Bei der ungarisch-österreichischen Raaberbahn geben bald die Ungarn den Takt vor - nicht nur, weil sie ganz patriotisch unter Franz Liszts Flagge fährt.

Foto: Raaber Bahn

Wien - Noch ist das Sorgenkind des ÖBB-Güterverkehrs, Rail Cargo Hungaria (RCH, früher MávCargo), nicht von der Wirtschaftskrise auskuriert, schon droht der österreichischen Staatsbahn neues Ungemach in Pannonien. Diesmal in Form eines neuen Konkurrenten im Gütertransport.

Zu einem solchen könnte sich die zu 65 Prozent im Eigentum der Republik Ungarn stehende Raaberbahn nämlich mausern, wenn sich die frühere Raab-Ödenburg-Ebenfurter Eisenbahn (Gysev) mit der staatlichen ungarischen Eisenbahngesellschaft Máv zusammentut. Entsprechende Pläne gibt es bereits, ab 2011 könnte es losgehen, erfuhr der Standard aus Eigentümerkreisen.

Duo mit Potenzial

Das Duo hat Potenzial. Denn Máv ist das ungarische Pendant zur ÖBB, sie war bis Februar 2009 Mutter der an die ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA) um umgerechnet 407 Millionen Euro verkauften MávCargo (heute Rail Cargo Hungaria, RHC). Máv musste sich beim Verkauf ihrer Gütertochter verpflichten, im Schienengüterverkehr nicht in Konkurrenz zu ÖBB und MávCargo zu treten. Am 1. Jänner 2011 läuft diese Sperrfrist allerdings ab, und Máv steht es frei, eine eigene Güterverkehrssparte aufzuziehen.

Mit der zu 65 Prozent im Eigentum der Republik Ungarn stehenden Raaberbahn (33,29 Prozent gehören Österreich, knapp sieben der Strabag) wäre dies quasi ein Heimspiel - und vor allem unbelastet von Millionenschulden, Personalüberhang und unrentablen Werkstätten oder Wagonfabriken. Raaberbahn muss dafür nur ihren Güterverkehr in die Tochtergesellschaft Gysev-Cargo ausgliedern, wie von den EU-Wettbewerbshütern beim MávCargo-Deal verordnet, nachdem sie die Raaberbahn aus dem ÖBB-Konsortium entfernt hatten.

In Österreich spielt man die Gefahr aus dem Osten wohl als bedeutungslos herunter ("Die Raaberbahn hat gegen Marktführer RCA sowieso keine Chance", heißt es in der ÖBB), indigniert reagiert man im Verkehrsministerium in Wien auf die Offensive dennoch. Wohlgesonnen ist man der österreichisch-ungarischen Gemeinschaftsbahn, die von Ebenfurth über das Burgenland nach Sopron bis Szentgotthard fährt, ohnehin nicht. Die bereits genehmigten und budgetierten 14,5 Millionen Euro für Ausbau und Elektrifizierung der Strecke Sopron-Szentgotthard hält das Verkehrsministerium seit bald einem Jahr zurück - obwohl der rund 250 Millionen teure Streckenausbau als grenzüberschreitendes Bahnprojekt zu fast 90 Prozent von der EU finanziert wird.

Zufall oder nicht: Der Raaberbahn-Gütertochter Gysev-Cargo wird von den Österreichern die sicherheitstechnische Genehmigung verwehrt, obwohl dies als Formsache gilt. Die Trennung von Güter- und Personenverkehr erfolgt de facto ja nur gesellschaftsrechtlich. In der Praxis ändert sich fast nichts. Als Schikane taugt dies allemal, zumal die Raaberbahn mit ihrem neuen Aktionär Strabag - der Baukonzern kaufte der ÖBB ihre 4, 9 Prozent ab - mit Gysev-Cargo einiges bewegen könnte.

Bures sieht gute Zusammenarbeit

Aufhalten können die Österreicher die Raaberbahn nicht. Sie sind im Aufsichtsrat in der Minderheit, Ungarn und Strabag haben sieben Sitze (eine Dreiviertelmehrheit), die Österreicher nur fünf. Das sechste Mandat hat Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) nämlich Strabag überlassen - und wurde prompt mit einem interessanten Mann besetzt: Zoltan Aczel. Das ist jener Geschäftsmann, der gemeinsam mit Ex-LiF-Geschäftsführer Alexander Zach und ihrer Firma Eurocontact in Verdacht geraten war, beim Autobahnbau in Ungarn Schmiergeldzahlungen vermittelt zu haben.

Im Büro Bures betont man die gute Zusammenarbeit mit Ungarn bei der Raaberbahn. Entscheidend dafür seien nicht Mehrheiten in Gremien, sondern das Einvernehmen und der Syndikatsvertrag. Und der werde gerade verhandelt. (András Szigetvari, Luise Ungerboeck, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 5.11.2010)