Nairobi/Genf - Schwere Menschenrechtsverletzungen, brutale sexuelle Gewalt und ein "Klima fast völliger Straflosigkeit": Das UN-Kommissariat für Menschenrechte hat am Freitag seinen mit Spannung erwarteten Bericht über den Kongo-Krieg von 1993 bis 2003 veröffentlicht. Darin werden Ruanda, Burundi, Uganda und Angola als die Länder genannt, deren Truppen für Menschenrechtsverbrechen im Kongo-Konflikt verantwortlich gemacht werden könnten.

In dem Bericht werden nach zweijährigen Untersuchungen und Gesprächen mit fast 1300 ZeugInnen mehr als 600 Verbrechen aufgelistet. Mindestens 21 bewaffnete Gruppen in Kongo sowie acht Armeen anderer Staaten seien in unterschiedlicher Weise in die Ereignisse verwickelt gewesen, heißt es darin.

"Keine juristische Verantwortung"

Mit einer Wertung halten sich die VerfasserInnen aber zurück. "Dies ist keine juristische Ermittlung", schrieb UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay in ihrem Vorwort. Der Bericht enthalte kein Beweismaterial, das vor Gericht zugelassen werden könne. "Er stellt auch keine individuelle juristische Verantwortung fest."

Die Untersuchung solle alle Bemühungen unterstützen, den Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen, erklärte Pillay. Die geschilderten Fälle könnten als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten. "In einigen Fällen wird sogar die Möglichkeit beschworen, dass Völkermord begangen worden sein könnte."

So ist in der Untersuchung von "offensichtlich systematischen Massakern" an mehreren zehntausend Hutu-Flüchtlingen die Rede. In den mehr als 100 aufgelisteten Fällen sei mit massiver Gewalt vorgegangen worden, die Opfer unter anderem mit Hammern erschlagen worden. Ob es sich aber um einen Fall von Völkermord handele, "kann nur ein Gericht entscheiden", schränken die VerfasserInnen ein.

Systematische sexuelle Gewalt an Frauen

Der Bericht geht auch auf die systematische sexuelle Gewalt ein, der vor allem Frauen und Mädchen unter den Flüchtlingen im Konfliktgebiet ausgesetzt waren, und auf die Zwangsrekrutierung von etwa 30.000 Kindern als Soldaten bei den verschiedenen bewaffneten Gruppen. Vergewaltigung sei ein Mittel des Terrors, der Folter und gezielten Demütigung der manchmal erst fünf Jahre alten Opfer gewesen.

Schon in einem Entwurf des Berichts, der im August in die Öffentlichkeit gelangt war, wurden vor allem gegen Ruanda schwere Vorwürfe erhoben. Doch auch ugandische Truppen sollen an Folter und Massakern an ZivilistInnen beteiligt gewesen sein, als sie 1997 im Ostkongo einmarschierten, um den Rebellengeneral und späteren Präsidenten Laurent Kabila beim Sturz von Mobutu Sese Seko, Herrscher im damaligen Zaire, zu unterstützen.

"Versucht, die Geschichte umzuschreiben"

Die Regierungen von Ruanda und Uganda hatten schon vorab alle Vorwürfe scharf zurückgewiesen. In einer Stellungnahme bezeichnete die ruandische Regierung den Bericht als nicht akzeptabel. Es handele sich um einen gefährlichen Versuch, "die Geschichte umzuschreiben, Verantwortung für den Völkermord in Ruanda aufzuteilen und den Konflikt in Ruanda und in der Region wieder anzufachen", erklärte sie. Uganda verwarf den Bericht als "Mist", dessen Ziel es sei, die Beziehungen zwischen Kongo und Uganda zu zerstören.

Ugandas Außenminister Sam Kutesa erklärte am Donnerstag, der Bericht sei eine "Zusammenstellung von Gerüchten", denen es an Beweisen mangele. Uganda ist etwa am Friedenseinsatz der Afrikanischen Union in Somalia mit rund 4.300 Soldaten beteiligt.

Ruanda und Uganda hatten ihre Truppen später erst auf internationalen Druck aus dem rohstoffreichen Osten des zentralafrikanischen Landes zurückgezogen. Laurent-Desire Kabila wurde 2001 ermordet, sein Sohn Joseph ist heute kongolesischer Präsident. (APA)