Innsbruck - "Unsere Umwelt ist lärmversucht und die Gefährdung für große Bevölkerungsgruppen steigt", erklärt Patrick Zorowka von der Klinischen Abteilung für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen an der Uniklinik Innsbruck. Das Ohr sei das empfindlichste menschliche Sinnesorgan, meint Zorowka und betont, dass "viele Mikrotraumatisierungen zu irreversiblen Schädigungen kumulieren".

Zorowka berichtet von einer steigenden Zahl junger Tinituspatienten und bringt einen anschaulichen Vergleich: Von gesundheitsschädigendem Lärm spricht man in Betrieben, wenn jemand innerhalb einer Woche acht Stunden lang einem Lärmpegel von 85 Dezibel ausgesetzt ist - eine vergleichbare Schädigung wird in einer Disco mit 110 Dezibel innerhalb von fünf Minuten erreicht.

Zusammenhänge mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Epilepsie, Depressionen

Maximilian Ledochowski, Internist und Facharzt für psychosoziale Medizin, verweist auf weitgehend unbeachtete Zusammenhänge von Lärm und etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Epilepsie und Depressionen. Studien belegen, dass die extrem teuren Ausgaben für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei entsprechender Lärmbekämpfung um ein Drittel gesenkt werden könnten.

Dauerlärmbelastungen würden bereits bei 55 Dezibel zu Dauerfolgen führen, erklärt Ledochowski. Dazu zählt neben einer Verdoppelung der Zahl der Hochdruckerkrankungen auch eine verzögerte sprachliche und intellektuelle Entwicklung bei Kindern. Logische Konsequenz für die Mehrzahl der Kinder im Tiroler Unterinntal, die mit 55 dB (und mehr) durch Verkehrslärm stressbelastet sind: schlechtere Schulleistungen und verminderte berufliche Chancen gegenüber Kindern aus ruhigeren Gegenden. Nicht zu unterschätzen sei auch die Zerstörung sozialer Strukturen in den Transitgemeinden Tirols durch Lärm. Seine Forderungen diesbezüglich: Tempolimit, Nachtfahrverbote, striktes Vorgehen der Exekutive gegen "frisierte Fahrzeuge".

Insgesamt sind sich die Mediziner einig, dass die Politik den Lärmproblemen viel mehr Augenmerk schenken müsste. Nach dem Verursacherprinzip führe kein Weg daran vorbei, den "Lärm zu besteuern". (hs/DER STANDARD, Printausgabe, 30.5./1.6.2003)