetter ist einfach ein phantastisch geduldiger Sündenbock, für diejenigen, die ein solches Ventil brauchen", ergänzt er.

Wetterfühligen Herz-Kreislauf-Anfälligen rät er der verkümmerten Thermoregulation mit Hilfe von Kneippschen Wechselgüssen und Outdoor-Ausdauersportarten auf die Sprünge zu helfen. Dem wetterfühligen Rhemageplagten helfen balneologische Wärmemanwendungen, wie Moorbäder. Das führt schon in Kürze zur Reduktion der Beschwerden, befreit das Wetter aber nicht restlos von seiner Schuld. Denn allein darüber zu lamentieren, trägt manchmal schon zu einer verbesserten Befindlichkeit bei. (derStandard.at, 12.2010)