"Der autistische Sohn habe mehr Lärm gemacht als gesunde Kinder, deshalb sei der Kündigungsgrund verwirklicht", das ist unter anderem eine Begründung in dem Gerichtsurteil, nachdem Familie Salman in 11 Tagen auf der Straße stehen soll. Das berichtete das Ö1-Morgenjournal. Aber laut Generalsekretärin der Autistenhilfe Ruth Renee Kurz widerspreche das Urteil der Bundesverfassung, der Kinderrechts- und der Behindertenkonvention. Deshalb will die Anwältin der Familie auch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. Ein Einspruch beim Obersten Gerichtshof wurde abgelehnt.

Nachbarn haben geklagt

Auslöser für den Fall waren Beschwerden der überwiegend pensionierten Nachbarn der Familie. Zwar wohnen die Salmans schon seit vier Jahren in der Gemeindebau-Reihenhaussiedlung in Wien-Donaustadt, doch gibt es immer wieder Aufregung über Schreianfälle und Hämmern gegen Wand und Türen. Eine Nachbarin gab zudem an, dass sie der autistische 16-Jährige attackiert habe. Nachbarn in den gegenüberliegenden Häusern hätten aber von dem angeblichen Lärm nichts mitbekommen. Laut Familie habe sich der Zustand des Jungen auch schon merklich durch Medikamente und Therapie gebessert.

Die Suche nach einer günstigen Wohnung war bisher erfolglos, der Vater arbeitet als Hilfsarbeiter am Bau. Von der Stadt Wien wird keine besser gelegene oder besser gedämmte Wohnung zur Verfügung gestellt. Aber die Autistenhilfe sagte zu Ö1, dass der vom Jugendamt vorgeschlagene Heimplatz in Oberösterreich für den Burschen die Stadt laut Autistenhilfe monatlich bis zu 8.000 Euro kosten würde.

Politik bezieht Stellung

Wohnbaustadtrat Michael Ludwig betont nun, dass eine Lösung gefunden werden soll - und zwar zunächst für die medizinische Betreuung des Buben. Danach werde man bei der Suche nach einer entsprechenden Wohnung behilflich sein. Die Delogierung kann laut Ludwig nicht mehr rückgängig gemacht werden: "Das ist eine richterliche Entscheidung, dazu gibt es auch ein Urteil des OGH."

Es müsse, so erklärte Ludwig, jedenfalls sichergestellt sein, dass, falls es eine neue Wohnung gebe, ein problemloses Zusammenleben mit der Familie möglich ist. Laut dem Ressortchef war die Delogierung unter anderem auch deswegen angeordnet worden, weil aggressives Verhalten an den Tag gelegt worden sei. Auch bei bisherigen Gesprächen hat sich die Familie dem Vernehmen nach nicht immer kooperativ gezeigt. Trotzdem: Die gemeinsame Lösung soll, so hofft man im Rathaus, bis 15. November gefunden werden - also bis zu jenem Termin, an dem die Familie ausziehen muss.

Kritik von der ÖVP

Heftige Kritik war zuvor - nach einem entsprechenden Bericht im ORF-Radio - unter anderem von der ÖVP gekommen. "Ich bin bestürzt, dass so etwas in Wien möglich ist", zeigte sich Franz-Joseph Huainigg, ÖVP-Sprecher für Menschen mit Behinderungen, mit der Delogierung nicht einverstanden. Die Stadt Wien sei aufgefordert, eine besser lärmgedämmte Wohnung zur Verfügung zu stellen.

Empört zeigte sich Huainigg auch darüber, dass im entsprechenden Gerichtsurteil festgehalten wurde, dass der autistische Sohn mehr Lärm gemacht habe als gesunde Kinder, wodurch der Kündigungsgrund verwirklicht sei. Die nicht amtsführende ÖVP-Stadträtin Isabella Leeb bezeichnete die Delogierung als "unsozial und inhuman". Lebenshilfe-Präsident Germain Weber sprach von einem "groben Verstoß gegen die Menschenrechte".

Die Grünen staunten darüber, dass die Stadt noch immer keine tragbare Lösung gefunden habe. "Die Grünen haben bereits Anfang Sommer auf die Probleme dieser Familie aufmerksam gemacht", betonte Gemeinderätin Claudia Smolik. (red, APA)