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Foto: Reuters/ WILSON CHU

Peking/Toronto/Madrid - Die wachsende Zahl von SARS-Infektionen und die Isolierung weiterer Einwohner Pekings haben nach Behördenangaben zu einer Massenpanik in der chinesischen Hauptstadt geführt. Der Pekinger Bürgermeister Wang Qishan berichtete am Mittwoch von einer Massenpanik mit Hamsterkäufen von Medikamenten und Nahrungsmitteln. Der Virus drohe, das Gesundheitssystem zu besiegen.

"Da die Panik unter der Bevölkerung nicht nachgelassen hat, bleibt noch viel zu tun, um die soziale Stabilität sicherzustellen", sagte Wang Qishan. Die Stadt gehe entschlossen vor, um die Krankheit einzudämmen.

10.000 Menschen unter Quarantäne

In Peking stehen nach Berichten amtlicher Medien mittlerweile fast 10.000 Menschen unter Quarantäne, nachdem die Behörden die Einwohner eines Gebäudes im Zentrum der Hauptstadt und eines weiteren in einem nördlichen Stadtteil isoliert haben. Peking ist mit nahezu 1.350 SARS-Fällen und 66 Toten die weltweit bisher am schwersten von der Lungenkrankheit betroffene Region.

Spitäler überlastet

Die starke Ausbreitung der lebensgefährlichen Lungenkrankheit SARS überfordert die Krankenhäuser in Peking. Bürgermeister Wang Qishan beschrieb die Lage am Mittwoch als "ernst". Die chinesische Hauptstadt sei auf den Ansturm von Erkrankten mit dem Schweren Akuten Respiratorischen Syndrom (SARS) "schlecht vorbereitet", sagte Wang Qishan. Wegen der Bettenknappheit könnten nicht alle Verdachtsfälle rechtzeitig in Kliniken untergebracht werden. Auch fehle es an qualifiziertem medizinischen Personal.

100 neue Erkrankungen

Den zehnten Tag in Folge meldete das Gesundheitsministerium einen Anstieg neuer Erkrankungen um etwa 100. Mit dem neuen Zuwachs stieg die Zahl der Patienten auf 1.440. Erneut starben neun Menschen in Peking, landesweit elf. Damit sind in China (ohne die Sonderverwaltungszone Hongkong) schon 159 Menschen an SARS gestorben, mehr als irgendwo anders in der Welt. In Hongkong stieg die Zahl auf 157 SARS-Tote. Weltweit sind es schon mehr als 370 Todesfälle. Die Fälle nahmen um insgesamt 166 auf 3.460 zu.

Zuwenig Personal

Der Pekinger Bürgermeister berichtete, es gebe es in Peking nur etwa 3.000.Ärzte und Pflegekräfte, die auf Atemwegserkrankungen spezialisiert seien. "Wir sind schlecht vorbereitet, was die Fähigkeiten der Ärzte und Pflegekräfte sowie was Ausrüstung und Einrichtungen angeht", sagte Wang Qishan, der den wegen Missmanagements der Krankheit entlassenen Bürgermeister Meng Xuenong vor einer Woche ersetzt hatte.

Glücksspiel

Auf Fragen, wie sich die Zahlen weiter entwickeln werden, wollte der Bürgermeister keine Vorhersage geben: "Es wäre wie Glücksspiel." Der Kampf gegen SARS konzentriere sich darauf, die Todesrate zu verringern und Ansteckungen unter Ärzten und Pflegepersonal zu verhindern.

Behandlungskosten

Die Pekinger Behörden versicherten, dass all jene, die nicht für eine Behandlung bezahlen könnten, mit Unterstützung rechnen könnten. Chinas Regierung rief zu "größeren Anstrengungen" auf, um eine Ausbreitung der Lungenkrankheit in ländliche Regionen zu verhindern. Vizeregierungschef Hui Liangyu forderte dazu auf, das Millionenheer der Wanderarbeiter und Studenten, die in ihre Dörfer zurückkehren wollten, "unter Kontrolle zu halten". Die Tageszeitung "China Daily" wies darauf hin, dass die Erntesaison vor der Tür stehe und Wanderarbeiter in ihre Dörfer zurückreisen müssten.

Wenn sie nicht zurückkehrten, gerieten die Bauernfamilien in Schwierigkeiten, wurde betont. Den Bauern müsse deswegen geholfen werden. Auch müssten saubere und gesunde Tätigkeits- und Lebensbedingungen für die Wanderarbeiter in den Städten geschaffen werden, um zu verhindern, dass sie aus den Städten fliehen. Den Arbeitern von Lande und Studenten in Peking wurde bereits untersagt, die Stadt zu verlassen.

WHO hebt Reisewarnung für Toronto auf

Erleichterung herrschte dagegen in Toronto, nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die wegen der Lungenkrankheit SARS verhängte Warnung vor Reisen in die kanadische Wirtschaftsmetropole mit Wirkung vom Mittwoch aufhob. Nach Einschätzung des SARS-Beauftragten der WHO, Wolfgang Preiser, droht in Europa keine Epidemie des Schweren Akuten Respiratorischen Syndroms (SARS).

Die WHO-Warnung vor Reisen nach Toronto hatte einen Proteststurm in Kanada ausgelöst, das durch diese Entscheidung seine Wirtschaft gefährdet sah. Laut WHO-SARS-Beauftragten Preiser muss mindestens noch mehrere Monate mit vereinzelten eingeschleppten SARS-Fällen gerechnet werden. Im DeutschlandRadio Berlin warnte er am Mittwoch laut redaktioneller Fassung, deshalb sei auch weiterhin Vorsicht geboten.

Sechs Punkte Plan

Der Krisengipfel der "Asean" (Association of South East Asian Nations) in Bangkok war das erste internationale Treffen hochrangiger Regierungsvertreter zu Sars (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom). Der Gruppe gehören Thailand, Singapur, die Philippinen, Brunei, Malaysia, Indonesien, Laos, Kambodscha, Birma und Vietnam an. Als Vertreter der hauptbetroffenen Regionen nahmen auch der chinesische Ministerpräsident Wen sowie der Regierungschef von Hongkong, Tung Chee Hwa, teil.

Gemeinsamer Plan

Zentrales Anliegen war die Schaffung eines gemeinsamen Plans zur Sars-Bekämpfung, dazu gehören auch Informationsaustausch und gemeinsame Erforschung der Krankheit. Weng schlug vor, einen asiatischen Fonds für diese Zwecke einzurichten, und sagte dafür 1,2 Millionen Dollar (knapp 1,1 Millionen Euro) zu. Auch Thailand will sich mit 250.000 Dollar (rund 228.000 Euro) beteiligen, sagte der thailändische Außenminister Surakiart Sathirathai nach ersten Vorgesprächen.

Am Dienstag wurden in China und der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong 21 weitere Todesfälle bekannt, sieben davon in Peking. Damit erlagen auf dem chinesischen Festland bisher 148 Menschen der Lungenkrankheit, die Zahl der Sars-Toten in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong belief sich auf 150. Weltweit starben bisher mindestens 354 Menschen an Sars, mehr als 5300 Personen erkrankten.(APA)