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Ehrengäste: Die Nobelpreisträger Roy Glauber, Sheldon Glashow und James Muller (mehr zu den Büstenhaltern später)

Boston - Man kennt den Ärger: Kaum machen die neugekauften Winterschuhe, deren Profil im Geschäft noch so supergriffig wirkte, Bekanntschaft mit dem ersten Glatteis, erweisen sie sich kaum rutschfester als Seifenstücke. Die Entdeckung eines neuseeländischen Forschungsteams könnte hier endlich Abhilfe verschaffen: Ziehen Sie doch einfach die Socken über die Schuhe statt umgekehrt - schon rutschen Sie deutlich weniger! Für ihre 2009 publizierte Arbeit "Preventing Winter Falls: A Randomised Controlled Trial of a Novel Intervention", die unter anderem dieses Ergebnis enthielt, wurden die ForscherInnen um Lianne Parkin nun mit einem Ig-Nobelpreis ausgezeichnet. Genauer gesagt dem für Physik. (Über diesen Link finden Sie auch ein Foto, wie die korrekte Trageweise von Socken auszusehen hat.)

Foto: Charles Krupa/AP/dapd

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Die Trophäe

"Ignoble" mag "schmachvoll" bedeuten, doch sind die davon abgeleiteten Ig-Nobelpreise, die alljährlich im Vorfeld der Nobelpreis-Woche an der amerikanischen Elite-Universität Harvard vergeben werden, ausgesprochen populär. Ähnlich wie bei der "Goldenen Himbeere" im Filmbereich gehört es daher mittlerweile zum guten Ton, dass die "geschmähten" WissenschafterInnen - wie etwa Physik-Preisträgerin Lianne Parkin - selbst nach Harvard anreisen, um ihre Auszeichnung persönlich entgegen zu nehmen. Sie sind sich ohnehin dessen bewusst, dass ihre Forschungsthemen und -ergebnisse für alle diejenigen skurril klingen, die nicht tagtäglich im selben Kontext stecken wie sie - und dass auch skurrile Ergebnisse innerhalb der jeweiligen Fachdisziplin durchaus ihren Sinn haben können.

Foto: Charles Krupa/AP/dapd

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Wal, da niest er!

So ist es mit Sicherheit eine gute Sache, wenn der Gesundheitszustand von Walen erhoben wird. Praktisch daher - und für Außenstehende nichtsdestotrotz bizarr - eine Methode, die britische und mexikanische ForscherInnen entwickelten: Sie bauten einen ferngesteuerten Helikopter, der den Rotz, den Wale durch ihr Atemloch ausblasen, zur Analyse einsammelt (vorausgesetzt natürlich sie niesen nicht unter Wasser; vielleicht folgt ja bald ein U-Boot). Dafür gab es den Ig-Nobelpreis für Ingenieurswesen.

Foto: AP Photo/John Bazemore

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Innere Reinigung I

Wir bleiben gleich beim Thema Gesundheit: Obwohl das Thema Asthma eifrig beforscht wird, steigt die Zahl der Betroffenen in den Industrieländern weiter und weiter. Vielleicht deshalb, weil sich die von niederländischen ForscherInnen vorgeschlagene Therapie noch nicht durchgesetzt hat: Achterbahn fahren. Der positive emotionale Stress, den dies auslöst, lindert die Symptome der Krankheit - für diese Entdeckung gab es den Ig-Nobelpreis für Medizin.

Foto: Reuters/Kessler

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Innere Reinigung II

Nicht nur die Atemwege, sondern gleich den ganzen Kopf macht indessen kräftiges Fluchen frei. Das mag als Binsenweisheit angesehen werden, aber ein britisches Forscher-Trio um Richard Stephens (hier im Bild) untermauerte die kathartische Wirkung des Fluchens auch mit handfesten Studienergebnissen, wofür sie mit dem Friedens-Ig-Nobelpreis geehrt wurden. Und dann wäre da noch die Erkenntnis, dass Vollbärte ein Gesundheitsrisiko darstellen. Für ihre Arbeit "Microbiological Laboratory Hazard of Bearded Men", die speziell als Warnung an bärtige Wissenschafter zu verstehen ist, wurden drei Forscher aus Maryland mit dem Ig-Nobelpreis für Öffentliche Gesundheit ausgezeichnet.

Foto: Charles Krupa/AP/dapd

Der moderne Pilz

Ungeahnte Querverbindungen - nämlich zwischen dem modernen Verkehrswesen und ... Schleimpilzen -  deckte ein japanisches Team um Toshiyuki Nakagaki auf: Nakagaki, dem sein liebstes Studienobjekt Physarum polycephalum vor zwei Jahren schon einmal einen Ig-Nobelpreis beschert hatte, baute im vergangen Jahr ein Miniatur-Modell von Tokio und setzte statt Godzilla ein Portiönchen Physarium darin ab. Wie es seine Art ist, baute der Schleimpilz sein Netzwerk auf, mit dem er sich das über "Tokio" verstreute Nahrungsangebot einverleiben konnte - und siehe da: Dieses Netzwerk ähnelte in seiner Struktur und Effizienz in Sachen Materialtransport verblüffend dem Netz der japanischen Bahngesellschaft. Klarer Fall: Dafür musste es den Ig-Nobelpreis für Transport und Logistik geben!

Foto: Science/AAAS

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Video-Beweis

Die Natur hielt im vergangenen Jahr aber noch andere preisverdächtige Überraschungen bereit: Etwa dass sich Öl und Wasser doch vermischen, wofür Forscher der Universitäten von Hawaii und Texas mit dem Chemie-Preis bedacht wurden. Oder dass Menschen und ihre liebestollen Verwandten, die Bonobos, nicht die einzigen sind, die Oralsex praktizieren. Chinesische Forscher und ein britischer Kollege (letzterer war der einzige, der brav zur Zeremonie angereist kam), ertappten Flughunde dabei, belegten es mit einem Video (hier der Link) und erhielten dafür den Ig-Nobelpreis für Biologie.

Foto: AP Photo/The Oakland Tribune, Nick Lammers

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Angewandte Wissenschaft - mittlerweile in Serienproduktion

Und falls sich in der Zwischenzeit jemand gewundert hat, warum die TeilnehmerInnen der Verleihungszeremonie - unter ihnen waschechte NobelpreisträgerInnen, aus deren Hand die Preise traditionellerweise vergeben werden - ständig mit Büstenhaltern auf dem Kopf herumlaufen: Das liegt daran, dass Vorjahressiegerin Elena Bodnar heuer als Ehrengast in großem Stil ihren "Emergency Bra" demonstrieren durfte. Er lässt sich aufklipsen und in zwei Atemschutzmasken umwandeln - inzwischen ist er auch im Handel erhältlich (weitere Informationen dazu hier).

Foto: REUTERS/Adam Hunger

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Effizienz in allen Belangen

Die Ig-Nobel-Zeremonie ist zwar eine Spottveranstaltung, doch bleibt der Ton stets gutmütig. Ähnlich wie bei der Oscar-Zeremonie wird den Ausgezeichneten auch eine kleine Dankesrede gestattet - über die Einhaltung des Zeitlimits wacht dabei ein Kind. Reist man als komplettes Team an wie die italienischen Empfänger des Management-Preises, muss man mit den zur Verfügung stehenden 60 Sekunden eben haushalten. Ausgezeichnet wurden die drei Wissenschafter der Universität von Catania übrigens für ihre zu Denken gebende Erkenntnis, dass Unternehmen dann am effizientesten funktionieren, wenn sie ihre MitarbeiterInnen nach dem Zufallsprinzip befördern.

Foto: Charles Krupa/AP/dapd

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Ende mit Schrecken

So kamen sie denn alle zur Preisverleihung - nur in einer Kategorie glänzten die Ausgezeichneten durch Abwesenheit: Und das war - Überraschung, Überraschung - im Bereich Wirtschaft. Hier ging der Preis in kollektiver Weise an die Managements von Goldman Sachs, Lehman Brothers, Bear Stearns, Merrill Lynch, AIG und Magnetar - weil sie Wege gefunden haben, "Gewinne zu maximieren und finanzielle Risiken zu minimieren ... zumindest für einen Teil der Weltwirtschaft". Bei manchen Themen wird eben auch der Humor der Ig-Nobel-Jury tiefschwarz. (Josefson)

Link
Improbable Research: Die Ig-Nobelpreise

Foto: APA/dpa