Ein Jeep Wrangler ist genau das richtige Auto für ein Land, dessen Straßen praktisch ausschließlich aus Schlaglöchern bestehen.

Foto: Skarics

Bei Oma Irina quartierte sich unser Autor ein - und fühlte sich wohl.

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Orasu Nou, Rumänien, an der Grenze zu Ungarn und der Ukraine: Oma Irina ist eine fröhliche, temperamentvolle Frau. Der Duktus ihrer Sprache erinnert frappant an das Italienische, nur dass das R nicht so rollt. Sie ist eine Mama, wie wir sie aus schönen italienischen Filmen kennen. Auf den beiden Doppelsofas im nicht gerade weitläufigen Wohnzimmer kugeln die kleineren Enkelkinder rum, im Hintergrund läuft der Fernseher. Dazwischen bestreitet der älteste Enkel gerade auf Mitsubishi Evo 7 ein Autorennen - auf dem Computer. Dicke Teppiche auf dem Boden und Decken auf den Sofas schaffen eine heimelige warme Atmosphäre. Eine gute Stube, jedenfalls in diesem Moment und so lange man alle Härten ausblendet, die das Leben in einer rumänischen Grenzregion weit weg von Bukarest bereithält.

Das Klo, das kein WC ist, steht im Garten, jeder kann sich ausmalen, was das in einem rumänischen Winter mit beißender kontinentaler Kälte bedeutet. Es gibt nur den allgegenwärtigen beidseits der Straße verlaufenden Regenwasserkanal. Vor ein paar Jahren waren zwei schwere Hochwasser nacheinander. Damals schwemmte es den Inhalt der Plumpsklos in die Hausbrunnen. Seither sind viele Brunnen unbrauchbar, bei einigen reicht die Wasserqualität gerade zum Wäschewaschen. Oma Irina muss es eimerweise beim übernächsten Nachbarn holen. Trinkbares Wasser gibt's beim Billa.

Rumänien gehört seit 2007 zur Europäischen Union, aber die Vergangenheit lässt sich so schnell nicht abschütteln. Der wohl berechtigte Hunger auf westlichen Lebensstil ist für viele zu einem Heißhunger geworden, an dem sie sich jetzt immer öfter verschlucken. Jene, die sich noch nicht aufgegeben haben, wirken getrieben. Die Vorstellungen von Wohlstand, der nicht langsam wachsen konnte, wirken unscharf. Sie scheinen dort entstanden, wo die Glamour-Welt des Werbefernsehens auf eine bitter unterversorgte Realität trifft.

Man glaubt es ja nicht, bis man es selbst erlebt hat: Plötzlich schlägt ein entgegenkommendes Auto einen Haken, kommt direkt auf dich zu, um im letzten Moment doch noch auf seine Spur zurück zu schwenken. Die Ausweichmanöver vor Schlaglöchern bescheren einem etliche Adrenalinstöße, bis man kapiert, dass das Leben hier eben so ist. Anfangs versuchst du noch, durch besonders engagierte Fahrweise den Kilometerschnitt etwas in die Höhe zu treiben, aber es ist einfach zu anstrengend, schlicht zu gefährlich. Mehr als 40 Kilometer in einer Stunde sind nicht drinnen. Das gilt praktisch für das ganze Land: Knapp 22 Millionen Einwohner haben rund 150 Kilometer Autobahn zur Verfügung, irgendwo im fernen Süden des Landes.

Certeze, ein Ort unweit der Grenze zur Ukraine, steht symptomatisch für die Situation vieler junger tatkräftiger Rumäninnen und Rumänen. In Reiseführern wird Certece auch Stadt der Frauen genannt. Hunderte bis zu drei Stockwerke hohe Rohbauvillen reihen sich in einem Meter Abstand aneinander. In den grell verputzten Häusern ist aber oft nur ein Zimmer bewohnt, darin bestreitet eine Großmutter ihren harten Alltag mit fünf Enkelkindern. Wenn Söhne und Töchter aus Spanien, England, Italien, Deutschland oder Österreich im Sommer heimkommen, wird weitergebaut. Seit der Wirtschaftskrise oft auch nicht mehr. Der Traum von einer Zukunft in Wohlstand ist für viele mit dem verlorenen Job zum Albtraum geworden.

Vorsicht, Demut und Vertrauen sind keine Schlüsselkategorien des Zusammenlebens für ein Volk, das fast ein halbes Jahrhundert lang von einem Despoten an der Nase rumgeführt wurde. Das Feinsinnige, Subtile hat hier kaum Platz. Es gilt, jederzeit und überall den direkten Weg zu nehmen, um schneller vorwärtszukommen. (Rudolf Skarics/DER STANDARD/rondoMOBIL/Oktober2010)