Zoran Drvenkar, "Du". € 20,60 / 575 Seiten.

Foto: Ullstein Verlag

Schon die allererste Szene, in der der "Reisende" dutzende Autofahrer ermordet, die während eines Schneesturms auf der Autobahn in einen Stau geraten sind und in ihren Fahrzeugen übernachten müssen, stimmt darauf ein, dass wir es hier mit einem sehr ungewöhnlichen Autor zu tun haben. Das betrifft nicht nur seine spezielle Art, sich seinen Figuren zu nähern; er spricht sie mit "du" an, zieht einen in eine Intimität hinein, die schaudern macht. Es sind aber auch seine bizarren Akteure, welche die Welt als einen Ort voller Psychopathen erscheinen lassen. Als scheinbaren Kontrast zur Dunkelheit stellt er uns fünf Teenager-Freundinnen vor, frech, selbstbewusst und der altmodischen Tugend der Treue zueinander verpflichtet. Diese Mädchen, Drvenkar bezeichnet sie als die "süßen Schlampen", geraten an eine Gruppe von Verbrechern, die durch die Bande der Solidarität und Familie aneinandergebunden sind. Der geheimnisvolle "Reisende", ein Massenmörder ohne jegliches Motiv, ist der dritte Angelpunkt der weitverzweigten Geschichte. Er wird am Ende in einem verfallenden Haus sitzen und die Dinge auf seine - unvorhersehbare - Art zu Ende bringen. Der in Berlin lebende, gebürtige Kroate Zoran Drvenkar gehört mit Du zu den abgründigsten und auch formal interessantesten Autoren des Genres. Einer der wenigen Riesen unter zahlreichen Zwergen. (Ingeborg Sperl, ALBUM/DER STANDARD - Printausgabe, 16./17. Oktober 2010)