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Ein wurzelbehandelter Zahn ist von Bakterien befreit

Eine anstehende Wurzelbehandlung löst immer Unbehagen aus - da tröstet auch die Aussicht auf relativ schnelle Schmerz-Betäubung per spitzer Spritze wenig. Eine leblose Zahnhülse im Mund ist keine attraktive Option, so scheint es.

"Der Volksmund bezeichnet einen wurzelbehandelten Zahn als "tot" und das klingt dramatisch", weiß Erwin Senoner, Präsident der Landeszahnärztekammer Salzburg. Er kennt die Ängste seiner Patienten, behandelt er doch schon seit rund 40 Jahren österreichische Zähne. Dabei kann ein wurzelbehandelter Zahn heute in seiner Funktion meist mühelos mit seinen gesunden Pendants mithalten. Tot im eigentlichen Sinne ist ein Teil des Zahns, nämlich der Zahnnerv (Pulpa, Anm.) nach der Wurzelbehandlung. Die Pulpa mit ihren Blutgefäßen und Nervenfasern hat normalerweise die Aufgabe den Zahn zu ernähren, das geschieht danach nicht mehr, weil der entstehende Leerraum mit Füllmaterial befüllt wird.

Die Wurzelbehandlung hat den Sinn die bloße Substanz eines Zahns zu erhalten. Heute ist das Verfahren so ausgereift, dass kaum ein Unterschied in der Haltbarkeit von Zähnen mit oder ohne Wurzelbehandlung existiert, so Senoner. Über die Wirkung von kranken Zähnen auf den restlichen Körper gibt es die unterschiedlichsten Theorien - Herz, Nieren und Gefäße sollen gleichzeitig mitleiden. "Die noch größere Gefahr geht aber von einem nicht-wurzelbehandelten Zahn mit Eiterherd aus, weil der Kieferknochen mit-infiziert sein kann", so Senoner.

Tiefe Löcher und Gewalteinwirkung

Typische Kandidaten für eine Wurzelbehandlung sind plombierte Zähne, denen Karies stark zugesetzt hat und die sehr tiefe Löcher hatten - sie können Jahre später anfangen zu schmerzen. Eine Zahnnerventzündung mit daran beteiligten Bakterien verursacht die beachtlichen Schmerzen, die sich klopfend und pochend bemerkbar machen. Ein Zahnnerv kann auch relativ unerkannt absterben, bildet sich im Inneren Eiter, muss ebenfalls eine Wurzelbehandlung her. Ein völlig gesunder Zahn kann sich hingegen nur aufgrund einer Gewalteinwirkung entzünden. "Es reicht, wenn man mit einen Löffel ungeschickt am Zahn ankommt", so der Mediziner. 

Wurzelbehandlung mal zwei

War eine Wurzelbehandlung beim ersten Mal nicht erfolgreich, muss der Zahnarzt ein zweites Mal eingreifen. Das kann passieren, wenn auf den feinen Fiederungen auf der Wurzelspitze Bakterien überbleiben, weil sie nicht erreicht wurden. In Folge kann sich ein Eiterherd bilden. Der Ausweg ist eine Wurzelspitzenresektion, bei der die Wurzelspitze weggenommen wird. 

Vom Gift zu den Antibiotika

Die früher verwendeten Arseneinlagen als Vorbereitung auf eine Wurzelbehandlung sind heute Geschichte. Macht der entzündete Zahnnerv trotz Spritze solche Schmerzen, dass eine Wurzelbehandlung in der ersten Sitzung nicht möglich ist, bekommt der Patient ungiftige "Nervtötungseinlagen". Die zweite Variante: antibiotische Einlagen, die keimtötend und entzündungshemmend wirken, damit der Nerv sauber wird und die Entzündung am Knochen zurückgeht. Erst danach kann wurzelbehandelt werden.

Mit der Zahnarztlupe ausfindig machen

Im Normalfall kann der Zahnarzt die feine Zahnwurzel mit Hilfe einer Vergrößerungsbrille erwischen. Schwieriger wird es bei älteren Menschen mit verengten Kanälen oder Zähnen mit mehr Kanälen als gewöhnlich - sie sind sehr dünn. Manche Ärzte bieten Wurzelbehandlungen mit Mikroskop an, das ist dann aufwändig und kostspielig. Eine Behandlung kann dann über 1.000 Euro kosten. "Ich habe noch nie einen Fall gehabt, wo ich das gebraucht hätte, will aber nicht bestreiten, dass es manchmal notwendig ist", so Senoner.

Tausende Wurzelbehandlungen

"30.000 Wurzelbehandlungen werde ich bis jetzt sicher gemacht haben", schätzt der Zahnarzt. Früher waren es pro Tag zwei bis drei, nun sind es deutlich weniger, weil sich die Zahngesundheit sehr verbessert hat. "Mit der besseren Mundhygiene ist gleichzeitig dank der enorm scharfen Einmalnadeln, deren Einstich Patienten meist gar nicht spüren, auch die Angst vor dem Zahnarzt Geschichte geworden", ist Senoner überzeugt. (mat, derStandard.at, 4.10.2010)