"Facebook-Handy": Windows Phone 7 integriert Facebook stärker als andere Anbieter. Hier ein Status-Feed auf dem HTC 7 Mozart. 

Foto: STANDARD/Matthias Cremer

Das Wichtigste über Microsofts neue Handygeneration ist seit einer Vorschau im Februar bekannt: Startbildschirm mit großen monochromen "Kacheln" für bevorzugte Programme und Daten. "Hubs", um die sich Funktionen wie Kommunikation, Office, Spiele, Medien gruppieren. Drei Buttons unter dem Display: Home, Suche, Retour. Da schien wenig Raum für Überraschungen zu bleiben.

Und Windows Phone 7, ab 21. Oktober bei Mobilfunkern und unversperrt im Handel erhältlich, bietet bei der ersten Verwendung tatsächlich keine Überraschung - außer diese: Nach dreijährigem iPhone-Schock ist Microsoft ein attraktiver Herausforderer mit interessanten Neuerungen und mutigem Design gelungen. Dazu gehört unter anderem: Die tiefe Integration von Facebook, die Windows Phone 7 derzeit kein anderes Handy nachmacht.

Facebook integriert

Sobald man bei Facebook angemeldet ist, wird die Freundesliste im Adressbuch eingetragen, sind Updates nur eine Berührung vom Startbildschirm entfernt, können Fotos direkt in Facebook gepostet werden, direkte Facebook-Nachrichten so leicht wie SMS oder Mail ausgetauscht werden. Erhält man E-Mail von einem Absender, der auch Facebook-Kontakt ist, wird das Bild mit der Mail verbunden, kann man nahtlos zur Facebook-Pinnwand wechseln.

Office, Xbox, Zune

Dazu gehört: Die Integration mit Microsoft Office und mit Microsofts Cloud-Diensten Skydrive und Share Point. Office-Dokumente von OneNote, Word, Excel bis Powerpoint können am Handy ohne weitere App gelesen und bearbeitet, online gespeichert oder synchronisiert werden, damit auch anderen Nutzern zugänglich gemacht werden.

Dazu gehört auch: Die Integration von Microsofts Spielplattform Xbox live und den Xbox-Community-Funktionen (Scores, Online-Spielpartner). Zwar wird es eine Weile dauern, bis Microsoft nur annähernd so viele Spiele wie Apple oder Google auf seiner neuen Handyplattform anbieten kann, aber mit Windows Phone 7 hat Microsoft erstmals eine Art mobile Xbox-Konsole.

Dazu gehört, endlich auch: Microsofts Medienplayer Zune, der als Software jedes Windows-Handy zum Zune-Player macht (dem als Hardware in den USA kein Erfolg gegönnt war), UKW-Radio inklusive. Analog zu Apples iTunes hat Microsoft die Zune-Software am PC dazu umfunktioniert, nicht nur Musik, Videos, Spiele und Apps zu verwalten, sondern auch für das Handy-Backup zu sorgen, soweit Daten (wie Adressen, Kalender, OneNote-Notizen) nicht "over the air" mit den jeweiligen Konten synchronisiert werden.

Aufholbedarf

Natürlich sind alle diese Funktionen für Smartphones längst Selbstverständlichkeiten, und in einigen Details gibt es weiterhin Aufholbedarf, etwa die fehlende "Cut, Copy & Paste"-Funktion - verwunderlich für einen Hersteller, der mit Office rund ein Drittel seines Gewinns macht. Der Rückstand ist weiterhin sehr groß bei Apps (150 soll es zu Verkaufsbeginn geben), den Spielen und Musik, die in Österreich im Zune Store noch völlig fehlt (es gibt ein paar hundert Filme).

Flüssig und elegant

Aber dafür überraschen die Handys damit, wie flüssig und elegant die Vielfalt der Funktionen eines Smartphones integriert wurde. Erstmals muss man bei Microsoft Design bewundern: Nahezu avantgardistisch (vielleicht auch polarisierend) der Einsatz von Typografie, die klaren Bildschirme bei Mail oder Facebook-Feeds, oder das Konzept, mit leicht angeschnittenen Schriften und Folgebildschirmen anzuzeigen, dass mit einer Fingerbewegung noch mehr Information herbeigeholt werden kann.

Microsoft hat auch endlich die Hardware-Hersteller an die Kandare genommen, um einheitliche Funktionen und präzise Touchscreens zu garantieren (die ein Testlabor von Microsoft durchlaufen müssen). Dadurch scheint es manchen Android-Handys überlegen, deren Qualität stark nach Herstellern variiert; im Standard-Test erwiesen sich sowohl das HTC Mozart als auch das Samsung Omnia 7 als gleichwertig und unterschieden sich im Wesentlichen nur durch Bildschirmgröße und eckige bzw. gerundete Form. Sehr gut funktioniert darum auch die in allen Anwendungen wichtige Display-Tastatur und deren Schreibhilfe: Während man schreibt, erscheinen über den Tasten Wort-Vorschläge - damit kann man sowohl das Schreiben verkürzen als auch Fehler rasch ausbessern. Nicht zuletzt aufgrund dieser Qualität, für die das iPhone eine hohe Latte legte, scheinen Hardware-Tastaturen endgültig auf dem Rückzug (es gibt weiterhin Angebote, aber die sind inzwischen die Minderzahl).

Gelungener Neustart

Microsoft hat jedenfalls einen gelungenen Neustart hingelegt, auch wenn seine Konkurrenten inzwischen einige Runden weiter sind. Hersteller von Android-Handys haben dadurch eine starke Alternative gewonnen. (Helmut Spudich, DER STANDARD/Printausgabe, 16.10.2010)

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