Der tanzlehrer und Choreograf Nour El Hadi ist der Meinung, dass man jeden Tanz beherrschen kann, wenn man das "System Tanz" einmal durchschaut hat.

Foto: Meri Disoski

Weil es Spaß macht und weil man dafür keinen Partner braucht."

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Die Frage nach dem "Wieso" sei ihr schon oft gestellt worden, sagt Renata Willenig. Mit einem Schmunzeln sitzt sie zwischen vielen roten, orangen und gelben Kissen. Aus dem Nebenraum, dem Tanzsaal, ist laute Musik zu hören, dazwischen vereinzeltes Klirren, das wohl von den Bauchtanzgürteln herrühren muss. Vom Fensterbrett hinter der Sitzlandschaft greift die promovierte Biologin nach einem prallgefüllten blauen Ordner, der die Geschichte des Tanzstudios dokumentiert. Begonnen habe alles vor mittlerweile mehr als zwanzig Jahren, erinnert sie sich.

"Naive Milchmädchenrechnung"

Während ihres Dissertationsstudiums habe sie sich für den damals in Wien noch weitgehend unbeachteten orientalischen Tanz zu interessieren begonnen, die wenigen dazu angebotenen Tanzkurse besucht und bald darauf selbst Kurse und Workshops abgehalten. Weil sie in Wien "nichts mehr lernen konnte", geht sie ins Ausland und besucht in Frankfurt einen Kurs von Dietlinde Karkutli, der "Pionierin der Bauchtanzszene ist Deutschland". Zurück in Wien ergibt sich bald die Möglichkeit, ein Tanzstudio zu übernehmen - Willenig zögert nicht lange und greift zu. Ihre "einfache, vollkommen naive Milchmädchenrechnung" geht auf: In den folgenden Jahren avanciert das Tanzstudio Chiftetelli zum Zentrum für orientalischen Tanz in Wien.


Adaptiertes Angebot

Die steigende Nachfrage nach Tanzkursen brachte aber nicht nur mehr Kundschaft, sondern vor allem auch eine immer größer werdende Zahl an MitbewerberInnen. So hätten sich beispielsweise einige ihrer „ehemaligen Schülerinnen und LehrerInnen mit eigenen Studios selbstständig gemacht", erzählt Willenig. Um im Wettbewerb mithalten zu können, war folglich eine Adaption des Programms notwendig. Deshalb finden sich im aktuellen Kursprogramm des Chiftetellis neben Kursen zu orientalischem Tanz auch Workshops zu ägyptischer Folklore, Michael Jackson Dance Style und auch Seminare, die unter Titeln wie "Lebenslust" oder "Deine Träume werden wahr" angeboten werden. Esoterik-Alarm?

"Nein", antwortet die Leiterin des Studios. Das erweiterte Programm sei auf die Bedürfnisse der Kundschaft, die "zu 99,9 Prozent weiblich ist", zugeschnitten. Man wolle den Frauen dabei helfen, ihr „volles Potenzial zu entfalten". Der tänzerische Aspekt sei dabei natürlich sehr wichtig, jedoch nicht isoliert zu betrachten, da auch „andere Facetten" berücksichtigt werden müssten, die für die persönliche Weiterentwicklung der Kundinnen wichtig seien. Wichtig sei ihr darüber hinaus vor allem eines, nämlich „die Qualität des Angebots" die über die Auswahl der KursleiterInnen gewährleistet werden soll, führt Willenig aus.

"Ich mache Tänzerinnen"

Einer dieser Kursleiter ist der aus Ägypten stammende Tänzer, Tanzlehrer und Choreograf Nour el Hadi, dessen Repertoire neben klassisch-orientalischem Tanz, Pharaonentanz und libanesischen Tänzen auch saudiarabische Tänze und arabisch-andalusische Tänze umfasst. El Hadi ist der Meinung, dass man jeden Tanz beherrschen kann, wenn man das "System Tanz" einmal durchschaut hat. "Ich mache Tänzerinnen aus ihnen und möchte, dass sie all das lernen", formuliert er die an seine Schülerinnen gerichtete Erwartung.

Ein bisserl von überall

Dass sie schon von verschiedenen LehrerInnen gelernt habe, erzählt eine der Kursteilnehmerinnen: "Ich tanze schon seit langem und wechsle ständig die Studios", sagt sie. Die Tanzstile der jeweiligen LehrerInnen seien sehr unterschiedlich und vor allem auch sehr prägend. Um einen eigenen Stil kreieren zu können, müsse man also „von überall ein bisserl was" mitnehmen, führt sie aus, während die neben ihr sitzende Frau beipflichtend nickt. Wieso sie sich für orientalischen Tanz entschieden hätten? "Weil es Spaß macht und weil man dafür keinen Partner braucht." (Meri Disoski, 12. November 2010, daStandard.at)