Eva Blimlinger (49) ist stellvertretende Vorsitzende des Rückgabebeirats, Koordinatorin der Provenienzforschung und Projektkoordinatorin an der Angewandten.

 

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Bleibt im Belvedere: "Mutter mit zwei Kindern III".

 

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Der Rückgabebeirat empfahl am Freitag, Schieles "Mutter mit zwei Kindern III" nicht zu restituieren. Eva Blimlinger, die stellvertretende Vorsitzende, erklärt Thomas Trenkler, die Gründe.

Wien - Kaum ein anderer Fall ist so komplex: 1950 erhielt Jenny Steiner, nach New York geflüchtet, Egon Schieles Bild "Mutter mit zwei Kindern III" zurück. Wenige Monate später verkaufte sie es der Österreichischen Galerie Belvedere - wohl weil sie wusste, dass sie keine Chancen hatte, das Gemälde ausführen zu dürfen. Die Erben nach Jenny Steiner forderten es daher zurück. Der Rückgabebeirat beschäftigte sich mehrfach mit dem Fall. Am Freitag aber sprach er sich gegen eine Restitution aus.

Standard: Es gab Pro- und Kontra-Argumente. Wie begründet der Beirat nun seine Entscheidung?

Blimlinger: Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Es gibt keinen Fall, der ausführlicher diskutiert worden wäre. Ausschlaggebend war, dass der Beirat keinen engen sachlichen Zusammenhang zwischen einem Ausfuhrverfahren und dem Verkauf ans Belvedere erkannt hat.

Standard: Im Fall Bloch-Bauer gab es bezüglich der "Goldenen Adele" ebenfalls kein Ausfuhransuchen. Das Schiedsgericht hat aber mit der Intention argumentiert. Könnte es in diesem Fall nicht ähnlich gewesen sein? Der Anwalt von Jenny Steiner hätte doch in Kenntnis gesetzt worden sein können, dass es keine Ausfuhrgenehmigung geben werde - zumal das Denkmalamt in Absprache mit dem Belvedere bereits Maßnahmen überlegte, um eine Ausfuhr zu verhindern.

Blimlinger: Das stimmt schon. Man kann selbstverständlich davon ausgehen, dass der Anwalt von Jenny Steiner über die Ausfuhrverbotspraxis Bescheid wusste. Ja, es gibt dieses Schriftstück über allfällig zu treffende Gegenmaßnahmen. Aber: Es gibt keinen aktenmäßigen Beleg dafür, dass Jenny Steiner oder ihr Anwalt ein Ausfuhrverfahren wollten. Das ist der entscheidende Punkt.

Standard: Es gibt eine Zeitzeugin, die Enkelin von Jenny Steiner. Warum wurde sie nicht angehört?

Blimlinger: Das Angebot wurde erst am Donnerstag unterbreitet. Das war ein bisschen zu spät. Man kann die Enkelin gerne hören. Ich glaube aber nicht, dass ihre Aussage zu einer Veränderung der Sachlage führen wird. Denn die Aussage müsste in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage des Ausfuhrverfahrens stehen. Jenny Steiner lebte aber in New York, die Enkelin in Wien.

Standard: Könnte sich die Sachlage überhaupt noch ändern?

Blimlinger: Grundsätzlich immer. Denn vielleicht tauchen ja noch neue Dokumente auf. Gibt es zufälligerweise den Nachlass des Anwalts? Und findet sich in diesem zufälligerweise eine Notiz?

Standard: Der Beirat wollte eigentlich keine Empfehlung, sondern einen Bericht abgeben. Warum?

Blimlinger: Leider hat Kulturministerin Claudia Schmied dieses Angebot nicht angenommen. Ich hätte einen Bericht für sehr gut empfunden. Denn er hätte die Möglichkeit geboten, in diesem wirklich sehr komplizierten Fall einen anderen Weg zu gehen. Zum Beispiel: Wir setzen und mit allen Beteiligten an einen Tisch und versuchen, zu einer Lösung zu kommen. Es hätten dadurch viele Probleme, die es jetzt geben wird, vermieden werden können.

Standard: Welche Probleme?

Blimlinger: Angesichts der Emotionalität, mit der die Debatte geführt wurde, kann man sich schon vorstellen, dass die Beteiligten die Empfehlung nicht akzeptieren. Der Bericht wäre die Chance gewesen, zu sagen: Wir machen es nicht wie bei der "Goldenen Adele".

Standard: Das heißt, Sie befürchten ein Gerichtsverfahren?

Blimlinger: Keine Ahnung. Aber dass die Sache gegessen ist, das kann ich mir nicht vorstellen.
(DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.10.2010)