Banksy - ein Mann, der Verkleidungen durchaus zu mögen scheint: Auch in "Exit Through the Gift Shop" gibt sich der Künstler nicht preis.

Foto: Viennale

"Street Art" ist eine Kunstform mit niedriger Eingangsschwelle. Was man dafür braucht, findet man im nächsten Bastelladen: Sprühdosen, Papier, Scheren, Klebstoff, Farbeimer. Was man nicht braucht, sind die Vertriebswege der Kunstproduktion: Galerien, Ausstellungen, Kataloge. All das abzulehnen ist Teil der Botschaft: Wo Institutionen sind, ist Kommerzialisierung, Nichtkunst. Für manche allerdings ist "Street Art" ebenso wenig Kunst, sondern schlicht Vandalismus. Daher brauchen deren Praktiker Fähigkeiten und Instrumente des Verbergens und Verschwindens. Wer sich einen Namen machen will, legt sich ein Pseudonym zu.

Eines der bekanntesten Pseudonyme lautet "Banksy". Den Rest dieses Textes müsste man im Konditional schreiben: Hinter Banksy soll sich ein (einzelner, männlicher) britischer Künstler verbergen, dieser Mann soll für eine Reihe von Graffiti, Skulpturen und Kunstaktionen verantwortlich sein, die die Kunst- und sonstige Öffentlichkeit seit Jahren derart irritieren, dass der etablierte Kunst- und Glamourbetrieb ihn nicht länger ignorieren konnte. Viel mehr ist nicht bekannt. Wie Banksy aussieht, wo er genau herkommt, ob tatsächlich nur eine Person hinter den Aktionen steckt: Gerüchte und umstrittene Wikipedia-Einträge.

Exit Through the Gift Shop, der Film, bei dem Banksy (angeblich) Regie geführt hat, trägt nicht dazu bei, die Verhältnisse zu klären - im Gegenteil. Am ehesten wäre der Film noch als (vielleicht fiktive) Dokumentation über ein (angebliches) gescheitertes Filmprojekt über Banksy, das dieser dann in die eigene Hand genommen hat, um einen Film zu machen über den, der das alles angefangen hat: Thierry Guetta.

Der wandelt sich im Film vom Boutique-Händler zum obsessiven Street-Art-Dokumentaristen, schließlich zu "Mr. Brainwash", der subversive Kunst am laufenden Band produziert, medial gefeiert wird und mit minderwertigen Kopien der Werke von anderen Rekorderlöse erzielt. "The World's first Street Art disaster movie" endet mit der resignierten Einsicht: Jeder kann Street Art machen - aber nicht jeder sollte es.

Nichts Genaues weiß man nicht: ob sich die Ereignisse genau so oder völlig anders abgespielt haben; ob sich überhaupt etwas abgespielt hat; ob Mr. Brainwash nur eine weitere Erfindung von Banksy ist oder ob der Trick gerade darin liegt, die Wirklichkeit im Film derart gefinkelt aussehen zu lassen, dass alle sie für Schwindel halten. Die New York Times hat über Guetta nur herausgefunden: "Es scheint ihn tatsächlich zu geben." Doch egal, ob die Handlungen erfunden sind oder dokumentiert - Street Art will beides: größtmögliche Aufmerksamkeit (der Botschaft) bei größtmöglicher Unsichtbarkeit (des Künstlers). Wie sich das mit dem Wunsch nach Authentizität vereinbaren lässt, unter den Bedingungen der Medien, des institutionalisierten Kunstbetriebes und der Illegalisierung von Graffiti als Vandalismus: Dazu stellt der Film die richtigen Fragen. (Dietmar Kammerer/ DER STANDARD, Printausgabe, 25./26.10.2010)