Zu Gast bei Heinz Conrads (Florian Scheuba, li.): Gregor Seberg, Eva Maria Marold, Robert Palfrader und Adele Neuhauser.

Foto: Pertramer

Wien - Das Konzept ist nicht neu, bereits im Jahr 2002 schlüpfte Florian Scheuba in die Rolle von Talkmaster Heinz Conrads, um eine illustre Gästeschar zum Plausch ins Wiener Rabenhoftheater zu laden. Jedoch: Waren damals noch düstere (und rechtskräftig verurteilte) Figuren wie Elfriede Blauensteiner, Jack Unterweger oder Franz Fuchs dafür zuständig, tiefe Einblicke in die Abgründe der österreichischen Seele zu gewähren, lief bei der Premiere von Scheubas neuer Politsatire "Unschuldsvermutung" am Mittwoch alles "supersauber" und "supertransparent" ab.

Mitunter mag zwar die "Optik katastrophal" sein, wenn nun Entscheidungsträger und Prominente von "Mr. Nulldefizit" Karl-Heinz Grasser (Adele Neuhauser) über Julius Meinl V. (Robert Palfrader) bis zum "Tour de France-Helden" Bernhard Kohl (Clemens Haipl) auf der Bühne stehen. Im Falle von "Österreichs reinsten Unschuldslamperln" - so das Stück im Untertitel - liegt dies jedoch vor allem daran, dass sie sich ausschließlich an Originalzitate als Bühnentext halten müssen, um die launigen Fragen von Conférencier Conrads zu beantworten. Kleinster gemeinsamer Nenner der Studiogäste: die Unschuldsvermutung - also "der Mut, den man manchmal braucht, um die eigene Unschuld zu behaupten".

Bitterböse ist das Sittenbild, dass Autor Scheuba und Regisseur Thomas Gratzer, Leiter des Rabenhofs, anhand ihrer dem öffentlichen Leben entliehenen Figuren zeichnen. Durch die geschickte Montage der aus Interviews, Erklärungen oder Akten entnommenen Aussagen entlarven sie in der heimischen Medienöffentlichkeit nicht selten zu beobachtende Muster der Meinungsmanipulation. Deren Repertoire umfasst ja bekanntlich äußerst offensive Verteidigungsstrategien ebenso wie die wehleidige Inszenierung als Opfer von "Hetzkampagnen". Symptomatisch hat etwa Peter Westenthaler (Wolfgang "Fifi" Pissecker) Gelegenheit, aggressiv "Justizskandal" und "Politjustiz" zu beklagen, während Eva Maria Marold als "Justizministerin im zweiten Bildungsweg" Couplets zum Besten gibt: "Glücklich ist, wer vergisst".

Höhepunkte des Abends sind jedoch der Auftritt von Gregor Seberg, der einen brachial-jovialen Alfons Mensdorff-Pouilly mimt, sowie Erwin Steinhauers Interpretation von Helmut Elsners in der Haft verfasstem Gedicht "Gratulation an Frau Mag. Bandion". Für alle Beteiligten gilt übrigens die ... eh klar. Empfehlung! (Stefan Mayer/ DER STANDARD, Printausgabe, 19. 11. 2010)