Otto K. am Mittwoch im Wiener Straflandesgericht. Ganz rechts sein Verteidiger Rudolf Mayer, der Präsident Ramsan Kadyrow und Regierungschef Wladimir Putin als Zeugen laden will

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Wien - "In St. Pölten nennen mich alle den Friedensstifter", gibt sich Otto K. bei seiner Einvernahme betont harmlos. Im Zusammenhang mit der Ermordung des Tschetschenen Umar Israilow in Wien könnte man zwar "Friedensstifter" mit dem legendären Colt "Peacemaker" assoziieren - aber das hat Otto K. sicher nicht gemeint: Von der geplanten Entführung und Ermordung Israilows habe er nicht die geringste Ahnung gehabt. Mehr noch: "Wenn ich von so etwas gehört hätte, hätte ich das sicher verhindert."

Enger Vertrauter

Staatsanwalt Leopold Bien wirft Otto K. allerdings eine gänzlich andere Rolle in der Affäre vor: Der 42-Jährige sei ein enger Vertrauter des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow und sei mit der Planung einer Entführung Israilows beauftragt worden - da jener gegen Kadyrow wegen Menschenrechtsverletzungen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage eingebracht habe. Israilow sei dann auf offener Straße erschossen worden - weil er sich gewehrt habe, so der Staatsanwalt.

Mithilfe von peniblen Handydaten-Analysen will Bien nun nachweisen, dass Otto K. zwei PIN-Karten eines Billiganbieters besorgt hat, dass er die Tage vor dem Anschlag mit den späteren Tätern ständig telefonischen Kontakt hatte, am Tag vor der Tat mit ihnen nach Sollenau fuhr - ihnen für die Entführung seinen Volvo lieh und sich auch nach der Ermordung mit ihnen wieder in Sollenau traf. Da dann aber bereits die Polizei bei Otto K. anrief und wegen des Fluchtautos befragen wollte, habe er noch schnell ein paar Wodka gekippt - und dann den Beamten erklärt, er sei so betrunken, er könne sich an nichts erinnern.

"Schenk mir ein Handy"

Otto K. bestreitet das am Mittwoch bei der Einvernahme durch den Richter Friedrich Forsthuber alles auf Punkt und Komma - bis zum letzten Wodka-Glas. Das mit den Handys? Die habe er für seine Tochter besorgt. Am Nachmittag habe ihn dann Letscha B. - der spätere mutmaßliche Mörder Israilows - besucht. Dem hätten die Handy-Pakete so gut gefallen, und er habe gesagt: "Kauf dir halt noch eins, schenk mir eins." Otto K.: "Wir Tschetschenen haben eine eigene Volksmentalität, das ist so üblich bei uns". Warum er und Letscha B. dann ständig mit diesen zwei Handys telefonierten? Das sei wegen der vielen Drohanrufe von radikalen Islamisten am anderen Handy gewesen.

Warum der Ausflug nach Sollenau am Vorabend der Ermordung? Am 12. Jänner 2009 seien Letscha B. und (der nun mitangeklagte, mutmaßliche Komplize) Suleyman D. spätabends zu ihm nach St. Pölten gekommen, hätten ihn gefragt, ob er nicht nach Sollenau mitkommen wolle. Es sei um einen Streit wegen einer Frau gegangen. "Ich holte mir eine Flasche Wodka und fuhr mit."

"Zum Spaß"

Und in Sollenau? "Im Auto war es warm, ich hatte zu viel getrunken, ich bin nicht ausgestiegen", sagt Otto K. Nur ein lautes Gespräch habe er gehört, "vielleicht hat jemand gesagt: ,Ich töte dich' - zum Spaß". Wer weiß, stimmt's? "Vielleicht hab ich auch nur geträumt. Ich war betrunken, es war Nacht." Danach seien sie nach St. Pölten zurückgefahren, und nach tschetschenischer Sitte habe er die beiden zu sich eingeladen. Nach ein paar weiteren Wodkas sei er eingeschlafen.

Am nächsten Morgen seien die Freunde und sein Auto weg gewesen. Auch ein Zeichen tschetschenischer Freundlichkeit: "Das ist völlig normal, mein Volvo wird oft ausgeborgt, da braucht man mich nicht zu fragen." Otto K. will in der Früh wieder Wodka getrunken haben: "Mir war nicht gut."

Auch vor der Ermordung Israilows gab es wieder einige Telefonate mit den Handys, "das waren sicher ganz gewöhnliche Gespräche", versichert Otto K. Nur die zwei Telefonate direkt nach der Tat - die bezweifelt er "zutiefst". Und warum dann wieder nach Sollenau? Letscha B. habe ihn darum gebeten, und in Tschetschenien "ist es nicht üblich nachzufragen".

Ladung für Wladimir Putin

Und Präsident Kadyrow? Der habe mit all dem rein gar nichts zu tun. Der lade Tschetschenen im Ausland nur zur Rückkehr ein, "wenn sie kein Dach über dem Kopf haben". Das möchte Otto K.s Verteidiger Rudolf Mayer gern genauer hören und will Kadyrow zeugenschaftlich befragen - aber auch den russischen Regierungschef Wladimir Putin. Kadyrow sei ja quasi Statthalter Putins in Tschetschenien, und also könne ja auch Putin etwas gewusst haben. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe, 18.11.2010)