Michael Häupl und Alfons Haider gemeinsam im Motto am Fluss: In Zeiten des Wahlkampfs rücken Prominenz aus Politik und Entertainment noch näher zusammen - wofür sich natürlich fast niemand offiziell interessiert.

Foto: leisuregroup.at/Schedl

Es gab einmal eine Zeit, in der war die Welt noch in Ordnung: Politiker tummelten sich auf den Innenpolitikseiten, Wirtschaftsleute im Wirtschaftsteil und Schauspieler in der Kultur. Jeder hatte sein Plätzchen - und ich betreute all jene, die sich zwischen Marchfelderhof, Modeschauen und sonstigen Nebenschauplätzen in den Vordergrund drängten. „Planet Antel" nannten wir diese Welt. Seitenblickeland. Nach Antels Tod wurde daraus das „Lugniversum".

Diese Welt war bizarr, eitel, absurd und unnötig - und was in ihr passierte, war vorhersehbar. So wie das, was rund um sie ablief: Wir, die wir darüber berichteten, wussten, wie irrelevant und banal das war. Doch im Gegensatz zu den Kollegen, die über Politik (und ihre Akteure) berichteten, durften wir auch laut sagen, wie grotesk, selbstherrlich und die eigene Relevanz überschätzend Geschehen und Besetzung waren. 

Außerdem bekamen wir unentwegt - von Kollegen, Freunden und Mitmenschen - ausgerichtet, wie unwichtig, ja nachgerade lästig, das, worüber wir berichteten, sei. Dass es nicht nur nicht interessiere, sondern - schlimmer noch - nerve. Vergeudeten Platz und Ressourcen darstelle. Und überblättert, um/abgeschalten oder weggeklickt würde.

Wie Pornos und die FPÖ

Erstaunlicherweise wusste jeder „Ich lese das nicht"-Beschwerdeführer immer genau, was er alles nicht läse, sähe oder wisse: Wann immer Paris Hilton nach Wien zu kommen drohte, diskutierten Herren, denen sonst bloß hochgeistiges Feuilleton und elaborierte Politanalysen zu beschäftigen schienen, mit roten Köpfen und halbstundenlang, aus welchen 1001 Gründen Frau Hilton keine Geschichte sei. Das Detailwissen war verblüffend.

Ähnlich verhielt es sich, sobald der unvermeidliche Baumeister, die Dame mit der nichtaufgespritzten Lippe oder Beziehungen, Paarungsverhalten und Seitensprünge von TV-Promis oder anderen B-Zelebritäten irgendwo aufpoppte: Man durfte es den Kollegen aus dem seriösen Fach zwar nicht sagen - aber es erinnerte mich immer an Pornoseitenanklick- oder FP-Wählen-Bekennertum.

Doch all das war einmal. Denn nicht nur wir, die Korrespondenten des Unnötigen und Überflüssigen bemerkten die Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen und dem vorgeblichen Lese- und Sehverhalten. Klickstatistiken und Quotenmessungen bestätigten das auch - ziemlich unabhängig vom Niveau des Mediums oder seines Publikums. Nur die Bereitschaft, das auch zuzugeben, wies (und weist) aber schicht- und bildungsspezifische Unterschiede auf.

Spirale des VIP-Grauens

Nicht nur die Medien, auch alle, die etwas oder sich verkaufen wollten, reagierten. Bald drehte sich eine Spirale: Je mehr Fläche/Sendezeit für das Unwichtige da war, umso vehementer wurde ins Adabei-Eck zum affirmativen Glamourbejubeljournalismus gedrängt, in dem nach- oder gar hinterfragen unerwünscht ist: Nicht nur ein Karl Heinz Grasser weiß, dass ihn das unerfahren-unbedarfte (aber hübsche und gut angezogene) Repörterchen eher nicht á la Armin Wolf befragen wird.

Das kann man Mikrofonreichern, die mit HC Strache fröhlich zu seinem „Rap" wippen, gar nicht vorwerfen: Politisches, Inhaltliches oder sonst wie Nachhaltiges oder Relevantes gehört per definitionem nicht ins Spielfach und in die Societyberichterstattung: Unterhaltung für nach der ZiB. Nicht zwingend flach, inhalts- und geistfrei, aber eben doch die entpolitisierte, leichte Wohlfühlzone, um in den Abend zu gleiten. Zu Assinger, Weichselbraun & Co.

Das Wahlkampfdilemma

Was das mit dem Wahlkampf zu tun hat? Nichts. Alles. Denn während die Kollegen der seriösen Fächer sich Haxen ausreißen und Finger wund schreiben, sich Magengeschwüre, Stresssymptome, Gastritis und Übelkeit (ob der Dreistigkeit des Vorgebrachten) in Kauf nehmen, seufzen Politberater, PR-Leute und Strategen im vertraulichen Plausch dann doch darüber, dass all das abseits der kleinen „politischen Kaste" kaum auf Interesse stoße - und ein Foto im Leute-Teil von „heute" mehr Wirkung habe, als ein ganzseitiges Interview in welcher Zeitung auch immer.

Strache habe eben Recht, wenn er Discotheken abklappert. Denn über die diversen Partyfotoseiten erreiche er das jeweilige Publikum punktgenau und vermittle Wir-Gefühle - während das lesende & denkende Volk ohnehin längst wisse, was welcher Parteimensch wohl sagt. Und das - im besten Fall - abnicke.

Loyalitätsbekundung

Die Alternative? Der Weg in die Adabei-Medien. Mit möglichst vielen der dort eingeführten Gesichter: Vergangene Woche etwa lud die SPÖ gleich zweimal zu derartigen Events: Am Montag ins Motto - wo unter anderem Life-Ball-Papa Gery Keszler Dankbarkeit beweisen und seine Loyalitätsbekundung zur Stadt und ihren Lenkern ableisten durfte. Am Dienstag dann ließ sich der Bürgermeister selbst von einem „überparteilichen" Promi-Komitee im In-Lokal über der Schiffsanlegestelle am Donaukanal Thumbs-Up geben.

Wozu so was denn gut sein solle, fragte mich kurz vor dem Event ein Polit-Kollege einer anderen Zeitung. Und gab sich (und mir) bald darauf selbst die Antwort: Seine Mutter, sein Bruder, mehrere Bekannte und einige Kollegen seiner Frau mailten ihn an, weil er kurz im Bildhintergrund eines Berichtes über diese Veranstaltungen zu sehen gewesen sei. Alle wussten, wer da wo für Häupl gelächelt hatte - aber das, was er in den vergangenen Wochen über den Wahlkampf und seine Protagonisten geschrieben hatte, war zum Großteil spurlos an ihnen vorbei gegangen. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 4.10.2010