Auf der Facebook-Seite hat #acad 440 Fans

Foto: A Comment A Day

Foren bei Nachrichtenseiten sind grundsätzlich am unteren Rand einer Webseite platziert. Auch wenn nur ein Schelm den Vergleich zwischen der rein geographischen Verortung - quasi "tief" - und dem Niveau eines Forums ziehen würde, geht es trotzdem nicht immer freundlich zu. In Erinnerung bleibt zum Beispiel der Vorschlag von Christine Marek, eine Arbeitspflicht für Asylwerber einzuführen. "Dort sind Begriffe wie 'Schmarotzer' und andere, wirklich grausliche Beleidigungen herumgegeistert", sagt Susanne Zöhrer im Gespräch mit derStandard.at. "Da ist eine Terminologie wie in den 30er-Jahren aufgetreten. 'Abschaum' und 'gesellschaftlicher Ausschuss' - da wird einem ganz angst und bange."

Ziel: Ein Forum mit einem anderen Spin

Zöhrer arbeitet bei "A Comment A Day" (oder #acad) mit, einem Projekt, welches es sich zum Ziel gesetzt hat, "gegen rassistische, homophobe und diskriminierende Postings" vorzugehen, und zwar postend. Entstanden ist die Initiative in enger Zusammenarbeit mit den Wiener Grünen Birgit Hebein und Peter Kraus, die Idee stammt von Bloggerin und Wissenschafterin Jana Herwig. Also ein "grünes Gutmenschenprojekt"? Die Sozialwissenschafterin und Bloggerin lacht. "Ja, ein totales Gutmenschenprojekt. Gutmensch ist kein Wort, das ich als Schimpfwort verstehe", meint Zöhrer und verweist auf zwei Unabhängigkeiten, die eigene als Bloggerin und die des Projekts: "Es ist eine übergeordnete Initiative, es steht nirgends 'grün' drauf. Es geht einzig und allein um die Message." User sollen animiert werden, "ins Forum einen anderen Spin reinzubringen. Dann ergibt sich ein anderer Gesamteindruck von einem Forum, als wenn nur Hassparolen gepostet werden und herumgestritten wird." Es gehe darum, einen Kontrapunkt zu setzen und "denjenigen eine Schranke zu sein, die ihren Hassgefühlen freien Lauf lassen." Nur: "Ob das etwas bringt, weiß ich nicht."

"Ein kleines, feines Projekt"

Gestartet ist #acad jedenfalls Mitte August, kurz vor der Intensivphase des Wiener Wahlkampfs. Die Initiatoren sind zufrieden mit dem bisherigen Verlauf. "Es ist nicht die riesengroße Lawine losgetreten worden. Es wird zwar nicht explosionsartig wachsen, aber es gefällt Leuten und wird von verschiedensten Seiten positiv aufgenommen. Es ist ein recht kleines, feines Projekt, das Potential hat", glaubt Zöhrer.

Eines interessiert natürlich besonders: Welches Forum ist das tiefste? "Das ist unterschiedlich." Krone.at wäre ein heißer Tipp, "aber auch auf derStandard.at geht es sehr munter her." Das kommt überraschend, sagt Zöhrer. "DER STANDARD gilt ja als linksliberales Medium. Trotzdem tummeln sich im Forum Rassisten, Konservative und Wahnsinnige." Eine Erklärung dafür gibt es nicht, aber eine Vermutung: "Das hat wahrscheinlich mit der reinen Größe zu tun. Für diese Leute ist es spannender, 1.000 Leute zu erreichen als nur zehn." Die Bühne wäre größer, deshalb gehe das Spektrum bei derStandard.at in beide Richtungen.

Onlinemedien sind in der Verantwortung

Die unterschiedlichen Nachrichtenseiten selbst stehen aber ebenfalls in der Verantwortung. "Ich glaube schon, dass manche Online-Medien diese hasserfüllten Postings bewusst anstacheln, indem etwa gewisse reißerische Schlagzeilen gemacht werden." Manchen Leuten dürfe keine Bühne geboten werden, findet sie. Eine Zensur kann sich die Bloggerin nur schwer vorstellen, wenngleich es schwierig ist: "Einerseits führt die größtmögliche Meinungsfreiheit dazu, dass etwa in den Vereinigten Staaten Naziaufmärsche stattfinden, wo viele Leute aufgehetzt werden. Andererseits ist es schwierig zu sagen, wo hört man auf mit der Beschneidung der Meinungsfreiheit, wenn man einmal angefangen hat?" (flog, derStandard.at, 03.11.2010)