Grafik: Standard
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Im aktuellen Aufschwung gibt es seltsame Wachstumsgewinner und -verlierer. Während noch vor einem Jahr viele Ökonomen und Analysten innbrünstig beschworen, dass die USA – wieder einmal – schneller aus der Krise kommen würden, zeigt sich nun ein anderes Bild. In Deutschland spricht man vom Aufschwung XL. Der aktuelle Wahlkampf in den USA wird von einem stagnierenden Arbeitsmarkt und einem steigenden Schuldenberg dominiert, der den Vertretern der Tea-Party Auftrieb verliehen hat.

Bei einem Symposium zur aktuellen Wirtschaftskrise in Wien, veranstaltet vom Marshallplan-Jubiläumsstiftung, mit dem klingenden Namen „From Subprime to banks to sovereign debt“, wurde auch die Frage des hinkenden US-Aufschwung diskutiert. Daniel Gros vom Centre for European Policy Studies betonte noch einmal wie außergewöhnlich die aktuelle Erholung sei. Das zeigt etwa ein Blick auf die Entwicklung des Wachstums im Vergleich mit dem Arbeitsmarkt (siehe Grafiken links). In den USA hat sich zwar das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts deutlich schneller erholt als in der Eurozone oder Großbritannien. Doch die Arbeitslosigkeit ist um vier Prozentpunkte angestiegen, die zweistellige offizielle Arbeitslosenrate ist die bestimmende Größe des aktuellen Wahlkampfes in den USA.

Diese neue Trennung von Wirtschaftsprodukt und Arbeitsmarkt ist ein „Rätsel“, betont Gros. Denn in der Makroökonomik – die sonst  kaum auf „Gesetze“ zurückgreift – gilt „Okuns Gesetz“, nach dem höheres Wachstum zu niedriger Arbeitslosigkeit führt. Die aktuelle Entwicklung widerspricht dieser Gesetzmäßigkeit. Die US-Wirtschaft wächst noch immer insbesondere dank einem hohen Produktivitätswachstum. Unternehmen lassen ihren Output „wachsen“, obwohl sie Leute feuern und Kosten sparen (also etwa mit mehr Überstunden, Rationalisierung etc.). Im aktuellen Beige Book der US-Notenbank betonen die Notenbanker, dass nicht nur die Unternehmen noch wenig expandieren, auch der private Konsum zeige kein, oder geringes Wachstum (Bloomberg). Die Konsumenten hätten noch nicht ihr Vertrauen wieder erlangt, betonen die Geldpolitiker, von einem "lebendigen" Aufschwung also keine Spur.

Was Politik noch tun kann

Das hat zwei Folgen: Erstens wird der Entschuldungsprozess in den USA durch die anhaltende Arbeitslosigkeit immer schmerzhafter. Denn es sind die Haushalte, die sich im Boom verschuldet haben, nicht Unternehmen oder der Staat. Wenn diese jetzt noch einen dermaßen katastrophalen Arbeitsmarkt vorfinden, können sie ihre Kredite noch weniger bedienen.

Zweitens „ist die Arbeitslosigkeit der wesentliche Treiber der Wirtschaftspolitik“, betont Gros. Ben Bernanke in der Notenbank und Barack Obama im Weißen Haus werden also weiter expansiv vorgehen und versuchen die Volkswirtschaft wieder zum Laufen zu bekommen. Jedoch, so Gros, könne die Politik derzeit „einzig den Schmerz etwas lindern, ihn aber nicht effektiv bekämpfen.“ Etwas weiter geht etwa Jeremy Grantham, angesehener Investor und Chief Investment Officer des Vermögensverwalter GMO, mit knapp 100 Milliarden Dollar verwalteten Vermögen. Für ihn sind es gerade die Stimuli der US-Notenbank Fed, die bereits diese Krise ausgelöst haben. In dem aktuellen Brief an die GMO-Investoren mit dem Titel „Night of the Living Fed“ (Link) warnt er vor den Folgen von Quantitative Easing und einer weiteren Stimulierung von Assetpreisen durch die Fed. Er stößt damit ins selbe Horn wie Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson: Einfache, keynesianische Lösungen gibt es in einer globalisierten Welt nicht unbedingt (Youtube).

 

 

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