Georg Stonawski in seinem Büro im Wiener Techgate: Topleute, sagt er, suchen sich die besten Bedingungen aus und warten nicht auf ein Angebot aus Österreich.

Foto: Hans Hochstöger

Standard: Wie schwierig ist es für Sie derzeit, Kooperationen mit Unternehmen oder Universitäten einzufädeln?

Stonawski: Wir haben uns im Laufe der Jahre schon einen Namen gemacht. Auf dieser Basis sehe ich kein Problem, Kooperationspartner zu finden. Der Markt für Visualisierung ist auch hierzulande groß genug, es gibt genügend Bereiche, wo Bedarf besteht. Medizin, Verkehr, Tourismus oder die Baubranche, um nur einige zu nennen. Es ist allerdings so, dass viele potenzielle Projektpartner auf der Bremse stehen und nur mehr sehr zaghaft investieren - leider betrifft diese Vorsicht vor allem die Forschung. Unternehmer achten auf Quartalsergebnisse und denken zwangsläufig kurzfristig, auch weil Updates von Produkten immer rascher auf den Markt müssen. Unis haben Sorge, ab 2013 zu wenig Geld zu haben, ab dann gelten ja neue Leistungsvereinbarungen. Die nun versprochenen 80 Millionen Euro zusätzlich sind ja nur ein Bruchteil vom tatsächlichen Finanzierungsbedarf der Universitäten.

Standard: Steigt man hierzulande mehr auf die Bremse als anderswo?

Stonawski: Man gibt weniger Gas. Das liegt vielleicht am fehlenden Mut. Während man in Deutschland weiß, dass es um die bestmögliche Bildung geht, um einmal jene Entwickler im Land zu haben, die intelligente, nachhaltige Energie- oder Mobilitätslösungen bauen können, agieren wir in Österreich mit den Rezepten der vergangenen Jahrzehnte. In Deutschland wurden trotz eines ambitionierten Sparpakets zwölf Milliarden Euro extra in die Forschung investiert. Hier erkennt man gerade einmal den Wert einer Immobilie, der Wert von einem nicht-physischen Produkt, von Wissen zum Beispiel, ist nur schwer vermittelbar.

Standard: Versuchen Sie es?

Stonawski: Ich habe kürzlich mit einer Bank gesprochen und bemerkt: Die können mit den Anforderungen, die eine Forschungseinrichtung hat, noch relativ wenig anfangen. Die denken in Grundstücken. Wir sind eine bauende, noch keine forschende Gesellschaft. Dafür haben wir viel Geld. Ein Zahlenvergleich: Die Forschungsförderungsgesellschaft FFG vergab 2009 etwa 380 Millionen Euro. Ein Kilometer Autobahn kostet 50 bis 70 Millionen. Ein Missverhältnis.

Standard: Woher kommt dieses Unverständnis?

Stonawski: Wissen wurde zu oft als etwas ganz Abstraktes gehandelt. Dass damit die Zukunft der Gesellschaft zusammenhängt, eine Medizin zum Beispiel, die bessere Lösungen im Kampf gegen Krankheiten findet, sickert erst langsam in die Köpfe. Die Schule hat da auch einiges zu dieser Fehlentwicklung beigetragen: Wenn man Mädchen zum Beispiel in der Schule schon mitteilt, dass Mathematik "nicht so wichtig" ist, wie das Lehrer zu meiner Tochter sagten, dann muss man sich nicht wundern, dass diese Mädchen dann nicht Naturwissenschaften studieren. Heute jammert jeder, dass es zu wenige Frauen in der Forschung gibt. Wir haben ein Humanressourcen-Problem. Ähnlich verkorkst läuft es ja mit den Topleuten, die hier ausgebildet werden und weggehen, weil sie anderswo bessere Bedingungen vorfinden. Viele Politiker sehen, dass zum Beispiel in Harvard ein Österreicher eine Forschergruppe leitet, und wundern sich. Klar ist der weggegangen, wenn er hier nicht die idealen Voraussetzungen sieht, die er für seine Arbeit braucht.

Standard: Was machen Sie, um Forscher an Ihrem Zentrum zu halten?

Stonawski: Durch die Förderung durch das Kompetenzzentrenprogramm Comet sind wir ja glücklicherweise in der Lage, längerfristig zu planen. Das ist aber nicht alles: Wir arbeiten oft projektbezogen, reichen bei diversen Förderprogrammen ein. Da werden Ressourcen von Wissenschaftern für zwei bis drei Monate gebunden - nur für den Antrag, wohlgemerkt. Bis er bewilligt wird, das dauert dann auch seine Zeit. Mitunter muss man sich Möglichkeiten für eine Zwischenfinanzierung ausdenken, damit die Wissenschafter sich bis zum eventuellen Projektbeginn keinen anderen Job suchen. Wenn ich bedenke, dass die Akzeptanzquote nur bei 20 bis 25 Prozent liegt, dann frage ich mich schon, wie wir agieren müssten, wenn wir Comet nicht hätten.

Standard: Woran liegt diese niedrige Akzeptanzquote?

Stonawski: Die liegt ausschließlich an den Budgets der Förderagenturen und Fonds. Ein durchschnittlicher Call über die FFG ist mit drei bis vier Millionen Euro dotiert. Da werden maximal zehn Projekte gefördert, es gibt aber 50 bis 70 Einreichungen. Da bleibt im Verhältnis wenig übrig.

Standard: Was müsste sich ändern?

Stonawski: Letztlich dreht sich alles ums Geld. Wer mehr Geld zur Verfügung hat, wird mehr für die Forschung tun können. Und es muss sich das Bewusstsein dafür, dass Forschung unsere Zukunft ist, stärker entwickeln. Wir sind mitten in einem Umbruch zur Wissensgesellschaft. Das muss man sich bewusst machen. (Peter Illetschko/DER STANDARD, Printausgabe, 27.10. 2010)