Integrationsvereinbarung sei teils "sehr unrealistisch": Wurzenrainer

Foto: privat

STANDARD: Im Integrationshaus in Wien werden Deutschkurse angeboten, aber nicht jene, die mit den Gutscheinen vom Integrationsfonds finanziert werden. Warum?

Wurzenrainer: Aus politischen Gründen. Deutsch zu können kann nicht mit Integration gleichgesetzt werden, deshalb sind wir gegen eine Zwangsverpflichtung zum Deutschlernen. Es wird immer so dargestellt, als würde die Integrationsvereinbarung auf alle zutreffen, dabei kommen nur sehr wenige Migranten aus Drittstaaten: Das sind nur 40.000 in Österreich. EU-Migranten müssen nicht Deutsch lernen. Wieso muss jemand aus Frankreich nicht Deutsch lernen und jemand aus dem Kosovo schon? Aslywerber dürfen überhaupt nichts, nicht arbeiten, nicht Deutsch lernen. Nur unbegleitete minderjährige Asylwerber können 200 Kursstunden besuchen.

STANDARD: Was braucht es Ihrer Ansicht nach zur Integration außer Deutschkursen?

Wurzenrainer: Politische Partizipation, Wahlrecht zumindest auf kommunaler Ebene - und, ganz wichtig, Zugang zum Arbeitsmarkt. Wenn Familienangehörige zuziehen, können sie erst nach einem Jahr arbeiten, Asylwerber gar nicht.

STANDARD: Was unterscheidet die Kurse im Integrationshaus von jenen, die der Integrationsfonds anbietet?

Wurzenrainer: Wir bieten das Österreichische Sprachdiplom (ÖSD) an, das ist eine international anerkannte Prüfung. Der Test vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) gilt nur hier. Außerdem haben wir unterschiedliche Kurse für unsere Zielgruppen. Man kann nicht Jugendlichen denselben Sprachkurs anbieten wie Müttern oder Berufstätigen. Es braucht auch im ländlichen Raum ein vielfältiges Programm. In Oberösterreich gibt es da beispielsweise ganz wenig.

STANDARD: Welche Probleme haben die Leute, die zu euch kommen?

Wurzenrainer: Viele wissen nicht, dass sie die Integrationsvereinbarung schon erfüllen hätten müssen und haben vielleicht nur noch ein halbes Jahr Zeit, um Deutsch auf A2-Niveau zu lernen. Für bildungsferne Menschen, die in ihrer Muttersprache nicht alphabetisiert sind oder durch ihre Lebensumstände nicht so viel Zeit haben, ist das sehr unrealistisch. (Bettina Figl, DER STANDARD Printausgabe, 25.10.2010)