Vom "Festival des heiteren Films", wie die Viennale 1967 noch genannt wurde - siehe aktuelles "Profil" - , hat sich das Wiener Filmfestival ein bisserl entfernt. Was man 1967 in Österreich lustig fand, möchte man auch gar nicht mehr wissen. Aber egal.

Im Rahmenprogramm zur dieser Woche anlaufenden Viennale gibt es schon lange Musik. Muss ja, weil seit die DJ-Kultur zum akustischen Begleitprogramm von allem wurde, hat auch die Viennale ihren Soundtrack. Heuer tritt dort auch Tav Falco auf, der einzige Falco, der je was zählte.

Als Memphis (das in Tennessee) noch zirka gleich weit weg war wie der Mond, trat Tav mit einem großartigen Album in mein Leben: "Behind the Magnolia Curtain". Dieses blumig benannte Werk - mit Tav am Cover: Vatermörder, Totenkopfkrawatte und einen Kilo Pomade im Vogelnest - stand gleichberechtigt neben dem Oeuvre der Cramps. Schließlich waren Tav Falcos Band Panther Burns und die Verrückten aus LA Geistesverwandte.

Doch während Lux Interior und seine Saubande ihre deftige-Pfuigack-Affinität bis ins Extrem auslebten, gab Tav Falco den Feingeist aus dem Sumpf. Saudünne Rotzbremse, Bohemia-Attitüde, Kapitänsmütze - alles nährte den Verdacht, dass Gustavo Antonio Falco nicht nur ein Platten-, sondern auch ein Bücherregal besitze. Zuhause, in Memphis.

Von dieser Wiege der modernen Musik aus pflegte er den eigenen Vogel mit Weggefährten wie Alex Chilton, Jim Dickinson oder Lorette Velvette. Er spielte windschiefen Psycho-Billy, verwischte Tangos, Lieder über Motorräder, dreckigen Ein-Akkord-Blues, Nichtschwimmer-Surf.

Das Festival Big Beat nahm dann den Weg zum Mond und brachte Tav Falco - was weiß ich - 87 oder 88 erstmals nach Wien. Dort trat er als Hauptact nach Firehose im Messepalast auf, und es war großartig. Gegen Ende zeigte er an die Wand und meinte: "The clock on the wall says its time to go." 1500 Besucher drehten sich zur Wand, nur um zu bemerken, dass dort natürlich nichts hängt, schon gar keine Uhr.

Ich hab ihn dann noch öfter gesehen. Darunter waren Weihestunden in der Szene Wien, als er mit mit prächtig verlumpten Tennessee-Kumpels wie George Reinecke "Running Wild" oder "Shade Three Mechanic" sang. Aber auch ein mitleiderregender Solo-Gig im Volksgarten Pavilon, bei dem der eigentliche Star sein altes Motorrad war, eine Triumph, wenn ich Radfahrer nicht irre.

Schon damals lebte er eine zeitlang in Wien, seit einigen Jahren hat er hier - soweit ich weiß - seinen Lebensmittelpunkt samt Lehrauftrag an der Webster University - alles ohne Gewähr. Musik macht Tav immer noch, gerade heuer hat er ein neues Album veröffentlicht: "Conjurations - Séance for Deranged Lovers". Das ist nicht so genial wie sein Meisterwerk "The World We Knew" oder "Return of the Blue Panther", aber live fährt das wohl immer noch.

Am 29. Oktober tritt dieser etwas andere Traditionalist mit der aktuellen Inkarnation seiner Panther Burns bei der 5-Jahres-Party des Filmmagazins "Ray" am Badeschiff auf. "Gratis to the public" sagt der Flyer ins feinstem Oxfordenglisch. Anbei ein kleiner Appetizer:

 

 (18.10.2010, derStandard.at, Karl Fluch)

 

PS Topchecker haben es schon bemerkt, den Blog "Kopfhörer" gibt es ab sofort wieder. So wie es vor einem halben Jahr Grund gab ihn einzustellen, gibt es nun einen zur Reanimation. Kryptisch? Wurscht.