Steter Wandel: "World Walking" von William Kentridge.

Foto: John Hodgkiss/William Kentridge

Wien - Dunkler Kaffee findet, verschüttet auf Papier, durch Zeichnerhand schnell zur Form. Dann faltet William Kentridge den Bogen, öffnet ihn wieder - voilà: eine völlig verwandelte Zeichnung. Es sind simple Tricks, die in den Animationen Linien zum Tanzen und Figuren zum Verschwinden bringen. Durchschaubare, aber Schmunzeln machende Magie.

Die fragmentarischen Filme, quasi Ouvertüre zur Albertina-Ausstellung Fünf Themen, sind eine Hommage an Georges Méliès, den Erfinder der Stop-Motion-Technik. Das "steinzeitliche Filmemachen", so Kentridge, ist zur Obsession des Südafrikaners geworden. "Meine Technik ist das Zeichnen, weil es ähnlich funktioniert, wie das Gehirn arbeitet." Assoziativ, intellektuell gelenkt und dennoch emotional beeinflusst. Espressokannen, die zu Raketen werden, Telefone zu Katzen und Katzen zu Gasmasken, das kann man symbolisch nicht deuten, sagt er. Aber es passe immer zum Film, zum Moment.

Der Radiergummi ist wichtigstes Utensil des 55-jährigen Kokoschka-Preisträgers: "Das Bild entsteht ebenso aus dem, was ich wegnehme." Am Weg der ständigen Transformation für die Filme stechen manchmal aber auch Zeichnungen heraus, die für sich allein stehen können.

So erklärt sich Kentridges Bildsprache. Seine politisch durchtränkten Filme folgen den blutigen Spuren seiner südafrikanischen Heimat, prangern Machtmissbrauch und Unterdrückung an, thematisieren menschliche Abgründe und kulturelle Identität. Immer flicht er auch Privates ein: Sei es, dass er den Gegenspielern seiner 1989 begonnenen Serie - Kapitalist Soho Eckstein und Träumer Felix Teitelbaum - seine Züge verleiht. "Von beiden stecken Teile in mir", sagt Kentridge über die kontroversen Charaktere.

Er, der unter anderem deshalb Politik studierte, weil nur jene Studenten während des Apartheid-Regimes Marx und Engels lesen durften, ist trotz allen Engagements "kein Sozialarbeiter. Ich arbeite im Atelier." Oder im Theater. Denn Kentridge (bereits vor seinem künstlerischen Durchbruch arbeitete er als Bühnenbildner und Regisseur) inszenierte während der New-York-Station (Moma) der Ausstellung Schostakowitschs Nase an der Met. Die rund um diese Opernproduktion entstandenen Arbeiten sind die prickelndsten und dynamischsten der Albertina-Schau: Die Flucht dunkler Kabinette und die filmischen Räume, die sich dazu eröffnen, ermöglichen Abtauchen in inhaltliche Tiefe. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD - Printausgabe, 30./31. Oktober/1. November 2010)