Trotz des Kunstfehlers am Klinikum Klagenfurt bleibt der Patient bei seinem Arzt.

Foto: Johannes Puch

Klagenfurt - Es hätte nicht schlimmer kommen können. Mitten in die Diskussion um die akute Personalnot am neu erbauten Klinikum Klagenfurt am Wörthersee platzte die Hiobsbotschaft eines verhängnisvollen Kunstfehlers. Einem 59-jährigen Kärntner Patienten war zu Wochenbeginn die falsche, gesunde, statt der tumorbefallenen Niere entfernt worden. Das Operationsteam hatte den Patienten auf dem OP-Tisch verkehrt gelagert.

"Es war menschliches Versagen", mussten der derzeitige Medizinische Direktor Bernd Stöckl und der Leiter der Urologie am Klinikum Klagenfurt, Klaus Jeschke, am Donnerstag bekanntgeben. Der Operateur, ein erfahrener Oberarzt der Urologie, habe den Irrtum nicht bemerkt. Die Niere sei von einer Fettkapsel umgeben gewesen. Erst der Pathologe habe Alarm geschlagen. Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet, der Oberarzt nicht vom Dienst suspendiert. Er besitzt nach wie vor das Vertrauen seines Patienten. Dieser muss sich einer zweiten Operation unterziehen, bei der er auch die zweite Niere verlieren könnte. In diesem Fall müsste der Kärntner als Dialysepatient auf eine Spenderniere warten. 2007 war es schon einmal im früheren LKH Klagenfurt zu einem fatalen Fehler gekommen: Einem steirischen Dialysepatienten war eine krebsbefallene Niere transplantiert worden. Der Kärntner Spender, er hatte Metastasen an mehreren Organen, war zuvor in Klagenfurt untersucht worden. Der Nierentumor war unter der Fettschicht nicht bemerkt worden. Auch der Steirer starb an Krebs.

Der aktuelle Kunstfehler um den tumorkranken Patienten, dem die gesunde Niere entfernt wurde, beschert dem um rund 360 Millionen Euro neu errichteten Klinikum Klagenfurt ein Imagedesaster - auch wenn sich alle Beteiligten bemühen, Zusammenhänge mit der seit langem heftig diskutierten Personalnot in Abrede zu stellen. Erst am Dienstag hat die neue Managerin der Kärntner Landesspitäler (Kabeg) Ines Manegold den drei Intensivstationen 14 zusätzliche Pflegekräfte zugestanden - gemessen an den über Jahre rund 75.000 geleisteten Überstunden noch immer zu wenig. Kürzlich war von ihr Med-Direktor Mathias Angres nach vier Monaten fristlos entlassen worden. Er hatte sich auf die Seite des völlig überlasteten Ärzte- und Pflegepersonals gestellt. Die Ärzte hatten in einer Resolution auf die Zustände aufmerksam gemacht.

"Gefährliche Pflege"

Auch das Intensivpflegepersonal hatte im September in ei- nem dem Standard vorliegenden Schreiben an die Kabeg-Chefin, Betriebsräte sowie Gesundheitslandesrat Peter Kaiser (SPÖ) und den stellvertretenden Landeshauptmann Uwe Scheuch (FPK) Abhilfe gefordert: "... aus dieser Situation kann es zur gefährlichen Pflege kommen". An der Urologie habe es keine Personalnot gegeben, sagt Abteilungsleiter Jeschke, der Operateur sei ausgeruht und das OP-Team am Morgen ausgewechselt worden. Im Kärntner Landtag gab es indes einen Schlagabtausch zwischen Blau-Schwarz und Rot um die Verantwortung für die Personalmisere. (Elisabeth Steiner/DER STANDARD, Printausgabe, 5. November 2010)