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Teppiche werden von Frauen produziert.

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Tanveer Jahan (re.) stärkt deren Rechte.

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Wien - Nicht nur das Heim, sondern auch die Infrastruktur für die Herstellung der Teppiche ist zerstört - unzählige Teppichproduzenten stehen nach der Flutkatastrophe vor mehr als drei Monaten in Pakistan vor dem Nichts. Und das war erst der Anfang: Das Hochwasser hat die Baumwollpflanzen vernichtet - Pakistan ist immerhin der viertgrößte Baumwollproduzent weltweit. Aber auch unzählige Schafe starben in der Flut.

"Das wird im kommenden Jahr zu einem massiven Engpass bei Schaf- und Baumwolle führen - und in der Folge zu einem weiteren Rückgang des pakistanischen Teppich-Exportes", erläuterte die Menschen- und Frauenrechtsaktivistin Tanveer Jahan diese Woche während eines Wien-Besuchs im Standard-Gespräch.

Zwei Millionen Knüpferinnen

Es sind rund zwei Millionen Menschen, die in der pakistanischen Teppichproduktion direkt beschäftigt sind - davon sind rund 80 Prozent Frauen. In Fabriken wird kaum produziert - die meiste Arbeit findet daheim statt. Bereits vor der Flutkatastrophe lebten die Knüpferinnen am oder unter dem Existenzminimum - "vom Teppichknüpfen alleine kann niemand leben", berichtet Jahan.

Rund 150 bis 200 Rupien könne man pro Tag mit Teppichknüpfen verdienen. Zum Vergleich: Sogar fürs Steineklopfen bekommen die Arbeiter 300 Rupien pro Tag. Für ein menschenwürdiges Auskommen - "drei Mahlzeiten am Tag, die Kinder zur Schule schicken können" - bräuchte man in Pakistan laut Jahan mehr als 500 Rupien (rund vier Euro) pro Tag.

Und die Knüpferinnen sind in der Zwickmühle mehrfacher Abhängigkeiten: Die Teppichproduktion bindet sie in ländlich-konservativen Gegenden an ihr Heim - die Auftraggeber bestimmen nicht nur den Preis, sondern stellen auch die nötigen Rohstoffe zur Verfügung

Genau hier setzt in Pakistan das Pilotprojekt eines fairen Teppichhandels der Labeling-Organisation Label Step den Hebel an. "Wir begannen mit der Mobilisierung der Arbeiterinnen und der Gemeinden", erläutert Tanveer Jahan, die das Projekt koordiniert.

50 Dörfer der Provinz Punjab sind es bereits, in denen nicht nur Schulungen zu Themen wie Arbeitsrechte, Sicherheit, Gesundheit oder Hygiene durchgeführt werden. Bei der Teppichproduktion muss etwa darauf geachtet werden, dass Schutzmasken getragen werden, um Lungenerkrankungen zu vermeiden, dass keine Chemikalien ins Grundwasser gelangen oder dass die Arbeiter beim Färben nicht bloßfüßig in die chemischen Flüssigkeiten steigen.

Das Entscheidende war aber: Bei gemeinsamen Treffen fanden die Arbeiterinnen heraus, dass oft die gleichen Auftraggeber in verschiedenen Dörfern höchst unterschiedliche Löhne zahlten. Die Auftraggeber kamen unter Druck - und Label Step leistete auch bei ihnen Aufklärungsarbeit; dass ein faires System langfristig auch ihre eigene Position stärke. Starke Verbündete fand die Organisation aber auch bei den europäischen Importeuren, die verstärkt faire Bedingungen einfordern.

So wurden in den 50 Dörfern mit rund 4000 Knüpferinnen deutliche Einkommens- und Sozialverbesserungen erreicht. Jetzt gibt es Mindestpreise für Teppiche (je nach Größe und Qualität) - aber auch 55 Schulen, die von Label Step unterstützt werden.

In Österreich beträgt der Marktanteil fair gehandelter Teppiche übrigens bereits 50 Prozent - "damit sind wir weltweit Spitzenreiter", berichtet Kersin Rohrer von Label Step Österreich. Gelungen sei dies vor allem, weil bereits 13 Unternehmen auf den fairen Teppichhandel umgestiegen sind - darunter auch die großen Einrichtungshäuser Kika und Leiner. (Roman David-Freihsl/DER STANDARD, Printausgabe, 12. November 2010)