Zeitdokument I: Gemeinsam mit Richard Russell gewinnt Lance Lumsden 1966 im Daviscup gegen Arthur Ashe und Charlie Pasarell (links).

Foto: Lance Lumsden

Zeitdokument II: Lumsden rechts, Ashe in der Mitte und Russell links.

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Lumsdens Diskographie: I've Got A Feeling (1972)

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Jet Swing (1973)

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Memphis Joe (1973)

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I'm In Love With You (1975)

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Children Of The Night (1980)

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Wien - Blame it on Roberto Blanco! Er war es nämlich, der mit seinen Witzen an unserem Tisch das Interview mit Lance Lumsden am Rande der BA-Tennis-Trophy um einige unter halt same Momente verzögerte. Als Herr Blanco sich wieder dem Geschehen in der Wiener Stadthalle widmete, sprach Philip Bauer mit dem am Samstag siebzig Geburts tagskerzen ausblasenden Ex-Tennisspieler.

derStandard.at: "Aber wen interessiert das schon?" Mit diesem verzweifelt anmutenden Satz beenden Sie jeden Leitartikel in Ihrem Magazin "Tennis Sports". Hört Ihnen in Österreich denn keiner zu?

Lance Lumsden: Es ist weder Verzweiflung noch Resignation. Ich versuche Dinge aufzuzeigen, in der Hoffnung etwas zu bewirken. Wenn niemand mitwirken will, kann ich es auch nicht ändern. Aber das soll mich nicht daran hindern, meine Meinung aus Überzeugung zu sagen.

derStandard.at: Sie befassen sich ausgiebig mit den Strukturen im heimischen Tennissport. Was verhindert hierzulande eine breitere Spitze?

Lance Lumsden: Um eine breitere Spitze zu schaffen, müsste man das Training der Jugendlichen umstellen. Man müsste Trainer mit Erfahrung finden, die vielleicht selbst auf einem hohen Niveau gespielt haben. Viele können in der Jugend zwar mithalten, schaffen aber nicht den Sprung zu den Profis, weil sie mit ihrer Technik dort nicht bestehen können. Eltern würden Ihre Kinder niemals zu einem Chirurgen ohne Erfahrung schicken, aber sehr wohl zu einem Trainer, der sein Handwerk nicht richtig beherrscht.

derStandard.at: Erfolge wie jene von Jürgen Melzer müssen also als Zufallsprodukte betrachtet werden und nicht als Ergebnis geschaffener Strukturen?

Lance Lumsden: Sie sind Produkte persönlicher Betreuung. Der Weg zum Erfolg beginnt aber nicht mit dem Zufall sondern mit dem Erkennen eines Ausnahmetalents, anschließend muss der Sportler in die richtigen Hände geraten. Melzer hat jahrelang Talent bewiesen und sehr gut gespielt. Aber eine klare Tendenz nach oben hat sich erst in der Zusammenarbeit mit Ronnie Leitgeb gezeigt.

derStandard.at: Sie mussten in den 60er Jahren gegen Allzeitgrößen wie Arthur Ashe oder Rod Laver relativ empfindliche Einzel-Niederlagen einstecken. Was hat Ihnen damals zur Weltklasse gefehlt?

Lance Lumsden: Ich war Student, kein Profi. Damals gab es wenig Spieler, die vom Tennis leben konnten. Ich hatte Spaß am Sport, mehr nicht. Ich war vier, fünf Monate auf Tour, wenn ich gerade Ferien hatte.

derStandard.at: Und dennoch reichte es im Daviscup mit Partner Richard Russell gegen die USA zu einem legendären Doppelerfolg in fünf hart umkämpften Sätzen gegen Ashe/Pasarell. Daran erinnerte sich der englische "Guardian" dieses Jahr in einem Artikel über den jamaikanischen Profi Dustin Brown. Bereitet das Freude?

Lance Lumsden: Ja, es freut mich natürlich, dass dieser als Amateur errungene Höhepunkt meiner Karriere noch Erwähnung findet. Ich war kürzlich auf Jamaika in Urlaub und habe dort mit Russell Tennis gespielt, die alten Kontakte bestehen also noch.

derStandard.at: Arthur Ashe ist leider bereits verstorben. Eine ihrer Begegnungen spielte sich 1968 im Byrd Park von Richmond in den USA ab, just in jenem Klub also, der dem jungen Ashe aufgrund seiner Hautfarbe den Zutritt verweigert hatte. Wie waren Ihre Erfahrungen mit Rassismus?

Lance Lumsden: Ich wurde in den USA zu Veranstaltungen von Klubs eingeladen, die mir normalerweise den Zugang verweigert hätten. Bei Bewerben machte man aber eine Ausnahme. Als ich manche dieser Turniere überraschend gewann, haben sich nicht alle gefreut. Im folgenden Jahr wurde ich nicht mehr eingeladen.

derStandard.at: Musik war auch immer Teil ihres Lebens. Mit Arthur Ashe wollten Sie angeblich eine Band gründen...

Lance Lumsden: (schmunzelt) Wir hatten ab und zu Musik gemacht. Ich nahm die Gitarre und steuerte den Gesang bei, Russell hat mit den Maracas Rhythmus gemacht und Ashe stand an den Percussions.

derStandard.at: Ist dem Tennis-Zirkus diese gewisse Lockerheit durch die zwingende Professionalisierung der Spieler mittlerweile abhanden gekommen?

Lance Lumsden: Das würde ich so nicht sagen. Aber damals ging es weniger um das Geld als um den Spaß am Spiel. Die hohen Dotierungen erzeugen natürlich auch Neid, und trotzdem sind nach wie vor viele Spieler untereinander befreundet - vor allem Sportler aus einer Nation, Spanien kann man hier als Beispiel anführen.

derStandard.at: Sie haben in Roland Garros gegen Laver gespielt, der als letzter Profi den Grand Slam, also alle vier großen Turniere in einem Jahr, gewinnen konnte. Inwieweit ist dessen Leistung mit jener eines Federer oder Nadal vergleichbar?

Lance Lumsden: Laver war sicher einer der größten Spieler aller Zeiten. Aber man muss auch den Kontext kennen: Damals waren die besten Spieler der Welt entweder aus Australien oder den USA, das waren die ganz klar dominierenden Nationen. Die Spitze war weniger dicht, das Level stark abfallend. Auch wenn Federer oder Nadal zum Auftakt eines Turniers kaum verlieren, werden Sie heute ab der ersten Runde von Vollprofis aller Nationen gefordert.

derStandard.at: Auch zum Film hat es Sie verschlagen, in "Ein echter Wiener geht nicht unter" verkörperten Sie laut imdb.com den "Ausländer". Was war Ihre Rolle genau?

Lance Lumsden: Ich spielte einen Ausländer und musste mit dem Sackbauer über eine Mietsituation sprechen. Daraus entstand eine tiefe Freundschaft mit Karl Merkatz. Wann immer es eine Möglichkeit gibt, plaudern wir auch über diese alten Zeiten. (derStandard.at; 28. Oktober 2010)