"I love Alaska"

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"If you have something that you don't want anyone to know, maybe you shouldn't be doing it in the first place." Dieses legendäre Zitat von Google-Chef Eric "Mielke" Schmidt steht in einem hübschen Kontrast zum modernen Filmschaffen mit Werken von beispielsweise Bunuel, Lynch oder dem frühen Soderbergh. Obsessionen, geheimnisumwittertes Leben oder nur im Boudoir gewagte Leidenschaften waren und sind ihre Themen. Mit Eric Schmidt wäre das nicht zu machen. Vorsichtshalber blendet Google daher auch schon mal die wirklich beliebtesten Suchbegriffe bei den regelmäßig veröffentlichten Rankings aus.

An den ethischen Imperativ des großen Suchmaschinenvorsitzenden halten sich Gott sei Dank nicht alle Nutzer. Und so geht, zum Wohle des globalen dramatischen Schaffens, die Netzgemeinde voran und lebt weiterhin ein verkorkstes, verklemmtes oder sonstig narrativ verwertbares Dasein. Auch mit der Hilfe von Suchmaschinen. Welche Dramen sich allein anhand der täglichen Suchroutine erahnen lassen, davon dürfen sich Mitarbeiter der entsprechenden Betreiber ein wohl verstörendes Bild machen.

Dass auch die Öffentlichkeit in den Genuss dieser Alltagsrecherchen kommt, kann daher als Glücksfall betrachtet werden. Denn sonst wäre "I love Alaska" nie entstanden. Als AOL am 4. August 2006 versehentlich die Suchhistorie von 650.000 Nutzern aus einen Zeitraum von 3 Monaten veröffentlichte, war das ein Skandal. Einerseits. Andererseits lernen wir in "I love Alaska", einem "MiniMovies"-Projekt der niederländischen Produktionsfirma Submarine, das Leben der AOL-Kundin Nr. 711391 kennen. Nur anhand ihrer Suchanfragen. Chronologisch vom 1. März bis zum 31. Mai 2006. Wir blicken in Abgründe des Alltags.

Der 13-teilige Film ist eher ein Stillleben. Die Standaufnahmen aus Alaska strotzen vor Einsamkeit. Die Stimme, die die Eingaben aus dem Off vorträgt, ist distanziert neutral. Das alles entfaltet eine suggestive Kraft, der man sich nicht entziehen kann. Musikvideo-verwöhnte Gemüter mögen spätestens jetzt gähnen. OK. Für alle Neugierigen: dies ist ein außergewöhnliches, faszinierendes Projekt von Submarine, einer auf Dokumentationen und weboriginäre Inhalte spezialisierten Produktionsfirma mit eigener Videoplattform. Dort warten weitere interessante Projekte auf ihre Entdeckung. Wie wäre es vorher noch mit einer VPN-Verbindung? (Von Stefano Semeria, derStandard.at)