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Jeder kocht sein eigenes Süppchen - da sind dringliche Entscheidungen oft zäh.

Foto: Reuters/Stringer

Brüssel - Die Verhandlungen über den Haushalt der Europäischen Union im kommenden Jahr sind gescheitert. Wie Diplomaten am frühen Dienstagmorgen in Brüssel berichteten, konnten sich die EU-Staaten und das Europaparlament im Vermittlungsverfahren nicht auf einen Kompromiss einigen. Unterhändler des Parlaments machten dafür die "Unnachgiebigkeit" einiger EU-Mitglieder verantwortlich. Nach Angaben aus EU-Kreisen lehnten vor allem Großbritannien, Schweden und die Niederlande einen Kompromiss ab.

Einer der Streitpunkte soll zum Beispiel eine eigene EU-Steuer gewesen sein. Ein weiterer Stein des Anstoßes war eine politische Erklärung der Mitgliedstaaten zur Machtverteilung bei der künftigen Haushaltsprozedur. Der Text ging vor allem auf britische Forderungen ein und fiel nach Ansicht von Parlamentariern zu dürftig aus.

Budgetzahlen unstrittig

Die eigentlichen Budgetzahlen waren nicht mehr strittig. Demnach sollen die Zahlungen höchstens um 2,9 Prozent auf 126,5 Milliarden Euro steigen. Mit den Geldern werden hauptsächlich die Landwirtschaft und arme Regionen in der EU unterstützt. "Wir hätten den Zahlen zugestimmt", sagte die Vize-Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Parlaments, Jutta Haug (SPD), der Nachrichtenagentur dpa

Verzögerung bei Finanzierung

Die EU-Kommission hat das Scheitern bedauert. Wichtige Investitionen in den Mitgliedstaaten würden sich nun um Monate verzögern, erklärte EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski. Er versprach, die Arbeiten an einem neuen Haushaltsentwurf "unverzüglich" aufzunehmen. Der Prozess könne aber "mehrere Monate" in Anspruch nehmen. "Der EU-Haushalt ist nicht für Brüssel da. Er ist da für die europäischen Bürger, die Unternehmen, die Wissenschafter, die Studenten, die ländlichen Gemeinden, die Städte, die Kommunen und die Regionen quer durch die EU", erklärte Lewandowski.

Der EU-Haushalt 2011 ist nun vorerst blockiert. Sollte es bis zum Jahresende keine Einigung geben, würde ab Jänner die sogenannte Zwölftel-Lösung in Kraft treten. Das bedeutet, dass jeden Monat dann ein Zwölftel der Mittel von 2010 bereitgestellt würden - damit gäbe es zunächst keine Erhöhung des Haushalts. Wichtigen Vorhaben wie etwa dem Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) und dem in Südfrankreich geplanten Forschungsreaktor Iter drohen nun Finanzierungsschwierigkeiten.

Barroso "extrem enttäuscht"

"Extrem enttäuscht", zeigte sich auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Er bedaure, dass eine kleine Zahl von Mitgliedsländern nicht darauf vorbereitet waren, in einem "europäischen Geist" zu handeln. Eine Einigung hätte eigentlich möglich sein sollen. Alle Beteiligten müssten jetzt Verantwortung zeigen und so schnell als möglich eine akzeptable Lösung finden.

Die vermeintlichen Gewinner hätten sich selbst in den Fuß geschossen, so Barroso. Sie sollten wissen, dass sie allen Bürgern Europas und den Entwicklungsländern einen Bärendienst erwiesen hätten. "Das ist kein 'Brüssel'-Budget", so Barroso. "Die Blockadehaltung einiger weniger Mitgliedstaaten, vor allem jener Großbritanniens, nützt niemandem und ist schlecht für Europa", bedauert auch ÖVP-Europaabgeordneter Othmar Karas. Bei den Forderungen des Parlamentes gehe es weder um einen Justamentanspruch noch um eine unangemessene Forderung, so auch SP-Delegationsleiter Hannes Swoboda. Für die Grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek beweist das Scheitern die Notwendigkeit eines EU-Eigenmittelsystems.

"Wer die EU schwächt, gewinnt nicht, sondern schwächt sich selbst. Um diese zentrale Auseinandersetzung im Sinne der Zukunft Europas geht es", betont Karas. Es sei mehr Ernsthaftigkeit und Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme gefragt. Die Schuld am vorläufigen Scheitern der Verhandlungen trage allein der Rat.  (APA/rb, derStandard.at, 16.11.2010)