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Bei der Umstellung zur Neuen Mittelschule liegt "Der Ball bei der ÖVP - leider", sagte Bürgermeister Michael Häupl.

Foto: ap/Frank Augstein

Wien - Er streite mit seinem Koalitionspartner lieber über Straßen als über Schulen: So begründete Bürgermeister Michael Häupl (unter anderem), warum die Sozialdemokraten in der Bundeshauptstadt eine Koalition mit den Grünen eingingen. Tatsächlich sei man bei den Bildungsverhandlungen grundsätzlich rasch handelseins geworden, sagt der alte und neue Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch (SP) - auch wenn man ob des knappen Budgets viel darüber reden habe müssen, "was machbar ist" .

In einer schulpolitischen Frage ist das rot-grüne Regierungsprogramm sehr deutlich: Alle AHS-Unterstufen und Hauptschulen sollen als "Wiener Mittelschule" geführt werden, sprich als Gesamtschule. Schon jetzt gibt es Kooperationen zwischen den beiden Schulformen, während in den anderen Bundesländern fast ausschließlich Hauptschulen in gemeinsame Mittelschulen umgewandelt wurden.

Den Koalitionären ist freilich klar, dass diese radikale Reform der Wiener Schullandschaft nicht in der Macht der Stadt liegt. Sie wollen sich - so ist es im Koalitionspakt festgehalten - "mit Nachdruck für eine Abschaffung der Zehn-Prozent-Grenze einsetzen" . Denn derzeit ist die Neue Mittelschule formal ein Schulversuch, ihr Anteil an der gesamten Schullandschaft darf pro Bundesland zehn Prozent nicht überschreiten. Um das zu ändern, muss der Nationalrat einen Beschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit fassen, was bedeutet, dass neben SPÖ und ÖVP auch eine Oppositionspartei zustimmen müsste.

Landeshauptleute einig

Den Ausbau der Gesamtschule werde es daher "nicht unmittelbar" geben, räumt Oxonitsch ein, er hofft aber auf Bewegung im Bund. Immerhin: Per Beschluss der Landeshauptleutekonferenz wurde Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) schon im Mai dieses Jahres aufgefordert, die Grenze aufzuheben. Oxonitsch ortet daher Bewegung in dieser Frage, auch in der Volkspartei, die sich stets vehement gegen die Gesamtschule ausgesprochen hatte. Mit einer Ausnahme: "Mit der Wiener ÖVP wäre es nicht so einfach gewesen, das im Koalitionspakt festzuschreiben. Da sind andere schwarze Landesparteien fortschrittlicher."

Auch Häupl sieht die schwarzen Ländervertreter am Zug, ihre Bundespolitiker zu einer Gesetzesänderung zu bewegen:"Der Ball liegt bei der ÖVP - leider" , sagte der Bürgermeister nach der Unterzeichnung des Koalitionspaktes zum Standard. Langfristig plädiert er dafür, dass die gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen das "Normschulwesen" werden soll.

Ein echtes bildungspolitisches Experiment haben sich SPund Grüne für die nächste Legislaturperiode vorgenommen: Eine "Schule der Zukunft" soll in Wien eröffnet werden. Grünen-Gemeinderat Christoph Chorherr hat schon vor längerer Zeit formuliert, wie er sich diese Schule vorstellt: Sie soll öffentlich sein und trotzdem "alle Qualitäten einer Privatschule" besitzen. Lernenden und Lehrenden soll "völlige Freiheit" gewährt werden. Ein Trägerverein soll einen Direktor bestellen, der völlige Personal- und Finanzautonomie hat. Oxonitsch kündigt an, man werde in den kommenden Jahren unter Beratung von Experten ein Konzept für eine Schule entwickeln, in der "andere pädagogische Konzepte" ausprobiert werden könnten. Ob - wie von Chorherr vorgeschlagen - das neue Hauptbahnhof-Gelände Standort der "Schule der Zukunft" werden könnte, ist offen.

Auch im Kindergartenbereich will die Stadt in den nächsten Jahren weiter Geld in die Hand nehmen. Am Gratis-Kindergarten halten SP und Grüne fest, zudem sollen die Betreuungsmöglichkeiten für die Kleinsten ausgebaut werden. Für 33 Prozent der Null- bis Dreijährigen und für 50 Prozent der Ein- bis Dreijährigen soll es Krippen- und Kindergartenplätze geben. Damit wäre das so genannte Barcelona-Ziel der EU erreicht. Laut Oxonitsch müssen dafür 4000 bis 5000 neue Betreuungsplätze geschaffen werden. (hei, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.11.2010)