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London - Tausende zuvor unbekannte Lebensformen haben Forscher bei einer der größten wissenschaftlichen Gemeinschaftsaktionen überhaupt in den Weltmeeren aufgespürt. Nach zehn Jahren Arbeit wurde am Montag in London die von weltweit 2.700 Wissenschaftern aus 80 Nationen zusammengetragene "Volkszählung der Meere" vorgestellt.

Im Bild: Ein neu entdeckter Ruderfußkrebs (Ceratonotus steiningeri) aus 5.400 Metern Tiefe.

Foto: Jan Michels, Census of Marine Life/AP/dapd

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Mehr als 1.200 neue Arten von Meerestieren konnten ausführlich beschrieben werden. Mehr als 5.000 weitere wurden entdeckt, aber noch nicht abschließend beschrieben. Herausgekommen bei den 540 Einzelexpeditionen sind unter anderem drei Bücher über den Zustand der Weltmeere.

Im Bild: Eine an einer vulkanischen heißen Quelle entdeckte Schnecke (Alviniconcha sp.).

Foto: REUTERS/Yoshihiro Fujiwara/JAMSTEC

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25 repräsentative Meeresregionen hat der Census of Marine Life für seine Berechnungen herangezogen. Die Daten, auf denen die Studie fußt, stammen aus spärlichen, ungleich verteilten Stichproben. Die Ozeane sind riesig. Sie nehmen 71 Prozent der Erdoberfläche ein. Die Daten der oberen Schichten sind relativ zahlreich. Je tiefer, desto rapider sinkt jedoch die Datenmenge.

Im Bild: Eine Schwimm-Schnecke (Limacina helicina).

Foto: AP/University of Alaska Fairbanks, Census of Marine Life, Russ Hopcroft

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Laut Census kennen wir nicht einmal ein Viertel der Meeresbewohner. Doch so wenig man auch weiß, soviel steht fest: Je tiefer desto höher die Artenvielfalt, weiß Angelika Brandt, Zoologin an der Uni Hamburg. Gemeinsam mit einem internationalen Team holte sie 2007 bei einer Forschungsexpedition 674 verschiedene Arten allein von Isopoden, asselartigen Krebstieren, aus der Antarktischen Tiefsee. 585 davon waren der Wissenschaft neu.

Im Bild: Der Schnurwurm Pelagonemertes rollestoni ernährt sich von tierischem Plankton.

Foto: AP/University of Alaska Fairbanks, Census of Marine Life, Russ Hopcroft

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Doch dieser Artenreichtum der Meere wird tagtäglich zerstört durch Grundschleppnetze, Abbau von Bodenschätzen, Überdüngung und Klimawandel. Die Ergebnisse des Census' zeigen auch, wie dringend notwendig Schutzmaßnahmen weltweit sind.

Im Bild: Eine Schwimm-Schnecke (Clione limacina).

Foto: AP/University of Alaska Fairbanks, Census of Marine Life, Russ Hopcroft

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Dazu gehören laut der Forschung zum einen nachhaltigere Wirtschaftsweisen wie Fischfang, also geringere Fangquoten, Regelungen, die den Beifang verringern, aber auch die Einrichtung von Meeresschutzgebieten.

Im Bild: Eine männliche Seespinne mit Gelege auf der Bauchseite.

Foto: REUTERS/Cedric d'Udekem, Royal Belgium Institute for Natural Sciences 2007/Census of Marine Life

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Letzterem wollen sich Ende Oktober in Nagoya die UN-Vertragsstaaten der CBD widmen. Doch hier eine Regelung zu finden ist gar nicht so einfach, denn 64 Prozent der Ozeanfläche befinden sich außerhalb der Wirtschaftszonen von Staaten und gehören somit allen und niemandem. Genutzt werden solche Regionen deshalb gern von allen Seiten. Doch wer soll den Schutz, sprich die Kontrolle künftiger Schutzgebiete übernehmen, wenn Kosten und Verantwortung anfallen?

Im Bild: Eine Rippenqualle aus arktischen Gewässern.

Foto: REUTERS/Kevin Raskoff, Monterey Peninsula College/Census of Marine Life

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Außerdem hat die CBD bisher keine Befugnis für Regelungen außerhalb der Mitgliedsstaaten. Diese müssten also, meinten sie es ernst, die Satzung der CBD ändern. Doch Vorbehalte werden schon aus dem bei der COP diskutierten Ziel im Strategischen Plan deutlich. Bis 2020 sollen "X Prozent" der Meeresoberfläche Schutzgebiete sein.

Im Bild: Die kleine Kraken-Art Megaleledone setebos lebt in flachen Meeresgebieten der Antarktis.

Foto: REUTERS/M. Rauschert/Census of Marine Life

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Zu einer konkreten Zahl konnte man sich im Gegensatz zu terrestrischen Schutzgebieten im Vorfeld nicht durchringen. Aus den Verhandlungen früherer Jahre steht jedoch eine Zahl von sechs Prozent im Raum.

Im Bild: Larve eines Aales der Gattung Leptocephalus.

Foto: REUTERS/University of Alaska Fairbanks/Russ Hopcroft

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Am 24. September hat das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks OSPAR die Einrichtung der weltweit ersten sechs Hochseeschutzgebiete mit der Gesamtfläche von 285.000 km2 bekannt gegeben. Sie sollen im Bereich der Charlie Gibbs-Bruchzone eingerichtet werden. Diese befindet sich nördlich der Azoren, einem Teil des Mittelatlantischen Rückens, der West- und Ostatlantik trennt. Das Gebiet ist ein beliebtes Wale-Watch-Gebiet für Touristen.

Im Bild: Manteltiere in rund 220 Meter Tiefe auf dem antarktischen Kontinentalschelf.

Foto: REUTERS/Australian Antarctic Division

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Es finden sich bedrohte Fischarten wie z.B. den Kaiserbarsch. Geht man weiter in die Tiefe, finden sich Tiefseekorallen, Anglerfisch und weitere seltene Arten, die durch starke Sand- und Kiesförderung, Tiefseeschleppnetze, Seekabelverlegung und militärische Aktivitäten bedroht sind. Die OSPAR regelt alles, was in die Nordsee oder den Nordatlantik eingeleitet, versenkt oder auf andere Weise eingebracht wird. Dazu gehört auch die Aufstellung von Windenergieanlagen oder Bohrinseln.

Im Bild: Eine Schwimm-Schnecke (Oxygyrus keraudreni).

Foto: REUTERS/Russ Hopcroft/University of Alaska Fairbanks/NOAA/CoML

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"Es ist bei weitem noch nicht alles entdeckt", meint auch der Meeresbiologe Paul Snelgrove von der Memorial University. Das heißt, dass das Zeitalter der Entdeckungen in der Meeresforschung noch lange nicht zu Ende sei.

Im Bild: Ein Borstenwurm (Vigtorniella sp.), den die Wissenschafter an einenm Walkadaver fanden.

Foto: REUTERS/Yoshihiro Fujiwara/JAMSTEC

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"Neue Technologien und technische Hilfsmittel stehen der Wissenschaft heute zur Verfügung", erklärt Snelgrove. Was die Forscher allerdings mit Schrecken festgestellt haben, ist die Tatsache, dass die Veränderungen der Meere wesentlich schneller vor sich gehen als bisher angenommen.

Im Bild: Die "Yeti-Krabbe" (Kiwa hirsuta) war eine der bekanntesten Neuentdeckungen der Forscher.

Foto: REUTERS/Ifremer, A.Fifis

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"Eine der schlimmsten Erkenntnisse war, dass die großen Raubfische wie etwa Haie in den meisten Regionen um 90 Prozent zurückgegangen sind", erklärt Snelgrove. Es gebe sogar Gebiete, in denen diese an der Spitze der Nahrungskette lebende Tiere um 99 Prozent abgenommen haben. "Welche Auswirkungen das für die gesamte Nahrungskette in den Weltmeeren hat, ist nicht absehbar", erklärt der Forscher.

Im Bild: Sargassum-Anglerfisch (Histrio histrio).

Foto: AP/Census for Marine Life

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Neue Erkenntnisse haben die Wissenschaftler auch bei der Nutzung der Meere durch den Menschen festgestellt. "Anhand von Aufzeichnungen und Untersuchungen von Siedlungen und deren Abfällen konnten wir feststellen, dass die Ausbeutung der Meere durch den Menschen bereits wesentlich länger existiert als wir das bisher angenommen haben. In den küstennahen Zonen fischen die Menschen seit Jahrtausenden - und das nicht gerade unter Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien", erklärt der Meeresbiologe.

Im Bild: Drachenfisch aus der Familien der Stomiidae mit Zähnen auf der Zunge.

Foto: AP/Dr. Julian Finn, Museum Victoria, Census for Marine Life

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Die Schaffung einer für alle zugänglichen globalen Datenbank über die Meereslebewesen - von Mikroben bis hin zu den Walen - war eines der grundlegenden Projekte innerhalb des Census of Marine Life. "Diese Datenbank mit dem Namen Ocean Biogeographic Information System OBIS wird auch weiterhin betrieben und mit immer neuen Informationen aufgestockt", so Snelgrove.

Im Bild: Ein Strahlentierchen aus der Gruppe der Acantharia.

Foto: AP/Bob Andersen and D. J. Patterson, Census of Marine Life

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"In den vergangenen zehn Jahren hat sich dieses Werkzeug übrigens bereits bewährt, denn einige der Veränderungen - etwa in den Polarmeeren und in der Tiefsee - fanden bereits ihren Niederschlag."

Im Bild: Eine durchsichtige Seegurke (Enypniastes sp.)

Foto: AP/Larry Madin

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Insgesamt wurden in den vergangenen zehn Jahren im Rahmen des COML mehr als 2.600 wissenschaftliche Arbeiten publiziert. "Das bedeutet, dass umgerechnet alle 1,5 Tage eine Studie veröffentlicht wurde. Hinzu kommen unzählige Fotogallerien, Websites und Videos", meint Snelgrove. "Die Vielfältigkeit der Ozeane wird allein durch die mehr als 30 Mio. Beobachtungen von mehr als 120.000 Arten innerhalb des Census unterstrichen", erklärt der Forscher.

Im Bild: Ein Tiefsee-Oktopus (Grimpoteuthis sp.)

Foto: APA/Census of Marine Life/David Shale

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Große Überraschungen brachten auch die Entdeckungen bisher unbekannter Migrationspfade von Lebewesen sowie der teilweisen Kartographie des Meeresbodens. Moderne Technologien mit Schallwellen erlauben die Erfassung bestimmter Fischbestände ohne Entnahmen. Ein solches Projekt wurde etwa zur Erfassung von Dorschbeständen an der Ostküste der USA eingesetzt.

Im Bild: Ein Chionodraco hamatus aus antarktischen Gewässern.

Foto: AP/University of Alaska Fairbanks, Census of Marine Life, Russ Hopcroft

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Im Bild: Schlangenseesterne (Ophiacantha rosea) auf einem Felsen im antarktischen Meer.

Foto: National Institute of Water and Atmospheric Research, New Zealand