Einem festen Zeitplan hat sich das Ubuntu-Projekt verschrieben: Exakt alle sechs Monate gibt es üblicherweise eine neue Ausgabe der Distribution, ein Rhythmus der sich in den letzten Jahren durchaus bewährt hat - und von dem man sich nun doch zumindest eine kleine Ausnahme genehmigt. Immerhin wäre Ubuntu 10.10 eigentlich erst Ende des Monats angestanden, doch die Chance das - nicht nur für "Hitchhiker's Guide"-affine ZeitgenossInnen - "spezielle" Datum 10.10.10 für die Veröffentlichung zu nutzen, konnte man sich einfach nicht entgehen lassen.

Support-Fragen

Nun ist es also da, das "Rebellische Erdmännchen", wie sich der gewohnt eigenwillige Codename "Maverick Meerkat" locker übersetzen lässt. Eine Anmerkung vorab: War "Lucid Lynx" noch eine "Long Term Support"-Release, trifft dies auf "Maverick" nicht zu. Wer also die langfristige Versorgung mit Updates für eine spezielle Release - eine Anforderung, die vor allem im Unternehmensumfeld relevant ist - benötigt, ist weiterhin mit Ubuntu 10.04 besser bedient. Für alle anderen gibt es natürlich wie gewohnt die Möglichkeit das bestehende System alle sechs Monate auf die neueste Generation der Linux-Distro zu aktualisieren - und so auch die Versorgung mit Updates immer wieder zu verlängern.

Download

Ubuntu 10.10 steht in Form eines knapp 700 MByte großen CD-Images zum Download, dies sowohl für 32- als auch für 64-Bit x86-Systeme. Abseits dieser Default-Medien gibt es dann auch noch ein buntes Misch-Masch an Alternativen, darunter etwa Images zum Einrichten eines Servers sowie den "Alternate Installer", der - mit einem Text-basierten Interface - umfangreichere Konfigurationsoptionen bei der Einrichtung des Systems ermöglicht. Und natürlich gibt es auch noch diverse Ubuntu-Derivate, die parallel zur Haupt-Distributionen veröffentlicht werden, etwa Kubuntu, bei dem der KDE-Desktop statt dem Ubuntu-Default GNOME zum Einsatz kommt oder auch ein eigene Ausgabe für Netbooks - doch dazu später mehr.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wer Ubuntu schon von früheren Releases kennt und die neue CD einlegt, wird recht rasch bemerken: Das sieht alles etwas anders aus als bisher. Eine Erkenntnis, die durchaus zutreffend ist, hat man für "Maverick" doch den Installer vollständig neu gestaltet. In enger Zusammenarbeit zwischen Designer und Entwickler hat man sich - wie Canonical Design-Chefin Ivanka Majic unlängst im WebStandard-Interview erläuterte - vor allem auf die weitere Vereinfachung und Beschleunigung der Einrichtung eines Linux-Systems konzentriert.

Ablauf

Und das sieht dann konkret etwa so aus: Gleich im ersten Dialog kombiniert man die Sprachwahl mit der Entscheidung ob die NutzerInnen das System umgehend auf die Platte bannen wollen oder sich doch zunächst mal lieber direkt von der CD - und somit ohne Änderungen am lokalen Rechner - vertraut machen wollen. Was folgt ist eine Übersicht, für die die wichtigsten Eckdaten zur erfolgreichen Absolvierung des Installationsvorgangs abgefragt werden.

Check

Dabei prüft Ubuntu etwa ob ausreichend freier Platz auf der internen Festplatte vorhanden ist und ob das System an einer Steckdose hängt - immerhin will man wohl kaum, dass mitten während der Installation dem Laptop der Saft ausgeht. Nicht wirklich notwendig ist eine Internetanbindung - sie macht aber erst das Einspielen von Updates und zusätzlichen Paketen während der Installation möglich, wie es über zwei Auswahlkästchen aktiviert werden kann.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Besonders nett dabei, dass es nun die Möglichkeit gibt, "Drittanbieter"-Software bereits direkt während der Installation von Ubuntu mit auf die Platte wandern zu lassen. Konkret handelt es sich hierbei um all das, was im Meta-Paket ubuntu-restricted-addons zu finden ist, also Komponenten, die aus rechtlichen Gründen nicht so ohne weiteres auf der Ubuntu-CD mitgeliefert werden könnten.

Auswahl

Neben dem Flash-Plugin gehören dazu vor allem diverse Audio- und Video-Codecs, aber auch das freie IcedTea-Java-Paket wird auf diesem Weg eingerichtet. Mit einem Klick im Installer erspart man sich also das manuelle Aufspielen der entsprechenden Pakete - wie es bislang zu einer bereits obligatorischen Aufgabe nach der eigentlichen Einrichtung des Systems geworden ist. Wem das noch nicht reicht, der kann später über das etwas umfangreichere Meta-Paket "ubuntu-restricted-extras" noch weitere Schriften und Codecs manuell nachrüsten - für viele wird hier aber wohl schon die Default-Auswahl reichen. Insofern verdient sich Maverick schon mal den ersten fetten Pluspunkt gegenüber  früheren Versionen - und natürlich auch anderen Distributionen.

Plattenplatz

Direkt danach folgt dann schon die Einrichtung des Systems, beginnend mit der Aufteilung des Plattenplatzes. Hier steht den BenutzerInnen die Wahl diese doch immer etwas heikle Aufgabe automatisch dem Installer zu überlassen oder selbst Änderungen vorzunehmen. Vertraut man dem Automatismus gibt es noch die Möglichkeit entweder die gesamte Platte neu einzurichten - für viele wohl die einfachste Wahl, wenn keine wichtigen Daten erhalten bleiben müssen - oder das neue Ubuntu neben anderen Systemen zu installieren. 

Minus

Der bei der letzteren Wahl gebotene Dialog ist allerdings ordentlich misslungen, statt den freien Platz auf einer Platte zur Installation anzubieten, kann nur die größte gefundene Partition verkleinert werden - oder dann doch wieder die gesamte Disk genutzt werden. Wer hier ein paar Mal verblüfft herumgeklickt hat, wird wohl rasch zur fortgeschrittenen Partitionierung flüchten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Dort bietet sich dann die - nur erfahrenen NutzerInnen anzuratende - Möglichkeit, die Partitionierung manuell vorzunehmen. Die konkrete Umsetzung erinnert stark an frühere Ubuntu-Versionen, wobei die Möglichkeit einen alternativen Speicherort für den Boot-Loader festzulegen - etwa für Rechner mit mehreren Betriebssystemen - zusätzlich in diesen Dialog gewandert ist.

btrfs

Die manuelle Einrichtung der Platte ist übrigens auch die einzige Möglichkeit an ein weiteres neues Feature von Ubuntu 10.10 heranzukommen: Steht hier doch alternativ bereits das Next-Generation-Dateisystem btrfs zur Auswahl, von Haus aus entscheidet sich die Distribution freilich weiterhin für ext4. Die halblaut öffentlich gemachten Überlegungen btrfs gleich zur Default-Wahl zu machen, hat man also - zunächst - wieder verworfen. 

Abwägungen

Angesichts dessen, dass Ubuntu bislang ohnehin kein einziges der fortgeschrittenen Features von btrfs - etwa die Möglichkeit Snapshots zu erzeugen - aktiv nutzt, wohl eine durchaus richtige Entscheidung. Dies auch, da ein solch junges Dateisystem natürlich immer die Gefahr einer gewissen Instabilität mit sich bringt, das Thema "Datenverlust" jedoch etwas ist, mit dem man die eigenen NutzerInnen eher weniger gern konfrontiert. Die Vorreiterrolle ist schließlich immer mit einem gewissen Risiko verbunden, gerade in einem solch sensiblen Bereich macht es also wirklich Sinn, diesen Part Distributionen zu überlassen, die auch tatsächlich aktiv an btrfs mitentwickeln - und so in Problemfällen das entsprechende Know-How haben.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Sind solcherlei Komplexitäten einmal erledigt, folgt eine kleine Überraschung: Noch bevor all die gewohnten Schritte abgearbeitet sind, beginnt Ubuntu 10.10 bereits mit dem Aufspielen der Pakete. Durch diese Parallelität der Vorgänge gewinnt man etwas Zeit, eine durchaus clevere Entscheidung, die auch die Umsortierung der Konfiguration erklärt.

Zeit

So folgt nun erst jetzt die bislang an die Spitze gereihte Wahl der Zeitzone, wobei der Begriff "Wahl" hier beinahe schon etwas übertrieben scheint. Immerhin bedarf dieser Schritt in den meisten Fällen ohnehin keinerlei Interaktion der NutzerInnen, trifft der Installer doch meist schon von selbst - anhand der eigenen IP-Adresse - die richtige Wahl. Natürlich klappt dies nur, wenn das eigene System zu diesem Zeitpunkt mit dem Internet verbunden ist.

Tastatur

Weitgehend unverändert hat man die Wahl der Tastaturbelegung vom alten Installer  übernommen, dies bedeutet im Konkreten: Von Haus aus wird ein zur zuvor gewählten Sprache passendes Layout angeboten, für viele heißt es also auch hier einfach durchklicken. Wer will kann zuvor die Richtigkeit der eigenen Wahl noch in einer kleinen Testbox ausprobieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Bleibt noch das Anlegen eines BenutzerInnen-Accounts, hierbei informiert Ubuntu unter anderem über die Qualität des eigenen Passworts, ein Rechnername wird - wenn nicht explizit geändert - automatisch anhand des Login-Namens gewählt. Zusätzlich lässt sich das private Verzeichnis verschlüsseln, ein Ersatz für eine richtige Vollsystemverschlüsselung ist dies freilich nicht, wer also gesteigerten Wert auf die Sicherheit seiner Daten legt muss unerfreulicherweise weiter zur Alternate-CD greifen.

Speed

Das Aufspielen der Pakete geht in Windeseile, sodass bei schnelleren Test-Systemen diese Aufgabe tatsächlich schon mal vor dem Erledigen des letzten Konfigurationsschritts erledigt war. Etwas länger dauert die Installation allerdings, wenn der Punkt zum Einspielen aktueller Updates angewählt wurde, immerhin müssen diese erste aus dem Netz heruntergeladen werden. 

Mirror-Probleme

Und auch wenn dies kein gänzlich neues - und somit auch nicht auf "Maverick" beschränktes - Problem ist, sei es mal klar ausgesprochen: Der von Ubuntu von Haus aus für Österreich verwendete Server ist dieser Aufgabe schlicht nicht gewachsen, selbst bei schwacher Auslastung sind die Download-Raten ein schlechter Witz im Vergleich zu anderen Ubuntu-Spiegel-Servern. Dies lässt sich zwar später über die Einstellungen bei den Softwarequellen ändern - was hiermit auch explizit angeraten sei - bei der Installation hat man davon freilich noch wenig, werden hier doch immer die automatisch von Ubuntu gewählten Server zum Einsatz gebracht.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Trotzdem: Bis auf kleinere Probleme - vor allem das zuvor erwähnte, etwas unlogische Gewirr bei der Partitionierung - ist der neue Ubuntu-Installer eine wirklich erfrischende Neuerung im Linux-Umfeld. Wer bislang geglaubt hat, dass es nicht mehr einfacher geht als das bisher gebotene, sieht sich also eines erfreulichen Besseren belehrt. Der Vollständigkeit halber sei zudem erwähnt, dass es natürlich auch wieder möglich ist, bestehende Ubuntu-Installationen über die Aktualisierungsverwaltung auf den neuesten Stand zu bringen - ein Aufgabe, die auf mehreren Test-Systemen problemlos erledigt wurde.

Boot

Was folgt ist bereits der erstes Start ins neue System, und dabei zeigt sich wieder einmal eindrücklich, welch positive Auswirkungen all die Arbeiten - diverser Linux-Softwarehersteller - zur Beschleunigung des Boot-Vorgangs haben: Auf einem aktuellen Quad-Core-System mit konventioneller Festplatte war Ubuntu in ca. 15 Sekunden fertig gebootet (vom Boot-Manager bis zum Desktop), wer sich wirklich beeindrucken lassen will, probiert das Ganze dann auf dem selben Gerät in einer virtuellen Maschine: Gerade mal 5 Sekunden dauerte der gleiche Vorgang hier, der Unterschied zeigt auch, dass der Großteil der beim realen System verbrauchten Zeit auf die Kappe von Festplatten-Zugriffen geht, die bei einer VM aufgrund der Abspeicherung in einer Datei typischerweise wesentlich flotter abgehandelt werden.

Oberflächliches

Nach dem Einloggen präsentiert sich der Desktop weitgehend im von der Vorgängerversion bekannten Look, an einigen Stellen hat man allerdings Feinschliff an Theme und Icons vorgenommen, was dem Erscheinungsbild insgesamt durchaus gut zu Gesicht steht. Ein kleiner Kritikpunkt sei an dieser Stelle trotzdem gestattet: Der Fensterrahmen ist hier so schmal, dass das Verkleinern / Vergrößern eines Fensters eine reichlich mühsame Angelegenheit ist. Zumindest gibt es in dieser Frage aber Aussicht auf Besserung: Für GTK+3 hat man gerade eine Änderung aufgenommen, die solche Schwierigkeiten über eine dezidierte "Zugreif-Ecke" der Vergangenheit angehören lassen soll, diese Neuerung soll dann auch in Ubuntu 11.04 landen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

In letzter Minute hat man sich dann auch noch dazu entschlossen eine weitere, zentrale Änderung am Aussehen des Desktops vorzunehmen: Mit "Maverick" wird ein eigener Ubuntu-Schriftsatz für den Desktop eingeführt. Doch auch wenn hier durchaus zu bemerken ist, dass man einiges an Arbeit in dessen Formung investiert hat, so wirkt diese Entscheidung doch etwas übereilt. An einigen Stellen erscheint das Schriftbild etwas zu verspielt für einen - üblicherweise unauffällig gehaltenen - Desktop-Font, so manche KommentatorInnen meinten gar schon Anflüge von Comic-Sans zu erkennen.

GNOME

Die Basis des Desktops stellt wie gewohnt GNOME, hier - weitgehend - in der Version 2.32 enthalten, von dem man auch wieder einige der zentralen Verbesserungen übernimmt. Dazu zählen etwa ein verbesserter "Datei ersetzen"-Dialog oder die Möglichkeit mehrere Accounts im Instant Messenger Empathy zu Metakontakten zusammenzufassen.

Unterschiede

Allerdings sei auch nicht verschwiegen, dass man im Vergleich zum normalen GNOME wieder das eine oder andere Feature vergeblich sucht: Verständlich ist dabei, dass der Dokumentbetrachter Evince ohne die in der aktuellen Version hinzugefügte Funktion zum Anfügen von Anmerkungen auskommen muss, immerhin wird hierfür eine Entwicklungsversion (0.15) der PDF-Bibliothek Poppler benötigt. Etwas verblüffender da schon, dass Ubuntu schon die zweite Release hintereinander nicht die neueste Ausgabe des Mail-Clients Evolution ausliefert, zumindest hat man jetzt aber wenigstens von der Version 2.28 auf die - vorletzte - Release 2.30 aktualisiert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Nichts geworden ist bislang aus den vor einigen Monaten von Ubuntu-Gründer Mark Shuttleworth vorgestellten Plänen für die "Window Indicators", mit denen man diverse Statusinformationen in die Fensterrahmen verlagern wollte. Dies ist insofern interessant, als man vor sechs Monaten die Verschiebung der Fensterknöpfe auf die linke Seite damit argumentiert hatte, dass man den so frei gewordenen Platz künftig für neue Funktionalitäten nutzen wolle. Von all dem ist derzeit noch wenig zu merken, und daran wird sich wohl vorerst auch wenig ändern - unter der Hand ist aus Canonical-Kreisen zu vernehmen, dass die Window Indicators selbst intern nur auf sehr begrenzte Begeisterung gestoßen sind.

Software

Ein mehrere Release-Zyklen umspannendes Projekt ist die Implementierung eines zentralen Software-Centers, das sich schlussendlich um alle Paketmanagement-Aufgaben kümmern soll. Mit Ubuntu 10.10 macht man weitere Fortschritte in diese Richtung, so werden nun auch einzeln heruntergeladene Paket über dieses Interface eingerichtet. Zudem lässt sich jetzt rasch über den Verlauf nachvollziehen, welche Pakete zuletzt hinzugefügt oder entfernt wurden.

Empfehlung

Neu ist außerdem, dass auf der Startseite des Software Centers einzelne Programme gezielt empfohlen werden, auch frisch ins Angebot aufgenommene Pakete sind prominent platziert. Ein wichtiger Schritt in Richtung neuer Finanzierungsmodelle ist die Unterstützung für Kaufanwendungen, auch wenn es hier derzeit noch recht wenig zu sehen gibt, konkret bietet man in dieser Hinsicht momentan nur den kommerziellen DVD-Player von Fluendo an.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ganz so kontrovers wie in der Vorgänger-Release - in der die Bildbearbeitung GIMP weichen musste, gibt man sich bei "Maverick" in Fragen Default-Softwareangebot zwar nicht, trotzdem steht es auch dieses Mal wieder ein Tausch an: Statt dem bisher zum Einsatz kommenden F-Spot wechselt man nun - wie zuvor auch schon Fedora - auf Shotwell als Bilderverwaltung.

Plus-Minus

Eine Entscheidung, die sowohl ihre Licht- als auch ihre Schattenseiten kennt: So ist Shotwell zwar zweifelsfrei "schlanker" als F-Spot, dessen Funktionsvielfalt erreicht es aber nicht annähernd. Auch das Timing ist etwas unglücklich, hat sich in den letzten Monaten doch die F-Spot-Entwicklung wieder deutlich intensiviert, womit auch zahlreiche lang bestehende Bugs beseitigt wurden.

Gwibber

Einer der Neuzugänge von Ubuntu 10.04 war der Microblogging-Client Gwibber, ein Start, der allerdings von einigen Problemen gekennzeichnet war. So zeichnete sich das Programm in Lucid nicht zuletzt durch einen quälend langen Startvorgang aus, ein Problem, das man mit "Maverick" gezielt angegangen ist - und zwar mit Erfolg.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Statt Desktopcouch verwendet Gwibber nun ein SQLite-Backend zur lokalen Speicherung der Daten, wodurch das Programm nun wesentlich flotter geöffnet wird. Durch diesen Wechsel verliert man auf der anderen Seite allerdings die Möglichkeit die eigenen Accounts automatisch mit Ubuntu One abzugleich - ob dies allerdings wirklich jemandem abgehen wird, ist eher fraglich. 

Umbauten

Negativ fällt hingegen das an manchen Stellen - etwa beim Hinzufügen neuer Accounts - noch etwas lieblos zusammengestoppelt wirkende Interface der Anwendung auf, hier gibt es für das Design-Team von Canonical also noch das eine oder andere zu tun. Mittlerweile verbindet sich Gwibber nur mehr per OAuth mit Twitter, eine Änderung die vom Microblogging-Service erzwungen und ohnehin auch schon für Lucid als Update ausgeliefert wurde. 

Hintergrund

Gwibber-Erfinder und Arstechnica-Redakteur Ryan Paul hat sich diesem Thema übrigens unlängst in einem recht ausführlichen Artikel gewidmet - und liefert darin gleich einen veritablen Verriss der OAuth-Implementierung bei Twitter.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Evolutionäre Weiterentwicklungen gibt es in Maverick wieder einmal für das GNOME Panel beziehungsweise für die darin enthaltenen Applets. So hat man das Sound-Applet vollständig neu gestaltet, konkret führt man die Lautstärkeneinstellungen mit Steuerelementen für die Musikverwaltung Rhythmbox - oder anderen Anwendungen, die sich entsprechend integrieren - zusammen. Selbst das Plattencover und Album- sowie Songtitel werden hier dargestellt, auch den Zugriff auf weitere Sound-Einstellungen findet man an dieser Stelle - all das optisch durchaus ansprechend umgesetzt.

Firefox

Als Default-Browser agiert in Ubuntu 10.10 wieder einmal der Firefox, konkret in der Version 3.6. Eine einfache Möglichkeit Firefox 4 rasch auszuprobieren wäre eventuell noch nett gewesen, bietet dieser doch massive Fortschritte im Vergleich zur 3.x-Generation - aber schlussendlich gibt es für so etwas ohnehin externe Repositories. Das 64-Bit-Flash-Plugin liefert man von derzeit noch nicht aus, statt dessen verwendet man weiter die 32-Bit-Version, die dann über den nspluginwrapper in den 64-Bit-Firefox eingebunden wird.

Ubuntu One

Weitere Fortschritte gibt es bei der Integration des Desktops mit dem Canonical-eigenen Online-Service Ubuntu One, so dass es nun leichter ist, einzelne Verzeichnisse im File Manager Nautilus freizugeben. Auch hat man den Synchronisierungsvorgang weiter beschleunigt, und die Möglichkeit geschaffen, Links aus dem Ubuntu One Music-Store an andere NutzerInnen weiterzureichen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Als Herzstück des gesamten Systems dient ein Linux Kernel 2.6.35, womit man dieses mal auf der aktuellen Höhe der Zeit ist. Für Office-Aufgaben kommt OpenOffice.org 3.2.1 zum Einsatz, auch wenn die Distribution hier schon einen Wechsel auf das vor kurzem abgespaltene LibreOffice für spätere Releases angedeutet hat.

GNOME3

Ziemlich ernüchternd ist der Versuch mit Ubuntu 10.10 einen aktuellen Blick auf die Entwicklung von GNOME 3.0 zu werfen. So lässt sich die GNOME Shell zwar nachinstallieren, in den offiziellen Repositories findet sich aber nur eine reichlich veraltete Version. Dies mag freilich daran liegen, dass neuere Test-Releases GTK+3 benötigen - welches Ubuntu bislang vollkommen ignoriert.

Ausblick

Nicht nur deswegen erscheint es derzeit als eher unwahrscheinlich, dass Ubuntu mit der kommenden Version auf GNOME 3.0 / die GNOME Shell wechselt. Immerhin investiert Canonical momentan primär in eigene Vorstellungen in Richtung Desktop-Gestaltung - und hält sich aus der GNOME-Shell-Entwicklung vollständig heraus.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Zu diesen separaten Unterfangen gehört die Entwicklung von Unity, ein auf Netbooks optimiertes Interface, das mit "Maverick" in die entsprechende Edition der Distribution Einzug hält. Da Unity in Kürze noch in einem eigenen Testbericht unter die Lupe genommen werden soll, hier nur ein paar der wichtigsten Merkmale im Schnelldurchlauf.

Aufbau

Das gesamte Interface ist auf möglichst platzsparende Nutzung ausgelegt, es gibt nur ein Top-Panel, dafür aber zusätzlich ein Leiste am linken Bildschirmrand für den Zugriff auf die meist genutzten Programme sowie auf zentrale Funktionalitäten des Desktops. Unity benutzt ein sogenanntes "Global Menu", die Menüeinträge werden hierbei also in das Panel verlagert, selbiges gilt in der maximierten Ansicht auch für die Steuerelemente der einzelnen Fenster.

Effektvoll

Es gibt eine hübsch gestaltet Anwendungsübersicht, die beim Aufruf über den Desktop gelagert wird, die Suche spürt sowohl lokalen Programmen als auch online verfügbaren Paketen nach. Die zuletzt bearbeiteten Dateien und Dokumente gibt es in einer separaten Ansicht, für die das Zeitgeist-Framework eingesetzt wird. Das gesamte Interface ist recht effektvoll umgesetzt, hierfür verwendet man die 3D-Bibliothek Clutter, die auch die Basis der GNOME Shell und des Netbook-Interfaces von MeeGo darstellt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit Ubuntu 10.10 setzt die Linux-Distribution einen etwas eigenwilligen Trend fort: Ausgerechnet die erste Release NACH einer LTS-Version erweist sich als besonders "runde" und stabile Angelegenheit. Wirklich aufregende große Neuerungen sucht man in Maverick Meerkat - jenseits des Installers - zwar vergeblich, dafür gibt es jede Menge Feinschliff, der der Distribution durchwegs gut tut.

Entwicklung

Schön ist auch, zu sehen, dass Ubuntu mittlerweile einen recht guten Weg gefunden zu haben scheint, um umfangreichere Verbesserungen über mehrere Releases zu entwickeln. Angesichts des kurzen Veröffentlichungsabstands von sechs Monaten eine nötige - und doch nicht ganz einfach zu bewerkstelligende - Aufgabe. So hat man das Design des Software-Centers nach und nach immer weiter verbessert, das kontinuierliche Feilen am Desktop-Look und den eigenen GNOME-Panel-Applets zeitigt gerade in Maverick erfreuliche Ergebnisse. Positiv ist weiters anzumerken, dass die neue Version der Software so manches Defizit von "Lucid Lynx" ausbügelt, allen voran die Performanceprobleme beim Microblogging-Client Gwibber.

Einstieg

Ubuntu verteidigt mit Ubuntu 10.10 zudem seinen Ruf die erste Wahl für EinsteigerInnen zu sein, so einfach wie hier lässt sonst kaum wo ein Linux-Desktop einrichten. Der neue Installer leistet in dieser Hinsicht - mit kleinen Detailschwächen - ganze Arbeit. Auch die automatische Einrichtung von Flash, Codecs und Co. schon bei der Installation kann gefallen, reduziert dies doch den manuellen Konfigurationsaufwand für die NutzerInnen ein weiteres Stück. Alles in allem ist Maverick Meerkat zwar sicherlich keine "Revolution" für den Linux-Desktop, all der Feinschliff ergebt in Summe aber das beste Ubuntu, dass es bisher gab. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 101010)

Titelbild: Photograph of a Meerkat Family, a Creative Commons Attribution (2.0) image from tomsaint's photostream

Screenshot: Andreas Proschofsky