Wall of Hair: Phil Spector vor Gericht.

Foto: Viennale

Dieses Thema derart zu vergeigen, ist eine auch Kunst. Der US-Dokumentarfilmer Vikram Jayanti nähert sich in The Agony and the Ecstasy of Phil Spector einem Unberührbaren der Popmusik - und wirft sich vor ihm in den Staub. Aber dort entstanden selten gute Filme.

Phil Spector verpackte in den 1960er-Jahren mit Stücken wie Be My Baby, To Know Him Is To Love Him, oder You've Lost That Loving Feeling Teenagergefühle in packende, massentaugliche Minidramen.

Er galt als exzentrischer Studiotüftler, dessen üppige Produktionskunst als Wall of Sound Eingang in die Musikgeschichte fand. Spector, Jahrgang 1940, produzierte The Ronettes, die Beatles, Ike and Tina Turner, die Ramones, Leonard Cohen und andere. Viele erzählten Geschichten, in denen Spector sie im Studio mit Waffen bedrohte.

2003 soll er der Schauspielerin Lana Clarkson in den Mund geschossen haben. In einem ersten Prozess gelang keine Urteilsfindung, 2009 wurde er zu 19 Jahren Haft verurteilt. Spector bestreitet den Mord.

Jayanti sprach mit dem Produzenten während der Zeit seines ersten Prozesses. Dieser musste als Thema ausgespart bleiben. So verkommt das Interview zu einem Anekdotenstadl, die seinem Ruf als größenwahnsinniger Selbstüberschätzer durchaus genügen. Natürlich besitzen diese Gschichtln Charme und interessieren die einschlägige Neigungsgruppe. Schließlich plaudert da einer der ganz Großen über seine Arbeit und erzählt, dass er sich als Produzent immer als Schöpfer und nicht als Interpret der Kunst anderer verstand.

Kaffeekränzchen

Dieser Kaffeekränzchenatmosphäre, die sich keine Stimmen von außen erlaubt und mit Tunnelblick den Meister hündisch begeistert ins Bild rückt, setzt Jayanti Bilder aus dem Gerichtssaal entgegen. Diese sind weder kritisch noch besonders informativ. Forensiker-Blabla und tendenziell die Sicht der Verteidigung untermauernde Zeugenaussagen und Bilder.

Dazwischen immer wieder Spector, der stillschweigend und mit zuckender rechter Hand dem Prozess folgt. Würde man diese ewig gleichen Einstellungen aus dem Film schneiden, er wäre um ein Viertel kürzer. Einer außergewöhnlichen Biografie mit einem dramatischen Mordprozess wird The Agony and the Ecstasy of Phil Spector nicht einmal ansatzweise gerecht. Nicht einmal das Titelversprechen wird eingelöst. Wie der Hase vor der Schlange sitzt Jayanti vor Spector. Viele Fragen wurden offenbar abgesprochen, oft reicht ein Stichwort, um Storys über John Lennon, Paul McCartney oder Martin Scorsese abzurufen.

Das ergibt in Summe wenig mehr als affirmatives Geplätscher, aufgesext mit alten Aufnahmen und Konzertausschnitten von den Ronettes, den Righteous Brothers oder Ike and Tina Turner. Dazu werden Spectors Leistungen über Untertitel in den Himmel gelobt. Dort gehören sie zweifelsfrei hin. In einer Doku, die sich jeden kritischen Unterton versagt, ist das aber zu viel. (Karl Fluch, DER STANDARD - Printausgabe, 23./24. Oktober 2010)