Schriftstellerin und Expertin der Literatur von Zweig und Kleist: Ruth Klüger.

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Salzburg - Schon vor gut einer Woche hat der neue Literaturclub im Stefan Zweig Centre sein erstes Treffen abgehalten. Gemeinsam gelesen, analysiert und diskutiert wird natürlich das Werk des Namenspatrons, das aber auch außerhalb dieser Reihe dem aufgeklärten Kulturfreund nähergebracht wird. Heute beispielsweise mit einem Gastvortrag der Schriftstellerin, Germanistin und Feministin Ruth Klüger.

Wie Zweig ist sie in Wien geboren, nur 50 Jahre später - wenn auch nicht spät genug: Denn zum Aufwachsen des jüdischen Kindes gehörte zuerst die Verfolgung im "heimatlich unheimlichen" Wien und danach der Überlebenskampf in drei KZs: Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau und Christianstadt/Groß-Rosen. Dieses Martyrium thematisiert Ruth Klüger in ihrem 1992 erschienenen und mehrfach ausgezeichnetem Prosaband weiter leben (Wallstein Verlag).

Eine Kindheit und Jugend im barbarischen Nazi-Terror- und Vernichtungssystem, von der Autorin gänzlich unsentimental beschrieben - und nicht nur deswegen eines der zentralen Werke der Holocaust-Literatur, auf deren "Vertreter" Primo Levi oder Jean Améry sie immer wieder Bezug nimmt. Freilich geht es bei Klüger auch um eine kritische Auseinandersetzung mit jüdischem Glauben und Religion. Vater wie Halbbruder wurden ermordet, mit ihrer Mutter emigrierte sie 1947 in die USA, wo sie auch heute noch im kalifornischen Irvine lebt und arbeitet - zumindest einen Teil des Jahres, den Rest verbringt sie in Göttingen.

Zuletzt veröffentlichte Klüger unterwegs verloren (Zsolnay Verlag): die Geschichte eines jungen Mädchens, das der Gaskammer entgeht und als Literatin wie Literaturwissenschafterin reüssiert. Heute spricht die Kleist-Forscherin zum Thema "Selbstverlangte Einzelhaft: Die Schachnovelle und ihre Vorgänger" .

Die 1941 publizierte Schachnovelle war das letzte abgeschlossene Prosawerk Stefan Zweigs vor seinem Selbstmord im brasilianischen Exil, eine bürgerlich-humanistische Anklage gegen die Naziideologie.

Zweig, dem Meister der psychologischen Analyse, dient dabei das königliche Spiel als Metapher für Krieg, Verfolgung und traumatische Erlebnisse. (Gerhard Dorfi/DER STANDARD, Printausgabe, 20.10. 2010)