Claudia Bandion-Ortner wurde von Josef Pröll zur Justizministerin gemacht, weil sie durch resolute, publikumsgefällige Prozessführung gegen Bawag-Chef Helmut Elsner populär geworden war. Aus keinem anderen Grund.

Nun empfiehlt die Generalprokuratur dem Obersten Gerichtshof (OGH), zu dem sie in einem Naheverhältnis steht, die Urteile von Bandion-Ortner gegen Helmut Elsner teilweise und gegen den zweiten "Hauptangeklagten" , Helmut Flöttl, sowie andere Mitangeklagte zur Gänze aufzuheben. Sie seien "mangelhaft" bzw. "besonders mangelhaft" . Die Generalprokuratur versteht sich selbst "als oberster Wächter der richtigen Anwendung des Gesetzes" . Ihren Empfehlungen kommt der OGH meist nach.

Für eine Richterin, die ein solches Urteil ausgefertigt hat und dann Justizministerin wurde, ist dies eine ernsthafte Ohrfeige, die die Autorität von Bandion-Ortner (weiter) erschüttern muss. Wie sie selbst richtig sagt, werden zwar immer wieder ganze Urteile oder Teile davon aufgehoben.

Aber: "Wir sagen damit, dass sie der Meinung ist, im Urteil fehlen relevante Feststellungen, die ich für Schuldsprüche brauche" , erläutert der Sprecher der Generalprokuratur, Wilfried Seidl. Das heiße einfach: "Das wurde nicht ordentlich gemacht, bitte noch einmal."

Bandion-Ortner weist in ihrer Reaktion richtigerweise darauf hin, dass die Kernvorwürfe (Elsner hat der Bawag einen Vermögensschaden in Milliardenhöhe zugefügt) bestehen bleiben. Aber wie sieht eine Chefin des Justizressorts aus, wenn ihr vom "obersten Wächter der richtigen Anwendung des Gesetzes" praktisch schlampige Arbeit vorgeworfen wird?

Dies angesichts der Tatsache, dass der ganze Bawag-Prozess ohnehin von rechtsstaatlichen Ungereimtheiten sonder Zahl gekennzeichnet ist. Bandion-Ortner arbeitete noch an der Ausfertigung des Urteiles, als schon klar war, dass sie Ministerin wird. Sie nahm den Bawag-Staatsanwalt Krakow als ihren Kabinettschef mit. Kritiker verweisen darauf, dass vom Gericht nicht intensiv untersucht wurde, ob Wolfgang Flöttl tatsächlich das ganze Geld verspekuliert und nicht in die eigene Tasche gesteckt hat.

Die Generalprokuratur hält in ihrem Gutachten diese Frage übrigens für irrelevant: Elsner habe seine Befugnisse strafrechtlich missbraucht, in dem er Flöttl drauflosspekulieren ließ, also ist es egal, was genau mit dem Geld passiert ist.

Jedenfalls wird das Urteil gegen Flöttl zur Aufhebung und Neuverhandlung emp- fohlen, und das kann theoretisch auch heißen, dass er freigesprochen wird.

Neuverhandlung, Aufhebung des Strafausmaßes, da kann man spekulieren, dass Elsner da vielleicht Chancen hat. Ministerin Bandion-Ortner allerdings, die auch sonst keine wirklich erfolgreiche Amtsführung aufzuweisen hat, ist sozusagen an der Wurzel ihrer Professionalität als Juristin getroffen.

Nach all den Fehlleistungen der Justiz im Zusammenhang mit diversen Skandalen wird nun der Justizministerin mangelnde Urteilsfähigkeit attestiert. Josef Pröll hat wohl einen Fehlgriff getan. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.10.2010)