So fröhlich können Kürbis und Melone daherkommen: Gang 1, hier mit Sardine. Bei für meine Lumix etwas zu stimmungsvoller Beleuchtung, sorry dafür.

Novelli
Zweimal sechs Gänge, Wein, Wasser, Kaffee: 335 Euro.

Foto: Harald Fidler

Die feminine Entenleber

Foto: Harald Fidler

Das Maroni-Ei, wenn mich nicht alles täuscht.

Foto: Harald Fidler

Sepia & Co, feine Sache

Foto: Harald Fidler

Auch Nicht-Vegetariern empfohlen: Artischockentascherl

Foto: Harald Fidler

Ich geb's zu. Ich hab im Novelli unter meiner STANDARD-Mailadresse reserviert. Versuche ich sonst zu vermeiden, damit kein allfälliger Medienbonus mein Urteil weiter verfälscht. Verfälscht über die ohnehin oft unvermeidbare Ablenkung durch Begleitung und Weinbegleitung hinaus. Womit wir auch schon beim Punkt wären, warum ich mit meiner Mailadresse reserviert habe: Die Vegetarierin hatte Geburtstag. Für Carnivoren wie mich keine leichte Aufgabe.

Gastro-Notruf

Zum Glück hat das ebenso stetige wie selbstlose Durchprobieren von Weinbegleitungen die Erinnerung noch nicht völlig perforiert: Vor ziemlich genau einem Jahr fand die Vegetarierin die Idee gar nicht schlecht, ihren Feier-Tag ganz spontan mit dem einen oder anderen vegetarischen Gang in der etwas gehobeneren Gastronomie zu begehen.

Ein Fall für den Gastro-Notruf: Holzer, übernehmen Sie! Schließlich hat auch der einige Erfahrungen mit vegetarisch-kulinarischer Begleitung. Aubergine empfahl er, aber das macht für uns nicht am Wochenende auf. Und das Novelli. Auf Anfrage bei Konstantin Filippou. Rechtzeitige Anfrage. Dafür war's vor einem Jahr zu spontan. Gut Gemüse braucht Zeit. Aber jetzt.

Vom Trüffel-Schwein

Machen wirs kurz: Die Vegetarierin war begeistert. Auch von der Weinbegleitung. Auch vom Umstand, dass Trüffel ganz ohne Beeinträchtigung von Tieren auf den Teller gehobelt werden (wenn man vom unwahrscheinlichen Fall absieht, dass ein Schwein sie suchte und nicht fressen durfte).

Die Küche grüßt mit einem Stamperl schöner Tomatenessenz, Ricottaröllchen und einem Teigtascherl, das laut Vegetarierin einen feinen Inhalt hatte, den sie nicht mehr benennen kann. Ich Dilettant hab ihn überschmeckt. Bei Gang 1 beginnen sich unsere Wege zu trennen. Zum Glück. Und ganz sachte. Die Variationen von Melone und Kürbis, Hokkaido, klar, mit hübschen Radieschenkrempen, unterscheiden sich nur in einem Punkt, aber einem entscheidenden: Sardine. Yeah. Mein Extrayeah zum vegetarischen Umfeld.

Die Gemüse-Route

Die gemüsige Geburtstagsroute: Wunderbar cremiges, geräuchertes Bio-Ei unter Maroniglasur, Maronibutter, ungemein vanillig, mit Spinat. Wow. Artischockentascherl mit Käse, herrlichem Pilzfond und noch herrlicheren Eierschwammerl und krauser Glucke. Wieder was gelernt über das Schwammerlwesen.

Schöne Nudeln, mit noch viel schöneren Trüffeln. Sagt die Vegetarierin, und ich wollte ihr ausnahmsweise nichts wegessen. Nur übertroffen von den Trüffeleien der Familie Kirchengast, sagt sie, aber das ist eine andere Geschichte.

Die weiteren Gänge stinken nun olfaktorisch natürlich ein bisschen ab. Aber nur olfaktorisch, betont die Vegetarierin: Pastinake und Topinambur, mit einer dem Vernehmen nach ziemlich spannenden Hummus-Essenz. Und Karfiol-Tortelloni, Currybrösel, und da verliert sich die doch recht glücklich wirkende Erinnerung des Geburtstagskinds.

Blut und Taube

Aber um den Karfiol konnte ich mich längst nicht mehr kümmern. Da war ich gerade bei der Taube. Bluttaube, um genau zu sein, aus Frankreich, versichert Herr Mikulits, der Restaurantleiter. Ein zartes Haxerl, ein quasi blutiges Bruststück, wenn ich das richtig verorte.

Ich bin da gerade an der Kapazitätsgrenze. Aber: Dieser Vogel alleine zwingt zum Besuch in dieser Sektion von Oligarchistan, wo am Nebentisch interessant gestylte Blondinen die akustisch ähnlich dezenten Unterhaltungen ihrer Tischgenossen begleiten. Da hat man nicht nur was zu schmecken, sondern zu hören und zu sehen. Wir konzentrieren uns gerne auf das Schmecken.

Die Beharrlichkeit des Orients

Zum Beispiel bei zwei Filoröllchen mit Entenlebermousse. Hallohallohallo, eine der besten Lebern meines Lebens, fast schokoladig. Das liegt vielleicht auch daran, dass das Gericht "sehr feminin" ist, wie der um unser Wohl angenehm besorgte Herr Mikulits mir erklärt hat. Trotzdem: kein Süßwein, danke dafür, sondern Gewürztraminer von Ploder-Rosenberg. Den Ottersbach muss ich ohnehin für den Uhudler-Traubensaft heimsuchen.

Herr Mikulits schraubt halt über der Leber (jener der Ente) an der Gewürzmühle, und die spuckt ordentlich Orient aus. Kardamom, vermute ich, er bestätigt das später, grüner Kardamom, sagt er nach meiner Erinnerung, aber ich bin nicht ganz sicher, ob das nicht auch Höflichkeit ist. Dieser Orient jedenfalls ruft sich sehr konsequent bis zur Taube immer wieder in Erinnerung.

Ein letzter Hummer

Das cremige, geräucherte Ei der Vegetarierin, oder ein sehr naher Verwandter, taucht unter viel schwarzem Sepiaton auch auf meiner Route auf, eher dezentes Sepiatatar, Calamaretti, die sogar der fischverweigernden Vegetarierin gefallen könnten, Petersilienwurzel. Schon schön.

Hummerrücken und Hummerscheren auf zwei Tellern, Kohlrabi dazu, glasig pochiert in Rohmilchbutter und lauwarm mariniert. Pistazienschaum am Rücken. Der Vergleich macht mich sicher, dass mir der Rücken deutlich lieber ist als die Scheren, was mich Dilettanten ein bisschen überrascht. Und weil Hummer nicht auf die netteste Art um die Ecke gebracht wird, lass ich das jetzt auch wieder für längere Zeit.

Dezenter Aal

Kabeljau und Aal, Flussaal. Dezent wie selten ein Aal. Vielleicht war ich schon ein bisschen zu satt. Vielleicht für mich Brachialesser ein bisschen zu dezent. Aber nicht mein Allerlieblingsgang. Meckern auf hohem, sehr hohem Nivau. Mit einem Glas 2007-er FX Pichler M. Für den Dilettanten eine überraschende Bitternote im (aberhallolangen) Abgang. Wieder einiges gelernt. Und da kommt auch schon die Taube.

Zum Glück ist mein Komplettmenü (alle Gänge, also acht, aus "Nuovo Puristico") doch nicht so komplett wie geplant. Weil ich das Dessert vorweg abwählte, bot mir Herr Mikulits noch einen kleinen Ausflug auf die Nachbarseite (der Karte, nicht zu den Oligarchenblondinen), und ich wünschte mir Carne Cruda. Spätestens beim Käse war ich heilfroh, dass das gehackte Fleisch irgendwo unterwegs verloren ging. Sonst hätte ich den Explorateur nicht mehr kosten können.

Vollfett

Der wird mir vorgestellt als fettester Käse überhaupt. 75 Prozent in der Trockenmasse. So schmeckt er auch. Nach zwei prächtigen Rotschmieren ist der echt fette, aber geschmacklich recht dezente Explorateur vielleicht nicht optimal platziert, aber das ist schon Mosern auf Luxusniveau. Nur Käseaufessenkönnen wäre noch schöner gewesen. Aber ich hab ja wahrscheinlich auch noch das eine oder andere Mal Geburtstag. Bis dahin übe ich.