Pilot "Trappy" fliegt seit dem 12 Lebensjahr RC-Flugzeuge.

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Für einen FPV-Flug setzt er meist auf einen Nurflügler

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Über eine Kamera sieht der Pilot den Flug aus der Perspektive des Flugzeugs.

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Der Horizont kippt kurz weg, der Boden füllt das Blickfeld. Gräser, Blumen, Halme streifen vorbei, werden in der Unschärfe der Geschwindigkeit zum reißenden Fluss aus grünem Wasser. Der Fluss wird blau und plötzlich ist auch der Himmel wieder da. Das Kiesbett funkelt in der Sonne, eine Brücke wird zum bedrohlichen Nadelöhr. Eine zweite Brücke durchtaucht, ziehen Augenblicke später die schlafenden Autos eines Parkplatzes vorbei und um Haaresbreite auch das Flutlicht eines Fußballfeldes. Die Luft wird dünner und die Sicht wird frei auf den Gipfel eines Berges. Die scharfen Kanten überwunden, wird zum Sturzflug angesetzt. Das Adrenalin schießt in die Adern, die Pupillen weiten sich, es ist ein schöner Tag.

Was der erstaunte Internetsurfer da in Web-Videos sieht, ist in der Szene als First Person View-Flug (FPV-Flug) bekannt. Auf ein ferngesteuertes Flugzeug wird eine Kamera geschnallt, ein Sender überträgt das Signal an eine Videobrille und der Pilot wird auf festem Untergrund stehend flügge wie ein Vogel. "In meinen Videos sieht man größtenteils einen ferngesteuerten Styropor-Nurflügler", erklärt der Österreichische FPV-Pilot "Trappy" (lastonedown.com) gegenüber derStandard.at. Der 26-jährige Wirtschaftsstudent, der im Zusammenhang mit seiner ausgefallenen Freizeitbeschäftigung nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, fliegt seit seinem 12 Lebensjahr ferngesteuerte Flugzeuge und wurde vor zweieinhalb Jahren vom FPV-Fieber gepackt, als ein "mittlerweile guter Kollege aus Kanada alias VRFlyer" im Internet ein kurzes Video seines außergewöhnlichen Hobbys veröffentlichte.

Die ganze Welt als Slalom-Strecke

Seit dem ist Trappy auf der Suche nach immer neuen waghalsigen Routen. "Ich suche mir immer Orte aus, wo es viele Hindernisse zum um- und überfliegen gibt", betont er und verweist damit auf seine Flüge durch die Alpen in Salzburg, über Felder in Deutschland oder durch die Straßen Prags. Flüsse werden zu Pisten, Bäume, Gipfelkreuze oder Kirchentürme zu Slalomstangen. Seiner Vorstellung sind wie dem Horizont, dem er unablässig entgegensteuert, keine Grenzen gesetzt. "Das Gefühl ist schwer zu beschreiben", sagt Trappy. "Es fühlt sich ein bisschen an wie "Superman", gemischt mit dem Nervenkitzel, dass da etwas in der Luft hängt an dem man Wochenlange gebaut hat. Wenn man den Sound noch an hat dann ist es einfach nur ein Wahnsinnsgefühl. Natürlich kommt es an das richtige fliegen nicht ran, aber dafür ist man wesentlich unbesorgter und kann dadurch deutlich näher ans "Gemüse" ran." Mit über 100 km/h fliegt er dann am "Gemüse" vorbei, im freien Fall können es sogar knapp 250 km/h werden.

Bis man selbst dazu in der Lage ist, wie Superman durch Schluchten zu jagen, braucht es allerdings jede Menge Erfahrung und technische Vorbereitung. "Ein Anfänger kann ein langsames Flugzeug bereits nach 3 bis 5 Stunden Flugtraining eigenständig starten und landen. Das FPV-Equipement einzubauen, ausreichend zu testen und solide zu installieren dauert mittlerweile auch nicht mehr so lange, da es immer ausgereiftere Produkte gibt", erklärt Trappy. Dennoch müsse "man mit 10 bis 12 intensiven Wochenenden rechnen, bis man Langstreckenflüge durch die Berge wagen" könne.

"Reales Computerspiel"

Die eingesetzte Technik dürfte den Verstand eines Außenstehenden allerdings ebenfalls an seine Grenzen bringen. Trappys Nurflügler wird durch eine Remote Control (RC)-Empfangsanlage gesteuert. Eine kleine Sicherheitskamera (wie sie etwa im Supermarkt zur Diebstahlüberwachung verwendet werden) und ein speziell für FPV-Flüge ausgelegter Videosender an Bord, welcher das Videobild an eine Bodenstation mit integrierter Videobrille sendet, ermöglichen die Steuerung aus der Flugzeugperspektive. Die RC-Komponente basiert auf 35 MHz und seit neuestem auch auf "UHF"-Systemen, welche eine größere Ausfallsicherheit garantieren. Video und Audio werden über 2.4 GHz übertragen. Die Qualität vom Videobild ist identisch mit einem alten PAL-Signal. Eine separate HD-Kamera zeichnet das Bild gestochen scharf fürs Publikum auf.

Wenn Trappy fliegt, kann man sich das ein wenig wie ein hyperrealistisches Computerspiel vorstellen. Ins Bild werden über ein zwischen Kamera und Videosender geschaltetes On-Screen-Display (OSD) (samt GPS und Stromüberwachung) Echtzeitdaten zu Empfangsstärke, Distanz, Höhe, Groundspeed und Restakkukapazität eingeblendet. So hat der Pilot permanent die Kontrolle über sein Fluggerät. Ein Flug dauert dann im Schnitt 15 Minuten, wobei mit stärkeren Akkus auch über 30 Minuten geflogen werden kann. Mit Hilfe eines speziellen Variometers habe der RC-Pilot sogar schon bis zu drei Stunden in der Luft verbracht. Die meisten Flüge bewegen sich in 3 bis 4 Kilometer Distanz, was mit speziellen Videoempfangs-Antennen ermöglicht wird.

Dass das alles seinen Preis hat, lässt sich einerseits anhand der investierten Freizeit messen. "Ich fliege in der Woche ca. 5 Stunden (reine Flugzeit). Je nach Stadium eines Flugzeuges (Bauphase, Testphase, Reparatur bzw. "Wartungsphase") bin ich weitere 2 bis 10 Stunden am Basteln. Ein Flugzeug braucht mittlerweile nur noch 15 bis 20 Stunden bis es flugfertig und getestet ist", gibt Trappy zu bedenken. Der materielle Aufwand dürfe andererseits auch nicht unterschätzt werden. Ein voll ausgestatteter Styropor-Nurflügler koste ca. 1.000 Euro, die Bodenstation ca. 500 Euro. Hinzu kommen die FPV-Komponenten, die nochmals mindestens 500 Euro für sich verbuchen. Bevor es dann in die Lüfte geht, müsse ausführlich auf Störquellen getestet werden.

Fliegen in der exklusiven Grauzone

Dem beachtlichen Aufwand gemäß ist die Szene laut Trappy noch überschaubar. "Die FPV-Szene beschränkt sich auf die internationale Ebene, lokal sind es allerhöchstens kleine Gruppen von 2 bis 3 Personen, die sich regelmäßig treffen." In L'Aigle, Frankreich, fänden größere Treffen statt, wo auch internationale Hersteller und Händler anwesend seien. Dieses Jahr fanden sich ca. 50 Mann ein. In England gibt es bereits einen Verein über den man sich sogar versichern kann. Das sei aber "so ziemlich die einzige organisierte Struktur". Der größte Teil des Austausches fände in einschlägigen Foren statt. "Ich kenne mittlerweile über (in der FPV-Szene aktive) 20 Personen, mit denen ich via Skype regelmäßig in Kontakt bin."

Ein Grund für die Exklusivität der Szene dürfte neben dem Aufwand die Tatsache sein, dass nicht alle Flüge im gesetzlichen Rahmen ablaufen. Um größere Reichweiten und Ausfallsicherheit zu garantieren, würde beispielsweise ein Vielfaches der erlaubten Sendestärke eingesetzt. Weiters schreiben viele Länder wie Österreich oder die Schweiz vor, dass das ferngesteuerte Flugzeug ständig in Sichtweite des Piloten sein müsse. Sobald das Modell nicht mehr im Sichtflug betrieben wird, gelte es von Gesetz her als Drohne. Drohnenfluege wiederum seien meldepflichtig und nur mit zugelassenen Drohnen erlaubt. Zulassungen für den Privatgebrauch seien jedoch nicht sehr leicht zu bekommen.

Zwischen Verantwortung und Zwischenfall

Die Flüge im Graubereich der Gesetze erklären, weshalb Trappy und gleichgesinnte Piloten nur unter Synonymen Videos veröffentlichen. Mit Verantwortungslosigkeit sei dies aber nicht gleichzusetzen. Zu riskante Vorschläge für Flugrouten würden regelmäßig ausgeschlagen. Der Bekanntenkreis sei dabei oft übermütiger als der Pilot selbst. Als zum Beispiel die Idee zu einem Flug durch den Arlbergtunnel aufkam, lehnte er "dankend" ab. "Fahrlässig ist es auf keinen Fall, besonders wenn die richtigen Vorkehrungen getroffen werden. Leichtsinnig wird man ab und zu. Z.b. vergisst man die Stromanzeige in den Flieger zu installieren und fliegt dann bis der Akku leer ist. Die Tatsache, dass aber auch nur der kleinste Fehler an die 1000 EUR schaden oder im besten Fall 2 bis 3 Stunden durch die Berge wandern bedeutet, lässt automatisch wenig Fahrlässigkeit oder Leichtsinn zu. Ich persönlich hatte in über 300 Flugstunden noch nie einen technischen oder bautechnischen Defekt, alle Abstürze waren Pilotenfehler. Wer vorsichtig sein Equipment zusammenbaut und regelmässig testet und überprüft, gefährdet niemanden."

Zu Zwischenfällen käme es aber doch hin und wieder. "Abstürze gehören immer mehr zu Ausnahmefällen. Ich bin dieses Jahr aber schon einige Male in den Fluss gestürzt, weil ich an einem Baum ungünstig gestreift habe." Dies seien allerdings ausschließlich Pilotenfehler. "Es gab einmal eine Kollision mit einer sich nicht in Betrieb befindenden Gondel, welche mir fast eine Anzeige wegen Sachbeschädigung eingebracht hätte. Dies war allerdings nur wegen einem "Neider", dem es nicht gepasst hatte, dass dieses Video so gut ankam." Beschädigt wurde nichts, das Flugzeug konnte auch noch abgefangen und weitergeflogen werden. Der schlimmste Absturz sei dem FPV-Piloten aufgrund eines aufziehenden Nebels passiert. "Ich habe ein Gipfelkreuz überflogen und wurde beim Umkehren von einem Nebel überrascht. Nachdem ich in den Nebel eingetaucht bin, habe ich die Orientierung verloren und bin in eine Felswand gekracht." Ein Wanderer habe den Flieger eine Woche später in den Bergen wiedergefunden.

Echte Flüge, wer braucht das schon?

Nicht zu allen zukünftigen Projekten möchte der Wirtschaftsstudent in aller Öffentlichkeit einen Einblick geben. Seinen FPV-Horizont werde er aber jedenfalls schon im Winter um die Flugkünste eines bereits umgebauten Quadcopters erweitern. "Ein langfristiges Ziel von mir ist es, einmal auf einer Safari zu fliegen und über eine Steppe Tiere in der Wildnis zu "jagen". Dazu fehlt mir allerdings im Moment noch das Geld bzw. der Sponsor. Mittelfristig möchte ich auch mit Fallschirmspringern und richtigen Flugzeugen Formationsflüge machen. Im Winter möchte ich auch noch vermehrt Skifahrer filmen. Die Erlaubnis, in einem Skigebiet zu fliegen, habe ich mir schon eingeholt."

An "realen" Flügen sei er zumindest momentan nicht interessiert. "Ich hatte geplant, Hängegleiter zu fliegen. Mittlerweile sind meine FPV-Flieger allerdings schneller und deutlich wendiger als die großen Drachen, somit hat sich das Thema für mich erledigt." (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 3.10.2010)

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