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Zu viel Grübeln macht unglücklich.

Cambridge - Tagträumen nachzuhängen ist schlecht für die geistige Gesundheit. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Harvard University. Mittels einer iPhone-App wurden die Stimmungen von über 2.000 Menschen verfolgt. Das Programm ermöglicht, was traditionelle Methoden der Psychologie nicht können - und zwar regelmäßig am Leben von Menschen teilzuhaben. Rund dreimal am Tag fordert die App die Nutzer dazu auf, die aktuelle Gefühlslage anzugeben. Gefragt wird dabei auch, ob man sich auf diese Aktivität konzentriert oder ob die Gedanken frei wandern. Details der Studie wurden in Science veröffentlicht.

Kaum Gedanken beim Sex

Den Gedanken freien Lauf zu lassen scheint extrem verbreitet zu sein. Die Teilnehmer gaben an, dass sie fast 50 Prozent ihrer Zeit mit Tagträumen verbringen. Am häufigsten wanderten die Gedanken beim Zähneputzen oder vergleichbaren Tätigkeiten. Nur bei einer Aktivität, nämlich beim Sex, fiel die Frequenz auf unter 30 Prozent. Die Teilnehmer gaben auch eher an, sich unglücklich zu fühlen, wenn sie einfach nur ihren Gedanken nachhingen. Tagträume scheinen schlechten Stimmungen vorauszugehen. Umgekehrt ist das nicht der Fall. Damit liegt der Schluss nahe, dass es einen ursächlichen Zusammenhang gibt.

Matthew Killingsworth, der die Erhebung gemeinsam mit seinem Kollegen Daniel Gilbert leitete, hält die Ergebnisse als hochbedeutend. "In Gedanken auf Wanderschaft zu sein, kann Menschen womöglich auch unglücklich machen", so der Experte. Der Zusammenhang könnte auf eine Asymmetrie zurückzuführen sein, wie die Tagträume die Stimmung beeinflussen. Killingsworth und Gilbert fanden heraus, dass Tagträume über angenehme Dinge die Stimmung verbesserten. Diese Verbesserungen waren jedoch nur gering.

Schlechte Stimmung mit Grübeleien verbunden

Dachten die Teilnehmer an neutrale Dinge, entsprach das einer ähnlich geringen Verdüsterung der Stimmung. Unangenehme Tagträume entsprachen jedoch einem Abfall von 20 Punkten auf einer Skala von 100. Diese Skala wurde den Teilnehmern zur Beurteilung ihrer jeweiligen Stimmung zur Verfügung gestellt. Jonathan Smallwood von der University of California erklärt, dass es bisher nur Versuche im Labor gegeben hat, Tagträume und Glücksgefühle zu untersuchen. Noch nie seien so viele Menschen in ihrem Alltag begleitet worden.

Smallwood argumentiert jedoch auch, dass der Zusammenhang von Ursache und Wirkung näher erforscht werden müsse. Laborexperimente hätten gezeigt, dass es auch ganz anders sein kann. Zeigte er Menschen Videos mit einer traurigen Geschichte, führte das dazu, dass die Gedanken mehr wanderten. Es sei schwierig, Ursache und Wirkung in einen direkten Zusammenhang zu bringen. Es bestehe jedoch kein Zweifel daran, dass schlechte Stimmungen und das Wandern der Gedanken untrennbar miteinander verbunden sind.

Weniger Tagträume zuzulassen, zu meditieren oder einfach genug zu tun zu haben, könnte Menschen helfen, gegen Depressionen anzukämpfen. Tagträume ganz zu unterbinden, selbst wenn das möglich wäre, sei jedoch nicht ratsam. Die Ironie an der ganzen Sache sei nämlich die, dass mit dem freien Schweifen der Gedanken auch Neues entstünde.  (pte)