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Die griechischen Behörden sind mit dem derzeitigen Flüchtlingsansturm - hier im Ort Ferres unweit der Grenze zur Türkei - völlig überlastet.

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"Grobe Verfahrensfehler" beim Asylgerichtshof.

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Wien - Beim UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) in Wien löst der teilweise Abschiebestopp des Verfassungsgerichtshofs nach Griechenland Erleichterung aus - gepaart mit Nachdenklichkeit. Die Entscheidung sei ein "positives Zeichen", sagt UNHCR-Pressesprecherin Ruth Schöffl. Doch sie gehe nicht weit genug.

Denn die Höchstrichter haben das vorläufige Ende der EU-internen Dublin-Rückführungen von Flüchtlingen in den von Asyl- und Finanzkrise gebeutelten Mittelmeeranrainerstaat nur für "besonders schutzwürdige" Personen verfügt. Für unbegleitete minderjährige Jugendliche zum Beispiel. Oder für alleinerziehende Mütter mit Kindern, wie in jenem Fall, der zu dem am Mittwoch veröffentlichten VfGH-Spruch geführt hat.

Dieser betrifft eine junge Afghanin, die über Griechenland nach Österreich geflüchtet war - weshalb laut Dublin-Verordnung Griechenland für ihr Verfahren zuständig ist. In Oberösterreich, wo sie auch derzeit lebt, habe die Frau Familienangehörige und außerdem samt Kindern "erstmals seit langer Zeit Ruhe gefunden", hatte die Perger Anwältin Doris Witschko gegen den Rückführungsentscheid des Asylgerichtshofes vorgebracht.

"Grobe Verfahrensfehler"

Solche Argumente standen für die Verfassungsrichter nicht im Mittelpunkt. Vielmehr stellten sie beim Asylgerichtshof einen "groben Verfahrensfehler" fest. Dieser habe sich in dem "besonders schutzwürdigen Einzelfall" nicht konkret genug um die griechische Zusicherung bemüht, dass für Mutter und Kinder Unterkunft und Versorgung bereit stünden. Die Frau - und damit alle ähnlich "vulnerablen" Flüchtlinge - dürften nicht nach Griechenland zurückgeschickt werden.

Dies will man im Innenministerium künftig auch befolgen: "Bei besonderer Schutzwürdigkeit wird im Dublin-Konsultationsverfahren mit Griechenland künftig ein zweiter, zusätzlicher Schritt eingeplant", sagte dort am Mittwoch ein Sprecher. In Normalfällen hingegen bestehe kein Änderungsbedarf; "Da bleibt die Konsultationspraxis wie gehabt."

Wiener Anwältin erwirkte fünf "vorläufige Maßnahmen"

Deren generelle Aussetzung - und damit einen grundsätzlichen Dublin-Abschiebestopp nach Griechenland - empfiehlt seit Wochen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Flüchtlinge, die sich per Mail oder Fax unmittelbar vor einer solchen Rückführung an das Europarat-Höchstgericht wenden, bekommen allesamt Aufschub, an den sich die betroffenen Staaten in der Regel auch halten.

In Österreich hat seit Montag allein die Wiener Anwältin Nadja Lorenz fünf derartige "vorläufige Maßnahmen" des EGMR erwirkt. Laut UNCHR hat es in der vergangenen Woche insgesamt zehn Dublin-Rückführungen von Österreich nach Griechenland gegeben. Per Flugzeug, am Mittwoch. (Irene Brickner, DER STANDARD-Printausgabe, 28. 10. 2010)