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Die Konrad Lorenz Forschungsstelle: Zur Forschung mit Graugänsen (im Bild) sind mit der Zeit Untersuchungen mit Dohlen, Raben, Krähen und Waldrappen hinzu gekommen.

Foto: APA/CLAUDIA WASCHER

Wien - Es gibt wohl kaum eine Forschungseinrichtung in Österreich, die mit ihrer Arbeit so viel öffentliche Aufmerksamkeit erregt wie die Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal (OÖ). Über viele Forschungsergebnisse wurde in den vergangenen Jahren breitflächig in Massenmedien berichtet, spektakuläre Projekte wie Flug- und Zugrouten-Unterricht für Waldrappen samt Alpenüberquerung, angeführt von menschlichen Zieheltern im Ultraleicht-Flugzeug, schafften es in die TV-Primetime. Am 24. September feiert die einst von Konrad Lorenz gegründete Forschungsstelle ihr 20-jähriges Bestehen - zunftgerecht mit einem hochkarätig besetzten wissenschaftlichen Symposium über Verhaltensbiologie in Wien.

Die ersten Jahre

Als der österreichische Verhaltensforscher Konrad Lorenz 1973 im Alter von 70 Jahren als Direktor des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie in Seewiesen (Bayern) in Pension ging, war er auf der Suche nach einem Platz in Österreich, wo er seine Arbeit mit Graugänsen fortsetzen konnte. Über Vermittlung von Otto König wurde Lorenz eingeladen, sich in Grünau anzusiedeln, wo gerade ein neuer Tierpark entstanden war. Die ersten Jahre wurden noch von der Max-Planck-Gesellschaft finanziert, ab 1980 übernahm die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Doch mit dem Tod von Lorenz 1989 schien auch die Forschungsstelle keine Zukunft mehr zu haben.

Ein "wissenschaftliches Pfadfinderlager"

Doch der damals 37-jährige Zoologe Kurt Kotrschal ergriff die Chance, kehrte aus den USA zurück und übernahm 1990 als Professor an der Uni Wien die Forschungsstelle, die nunmehr seit 20 Jahren als halbprivate, von einem Förderverein unterstützte Einrichtung besteht. Mit vergleichsweise geringen Basismitteln in Höhe von 80.000 Euro pro Jahr, die zu zwei Dritteln vom Land Oberösterreich und zu einem Drittel von privaten Quellen kommen, schaffen es die Wissenschafter, durch Projektförderungen im Jahr 200.000 bis 300.000 Euro an Drittmitteln zu erwirtschaften. Zusätzlich stellt die Uni Wien mit Kotrschal und Josef Hemetsberger zwei Wissenschafter als "Lebendsubvention". Die Forschungsstelle, wo je nach aktuellen Projekten und Schwerpunkten zwischen zehn und 15 Mitarbeiter aus ganz Europa beschäftigt sind, bezeichnete Kotrschal im Gespräch als "wissenschaftliches Pfadfinderlager", es sei eine "Feldstation, wo nicht immer alles perfekt ist und alle improvisationsfreudig sein müssen".

Graugänse gibt es weiterhin an der Forschungsstelle, dazu gekommen sind im Laufe der Jahre Dohlen, Raben, Krähen und Waldrappe, an denen die Wissenschafter vor allem das Sozialverhalten studieren. Das 2008 in Grünau gegründete Wolfsforschungszentrum musste im Vorjahr nach Ernstbrunn (NÖ) verlegt werden, die fachlichen und personellen Verbindungen zur Forschungsstelle in Grünau blieben aber erhalten.

Die wissenschaftlichen Standbeine

"Soziale Komplexität und Kognition sowie die Verbindung dieser beiden Bereiche über die 'Social-Brain-Hypothese' sind die wissenschaftlichen Standbeine der Forschungsstelle", so Kotrschal. Dahinter steht die ursprünglich von den Primaten kommende, aber vermutlich generell gültige Idee, dass komplexes Sozialleben geistige Leistungen fordert und fördert. Die Arbeit mit Vögeln, ist Kotrschal überzeugt, ist angesichts der "unglaublichen Parallelen in der sozialen Organisation und den geistigen Leistungen durchaus für Säugetiere relevant. Raben sind praktisch fliegende Schimpansen, bloß ein bisschen schneller als die Affen bei dem, was sie tun, etwa gefinkelt jemanden übers Ohr zu hauen".

Stolz ist Kotrschal rückblickend nicht nur, "dass wir draufgekommen sind, wie Graugänse sozial wirklich ticken, nämlich dass das eine weibchengebundene Sozialstruktur ist und sie einander - ähnlich wie Säugetiere - sozial unterstützen, inklusive der Stress vermindernden Wirkung von sozialen Gefährten". Er verweist auch auf Arbeiten von Thomas Bugnyar mit Raben an der Forschungsstelle, die gezeigt haben, dass die Vögel sich in Artgenossen hineindenken können und "wissen, was ein anderes Individuum weiß" - eine Fähigkeit, von der man bisher glaubte, dass sie nur Menschen und vielleicht Schimpansen vorbehalten sei. Und stolz ist der Grünau-Chef auch, dass zwei seiner ehemaligen Mitarbeiter, neben Bugnyar auch Katharina Hirschenhauser, bereits den alle zwei Jahre von der Ethologischen Gesellschaft vergebenen Niko Tinbergen-Preis erhalten haben. "Das heißt, der Nachwuchs ist gut", so Kotrschal, den deshalb auch nicht stört, dass Bugnyar inzwischen Ordinarius für Kognitionsbiologie an der Uni Wien ist "und ich noch immer Assistenzprofessor bin". (APA)