Hobby-Sherlock-Holmes Doug (Cris Lankenau).

Foto: Viennale

Die Mumblecore-Bewegung im US-amerikanischen Independent-Kino formiert sich aus einem losen Verbund an Autoren und Regisseuren - die prominentesten darunter: Andrew Bujalski und Joe Swanberg -, die ein direkter, möglichst unverfälschter Blick auf die Befindlichkeiten der eigenen Generation auszeichnet. Auch der aus Portland, Oregon, stammende Aaron Katz (Dance Party, Quiet City) ließ sich diesem Feld zuordnen, mit Cold Weather geht er nun jedoch einen Schritt weiter - weg vom Low-Fi-Realismus, hin zu einer (halb-)imaginären Wunschwelt.

Zu Beginn des Films sieht alles noch nach einer Beschreibung der Lebensverhältnisse von Twentysomethings aus. Doug (Cris Lankenau) hat sein Studium abgebrochen und kehrt nach Portland ins Apartment seiner Schwester zurück, aus Mangel an anderen Ideen beginnt er, in einer Eisfabrik zu jobben. Katz skizziert das unaufgeregte Miteinander seiner Figuren in lebensnahen Dialogen und lakonischen Szenen. Eher nebenbei erfährt man, dass Doug ein großer Fan von Sherlock Holmes ist - natürlich in der tatkräftigen Originalversion von Arthur Conan Doyle.

Der Wechsel des Films in eine andere Tonart geschieht schleichend: Rachel (Robyn Rikoon), eine alte Freundin von Doug, taucht in der Stadt auf, dessen Arbeitskollege Carlos (Raúl Castillo) fühlt sich zu ihr hingezogen, und dann ist sie mit einem Mal verschwunden. Ein Ereignis, das Cold Weather als ein Mysterium begreift, das dem Film einen anderen Stempel aufdrückt und den Figuren eine alternative Wirklichkeit beschert - ein Abenteuer, ein Fall, der sich vielleicht nur im Kopf abspielt.

Das Besondere an diesem Manöver ist der Umstand, dass der Film den Schritt ins Genre nur im Dramatischen vollzieht. Der improvisierte Gestus von Doug und Carlos, die sich als Detektive versuchen, zeigt an, dass sie immer noch derselben Welt angehören, aber mittlerweile mit anderen Augen auf sie blicken: Wie man Indizien sammelt, wird nach Sherlock Holmes' Vorbild praktiziert.

Aaron Katz ist dann auch so klug, die Manierismen des "großen Kinos" höchstens zu zitieren, indem er die Suche nach der Vermissten beispielsweise mit einem treibenden perkussiven Score unterlegt - und Aktionen wie Reifen aufschlitzen dafür etwas Bodenständiges belässt. Entscheidend bleibt hier vor allem eines: dass die beiden Helden Neigungen nachgehen, die ihnen das richtige Leben sonst vorenthält. (Dominik Kamalzadeh/ DER STANDARD, Printausgabe, 21.10.2010)