Buchtipp:
Berufsbegleitende Studien 2010/11

Stefan Humpl, Jörg Markowitsch (Hrsg.)
204 Seiten
ISBN: 978-3-902277-25-1

Foto: 3s Unternehmensberatung

Arbeit, Familie, Haushalt, abends die Schulbank drücken und am Wochenende lernen - viel Freizeit bleibt nicht, wenn man sich für eine berufsbegleitende Weiterbildung entscheidet. Nicht selten muss man darüber hinaus einen ganzen Batzen Geld investieren. "Wofür das alles? Kann sich das jemals rentieren?", mag sich da manch einer fragen.

"Generell - also im Durchschnitt betrachtet - zahlt sich eine formale Weiterbildung allemal aus", konstatiert Bildungsexperte Jörg Markowitsch vom Department für Weiterbildungsforschung und Bildungsmanagement der Donau-Universität Krems. "Geschätzte Renditen durch erhöhtes Einkommen sind jedenfalls höher, als wenn Sie das Geld auf ein gut verzinstes Sparbuch legen." Eine Garantie auf den Einzelfall gebe es freilich nicht.

Förderungen sind eher mager

Bevor sich der Aufwand am Lohnzettel niederschlägt, muss aber erst einmal investiert werden. Wer an einer Universität oder Fachhochschule studiert, hat mit Kosten für Fahrten und Bücher noch vergleichsweise geringe Ausgaben. Anders bei teuren Postgraduate-Studien: Hier muss man zwischen 4.000 und 20.000 Euro hinblättern.

Finanzielle Unterstützung vom Staat, den Kammern, dem AMS und den Gewerkschaften gibt es zwar, deren Höhe hält sich aber in Grenzen. "Hinzu kommt, dass jedes Bundesland über spezifische Fördermodelle verfügt", weiß Stefan Humpl, Bildungsforscher sowie Geschäftsführer der 3s Unternehmensberatung. Oft sind Förderungen an den eigenen Wohnsitz oder den Standort des Arbeitgebers gebunden. Wenn Wohn- und Arbeitsort nicht im selben Bundesland liegen, können sich die Chancen verdoppeln.

Oft zahlt der Arbeitgeber

Teure Ausbildungen wie die Masterprogramme MBA oder MSc werden in vielen Fällen auf Anraten des Arbeitgebers absolviert und folglich auch vom Betrieb bezahlt. "Viele Unternehmen haben Interesse daran, High Potentials zu fördern", so Humpl. Auch Weiterbildungen im Gesundheitswesen, zum Beispiel für Fachärzte, seien preislich weit oben angesiedelt und würden teilweise von den Arbeitgebern, den Krankenanstalten, übernommen. Dass sich jemand privat eine der teureren Ausbildungen aufbürde sei eher die Ausnahme, weiß der Bildungsforscher.

So wie Melanie Reiner. Sie investiert viel Zeit und Geld, um sich ihren beruflichen Traum zu erfüllen: Die in Wien lebende Burgenländerin macht neben ihrer Stelle als Abteilungsleiterin in einem Marktforschungsunternehmen eine Ausbildung zur Systemischen Familientherapeutin. Die Kosten für die mehrere Jahre dauernde Berufsqualifizierung betragen rund 35.000 Euro, vom Staat gab es einen vergleichsweise geringen Zuschuss von 150 Euro. "Ich kann mir das nur leisten, weil mich meine Familie finanziell unterstützt", erzählt Reiner. Trotz der Hilfe von außen musste sie sich einen Kredit aufnehmen, was im täglichen Leben zu finanziellen Einschränkungen führt. "Die Prioritäten haben sich natürlich verschoben, die Weiterbildung geht auf Kosten von Urlauben und Ähnlichem."

Traumberuf

Ihr Arbeitgeber unterstützt die 30-Jährige, indem er ihr die rund 1.000 Praktikastunden zeitlich ermöglicht, "ich lerne ja auch grundlegende Dinge über Systeme oder Coaching, die ich in meiner jetzigen Berufsposition einsetzen kann." Reiner ist sich trotz des zeitlichen und finanziellen Aufwandes sicher: "Das ist ein Job mit Zukunftsperspektive, ich kann mich später selbstständig machen, obwohl es natürlich kein nahtloser Übergang vom einen in den anderen Job sein wird." Die hohen Kosten nimmt sie in Kauf, weil sie sich später einen besseren finanziellen Status erhofft.

Scheidungen sind nichts Ungewöhnliches

Nicht zu unterschätzen ist die Mehrfachbelastung, die eine berufsbegleitende Weiterbildung mit sich bringt. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass private Probleme dadurch verstärkt werden. Ich will nichts schlecht reden und auch nichts beschönigen, aber es gibt viele Scheidungs- beziehungsweise Trennungsfälle", sagt Humpl. Er rät, sich im Freundes- und Bekanntenkreis umzuhören, welche Erfahrungen andere Personen mit der neuen Lebenssituation gemacht haben. "Denn es tauchen immer wieder Dinge auf, mit denen man nicht gerechnet hat."

Tipps für Bildungshungrige

Humpl hat weitere Tipps für Interessenten parat: Zum Beispiel, zuerst eine kürzere Weiterbildung zu machen um zu sehen, wie gut man mit der Zusatzbelastung leben kann. Eine zweite Option: Mit der jeweiligen Bildungseinrichtung aushandeln, dass man - sollte man die Ausbildung schon nach kurzer Zeit wieder abbrechen - nur einen Teil der Kosten zahlen muss. "Das ist natürlich nicht gerne gesehen, weil das Geld auch ein Ansporn sein soll, durchzuhalten." Einen Versuch sei es aber Wert.

Drittens sollte unbedingt das Gespräch mit dem Arbeitgeber aufgesucht werden. Die einzige Ausnahme: Wenn man eine Weiterbildung ausschließlich absolviert, um später den Job zu wechseln. "Beim Gespräch mit dem Arbeitgeber geht es darum, gemeinsam Zukunftsoptionen auszuloten und über ein mögliches Entgegenkommen, zum Beispiel flexible Arbeitszeiten, Freistellung vor Prüfungen oder eine finanzielle Unterstützung zu sprechen", erklärt Humpl. Wenn es im Betrieb andere Mitarbeiter gibt, die sich ebenfalls nebenbei weiterbilden, kann man Erfahrungen austauschen oder Lerngruppen bilden.

Kurskosten & Co. von der Steuer absetzen

Betriebe, die ihren Mitarbeitern die Weiterbildung finanzieren, können entweder 20 Prozent der Ausbildungskosten als Bildungsfreibetrag abschreiben oder aber sechs Prozent der Kosten als Bildungsprämie beantragen. Zahlt sich der Arbeitnehmer die Fortbildung selbst, kann er die Ausgaben als Werbungskosten in Form der Arbeitnehmerveranlagung geltend machen.

Selbstständige und freie Dienstnehmer können die Kosten bei der Einkommenssteuererklärung als Betriebsausgaben verbuchen, was sich steuermildernd auswirkt. In beiden Fällen gilt: Nicht nur die Kurskosten, sondern auch alle damit verbundenen Ausgaben wie Fahrtkosten, Büchergeld, Nächtigungskosten, Internet- und Telefonkosten oder Aufwendungen für Arbeitsmittel wie Computer können ganz oder teilweise von der Steuer abgesetzt werden.

Kostenlose Bildungsangebote

Nicht immer muss man für berufsbegleitende Weiterbildung Geld ausgeben. Die Salzburgerin Sandra Roider, Teilzeit-Floristin und Mutter zweier Kinder, besucht zwei Mal pro Woche das Abendgymnasium, um die Matura nachzuholen. "Die Ausbildung ist kostenlos, nur für die Bücher muss ich einen Beitrag zahlen", sagt die 35-Jährige. Trotz Beruf und Familie will sie die vier Jahre durchhalten, ein spezielles Karriereziel verfolge sie damit nicht. "Ich probiere es einfach mal, wer weiß, vielleicht will ich ja in meiner Pension noch studieren?" Um alles unter einen Hut zu bringen, müsse man sich jedenfalls genügend Zeit für Schule und Lernen nehmen. "Wenn ich Prüfungen habe, kann es schon vorkommen, dass daheim mal etwas liegen bleibt." (mak, derStandard.at, 15.11.2010)