Eigentlich sollte mittlerweile bereits die kommende Generation des Unix/Linux-Desktops GNOME fertiggestellt sein, diesen ambitionierten Zeitplan konnte - beziehungsweise wollte - man schlussendlich aber dann doch nicht einhalten. Da man kein halbfertiges GNOME 3.0 ausliefern möchte, gönnt man sich weitere sechs Monate Entwicklungszeit und so gibt es nun stattdessen eine allerletzte Ausgabe der aktuellen stabilen Serie des Softwareprojekts - GNOME 2.32 ist fertig.

Ungeklärt

Gleich vorneweg ein bisschen Hintergrund: Die aktuelle Ausgabe ist in der GNOME-Community nicht ganz unumstritten, viele hätten sich lieber gleich auf eine Beta für GNOME 3.0 konzentriert, immerhin verursacht die Parallelentwicklung auch eine gewisse Mehrarbeit. Entsprechend haben sich auch einige Projekte dazu entschlossen ganz auf eine eigene Version für GNOME 2.32 zu verzichten und liefern stattdessen nur die wichtigsten Bugfixes. Trotzdem sind auch dieses Mal wieder einige interessante Neuerungen zusammengekommen, die im Folgenden näher ausgeführt werden sollen - dies immer aber auch mit einem Seitenblick auf die für GNOME 3.0 kommenden Änderungen.

Nautilus

Eine der zentralen Komponenten des GNOME-Desktops stellt fraglos der File-Manager Nautilus dar, und zwar eine die derzeit recht intensiv in Diskussion ist. Immerhin bedingen die mit GNOME 3.0 anvisierten Umbauten an der User Experience - Stichwort GNOME Shell - auch veränderte Rahmenbedingungen für den Nautilus. Künftig will man sich denn auch verstärkt auf die Kernaufgaben konzentrieren - das Verwalten von Dateien. Das Aufspüren von Dokumenten und Starten von Anwendungen soll ja künftig zur Gänze die GNOME Shell übernehmen, eine Fokus-Schärfung, die man beim Nautilus auch in einem Umbau des Interfaces resultieren lassen will.

Screenshot: Andreas Proschofsky

In GNOME 2.32 gibt es auf dem Weg dorthin zumindest schon mal das eine oder andere neue Feature: So wurde nach Jahren das Flehen der NutzerInnen nach einem besseren Dialog zum Ersetzen von Dateien erhört. Dieser zeigt nun weiterführende Details - etwa zu Größe oder Erstellungsdatum - zu den betroffenen Dateien an, bei Bildern wird hier gar eine kleine Vorschau präsentiert.

Kombination

Wer sich das Überschreiben ersparen will, darf die neue Datei direkt an dieser Stelle umbenennen, das Zusammenführen von ganzen Verzeichnissen unterstützt man ebenso. Eine eher kleine, aber durchaus "nette" Neuerung am User Interface offenbar sich beim Ausschneiden einer Datei: Das zugehörige Icon wird anschließend semitransparent dargestellt, womit es sich deutlich von den umgebenden Files abhebt - und leichter klar ist, was gerade im Zwischenspeicher lagert.

Reihung

Bei einigen Spezialverzeichnissen hat man eine angepasste Default-Sortiereinstellungen vorgenommen: So werden im Download-Folder nun die neueste Dateien von Haus aus als erstes angezeigt, analog dazu sind es die zuletzt gelöschten Files im Mistkübel. Dort sind in der Listen-Ansicht zudem zwei neue Spalten hinzugekommen, die über den ursprünglichen Speicherort einer Datei sowie über ihr Löschdatum informieren. Auch wird im Trashcan nun ein eigener Knopf in der Infozeile über der Dateiansicht angeboten, mit dem die gerade ausgewählten Dateien flott wieder an ihren Ausgangsort zurückgeschoben werden können.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Zu den kleineren optischen Anpassungen gehören ein neues Icon für die Audio-Vorschau sowie die Modifikation der Thumbnail-Größe von Bildern und Videos - womit sich diese besser zwischen den "normalen" Dateien einfügen. Von Ubuntu übernommen, hat man die Entscheidung, dass "Unmount" im Menü eines externen Dateiträgers nicht mehr aufgeführt wird, wenn auch "Eject" (gilt für ein Medium / eine Partition) und "Safe Removal" (gilt für den gesamten Datenträger) gelistet sind. Die Optionsvielfalt hatte hier zur Verwirrung so mancher NutzerInnen beigetragen.

Anmerkungen

Der Dokumentanzeiger Evince beschränkt sich nicht länger auf das schnöde Darstellen von Anmerkungen bei einem PDF - nun können auch eigene Text-Schnippsel hinzugefügt werden. Zu diesem Behufe wurde ein eigener Sidebar-Modus für "Annotations" aufgenommen, über den diese eben nicht nur fein säuberlich pro Dokument aufgelistet sondern auch neu angelegt werden können. Solcherlei Anmerkungen werden dabei auf Wunsch dauerhaft abgespeichert.

Synchron

Neben diversen Performanceverbesserungen kann Evince 2.32 auch mit einer wichtigen Neuerung im Bereich Barrierefreiheit aufwarten, nämlich dass sich Dokumente nun mit Hilfe eines Bildschirmlesegeräts auch in Sprachform ausgeben lassen. Ebenfalls neu ist der SyncTeX-Support: Dieser ermöglicht es TeX-Dateien im Text-Editor Gedit - der hierfür ein eigenes Plugin spendiert bekommen hat - zu verändern und die Modifikationen automatisch immer auch gleich in der daraus resultierenden PDF- / DVI-Vorschau in Evince zu synchronisieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wie schon in den vergangenen Releases kann der Desktop-eigene Instant Messenger Empathy auch dieses Mal wieder mit einer ganzen Reihe von Neuerungen aufwarten. Eine der wichtigsten davon: Mit Metakontakten will man dem Wildwuchs in der Kontaktliste Einhalt gebieten, können so doch nun mehrere Accounts ein und derselben Person übersichtlich zusammengefasst werden.

Organisation

Ebenfalls neu ist die integrierte Suchfunktion in der Kontaktliste, einfach zu tippen beginnen und schon wird die Auswahl eingeschränkt. Zudem ist es jetzt möglich einzelne Kontakte als "Favoriten" zu definieren, worauf diese immer ganz am oberen Ende der Auswahlliste präsentiert werden. In der Konversationsansicht kann mit Empathy 2.32 das Schließen von einzelnen Tabs wieder rückgängig gemacht werden, zu Audio- und Video-Streams lassen sich technische Details darstellen, IRC-Accounts können nun ebenfalls mit dem programmeigenen Einrichtungsassistenten konfiguriert werden. 

Vermischtes

Die Software verwendet nun automatisch die Icons aus dem aktiven Theme, wovon Empathy auch optisch profitiert. Es gibt einen eigenen Dialog zum Annehmen - oder Ablehnen - von nicht offiziell autorisierten TLS-Zertifikaten sowie aussagekräftigere Fehlernachrichten, wenn die Verbindung mal nicht hergestellt werden kann. Auch kann nun in den Einstellungen das automatische Mitloggen von Konversationen deaktiviert werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit einem deutlich besseren SVG-Support kann der Bildbetrachter Eye of GNOME aufwarten, dies bedeutet im konkreten: Entsprechende Dateien werden direkt als Vektorgrafik dargestellt, anstatt wie bisher vorher in Bitmap-Grafiken umgewandelt zu werden, was sowohl in einer besseren als auch in einer flotteren Darstellung resultiert. Naturgemäß profitiert gerade die Zoom-Funktion von solcherlei Optimierungen.

Hintergründiges

Desweiteren hat man diverse kleinere Optimierungen am Interface vorgenommen, so wird der Hintergrund nun automatisch schwarz dargestellt, was die Bilder besser zur Geltung kommen lässt. Wer will kann diesen Wert allerdings ohnehin nach Belieben anpassen. Der Page-Setup-Dialog wurde in die Druckansicht integriert, zudem achtet das Programm nun darauf dass Bilder, die als Hintergrund eingestellt werden auch wirklich immer verfügbar sind. Konkret heißt dies, dass auf externen Datenträgern befindliche Bilder lokal zwischengespeichert werden, wenn sie als Wallpaper gesetzt werden.

Panel

Einen  entscheidenden Schritt in Richtung Zukunft hat das GNOME Panel gemacht: Denn auch wenn dieses in der Default-Einstellungen von GNOME 3 durch die GNOME Shell abgelöst wird und somit von Haus aus gar nicht mehr zum Einsatz kommen soll, so wird es wohl vor allem auf Rechnern mit schwächerer Hardwareausstattung noch einige Zeit Verwendung finden. Immerhin benötigt die GNOME Shell zum Betrieb ja - funktionstüchtige - 3D-Beschleunigung.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Da aber eine der Kernmotivationen von GNOME 3 das Aufräumen mit veralteten Technologien war, muss sich auch das bisherige Panel zentralen Umbauten stellen. Immerhin basiert das bisherige Applet-System zentral auf dem Komponentenmodell Bonobo, das zu jenen Bestandteilen gehört, die schon bald in die ewigen Softwaregründe geschickt werden sollen.

Gleichzeitig

Also muss ein neues Applet-System her, mit GNOME 2.32 hält dieses in den Desktop Einzug, wobei sich aus Kompatibilitätsgründen vorerst aber neues und altes System parallel installieren lassen. Die Desktop-eigenen Applets wurden dazu passend bereits beinahe vollständig auf den neuen Ansatz portiert, lediglich "Invest" und "Gswitchit" brauchen weiterhin den Bonobo-basierten Ansatz.

WebM

Der Videoplayer Totem freut sich über die offizielle Unterstützung des vor wenigen Monaten von Google vorgestellten, freien Videoformats WebM. Dies ist vor allem auch deswegen relevant, da sich damit in diversen Linux-Distributionen ganz ohne die Nachinstallation von proprietären Codecs Youtube-Videos betrachten lassen. Totem erlaubt dies aber nicht nur über sein Browser-Plugin, sondern kann auch über das eigene Interface entsprechend kodiertes Videomaterial auf der Video-Plattform aufspüren. Ebenfalls neu ist, dass der Video-Player nun automatisch Deinterlacing bei Videos aktiviert, die dies nötig haben. Außerdem blockiert die Software jetzt nicht mehr beim Laden von Playlists, und es ist ein Kapitel-Plugin frisch in die Auswahl der optionalen Funktionen aufgenommen worden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

In Hinblick auf die Mail-Software Evolution ist der aktuelle GNOME-Zyklus vor allem von Stabilitäts- und Performanceverbesserungen gekennzeichnet, hatten doch die massiven Umbauten in Vorbereitung auf GNOME 3.0 schon bei Evolution 2.30 zu einem gewissen Defizit in diesen Bereichen geführt - was wiederum zur Folge hatte, dass etwa Ubuntu lieber auf eine ältere Version der Software zurückgriff. Trotzdem ist sich auch jenseits dessen das eine oder andere kleinere Feature ausgegangen.

Teile

So gibt es statt "Reply-to-All" nun einen neuen "Group-Reply"-Knopf im Toolbar, über den schnell auf "Reply-to-List" gewechselt werden kann - was für die Nutzung von Mailing-Listen sehr hilfreich ist. Bei neu angelegten Accounts werden bei der optionalen PGP-Verschlüsselung nun von Haus aus alle Mails auch für den eigenen Account verschlüsselt, zudem gibt es ein neues Plugin für den Import von Outlook-Express-(.dbx)-Mailverzeichnissen. 

Umbauten

Die bessere Performance macht sich nicht zuletzt beim erst vor sechs Monaten eingeführten IMAPX-Support bemerkbar, wo deutlich weniger "Hänger" zu verzeichnen sind als noch in der Vorgängerversion. Das auf Netbooks ausgerichtete "Express"-Interface nutzt nun an einigen Stellen die 3D-Bibliothek-Clutter, etwa beim Wechsel zwischen einzelnen Mail-Tabs. Dies ist übrigens ein Trend, der sich weiter fortsetzen wird, so arbeitet man derzeit beispielsweise an einem mit Clutter neugestalteten Kalender-Interface.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine weitere wichtige Neuerung von Evolution 2.32 ist nicht auf den ersten Blick zu sehen, betrifft sie doch die lokale Speicherung der Daten. Diese werden nun in die nach dem XDG-Standard-definierten Verzeichnisse logisch aufgeteilt, weiter Informationen dazu finden sich hier. Die Migration der Daten aus dem bisherigen ~/.evolution erfolgt zwar automatisch, trotzdem ist diese Änderung wohl vor allem für jene relevant die schnell mal eine Sicherheitskopie ihrer Mails anlegen wollen - und nun an anderer Stelle suchen müssen. Nicht nur deswegen empfiehlt sich für solche Aufgaben aber ohnehin die Nutzung der integrierten Backup-Funktion von Evolution.

Terminal

Auch wenn das Klischee, dass man am Linux-Desktop ohne Kommandozeile nicht auskommt, eigentlich schon lange nicht mehr stimmt, nutzen doch vor allem Power-UserInnen gern mal die Mächtigkeit der Text-basierten Steuerung eines Rechners. Der hier für diese Aufgaben angebotene GNOME Terminal glänzt in der neuen Release unter anderem mit einer integrierten Suchfunktion. Zusätzlich kann die gesamte Ausgabe eines Fensters - bzw. was sich halt noch im Buffer befindet - nachträglich abgespeichert werden, auch lässt sich nun die Default-Größe des Terminal-Fensters endlich nach Belieben anpassen.

Gcalctool

Der Desktop-eigene Taschenrechner, der unter dem Namen Gcalctool firmiert, sah sich in diesem Release-Zyklus gröberen Umbauten ausgesetzt. So wurde das Interface der Anwendung weitgehend neu gestaltet, dabei hat man etwa den "fortgeschrittenen" und den "wissenschaftlichen" Modus zusammengeführt. Zudem sind so manche Knöpfe jetzt farblich abgehoben, wodurch sie schneller aufzuspüren sind, ebenfalls neu ist eine integrierte Undo-Funktion.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Im Folgenden einige weitere vermischte Neuigkeiten in bestehenden Komponenten des Desktops: Der Archiv-Manager File Roller unterstützt jetzt lrzip-Pakete, der GNOME Keyring hat einen eigenen GPG-Agent spendiert bekommen, bei den GNOME Games erstrahlen einige Spiele im neuen Look - darunter etwa die Sudoku-Variante. Das Monitor-Einstellungstool des Desktops hat nun einen "Default"-Knopf um systemweite Werte zu definieren, ansonsten hat man einmal mehr den Umgang mit mehreren Monitoren verbessert.

Verwaltung

Bei den GNOME System Tools hat man sich vor allem dem Tool zum User Management gewidmet, indem man beispielsweise beim Wechseln des eigenen Home-Verzeichnisses hilfreich zur Hand geht, auch das Gruppen-Management wurde verbessert. Das Zeiterfassungs-Tool Hamster kann sich nun mit Getting Things GNOME! und Docky integrieren, zudem wurde die Übersicht umgebaut. Dies äußert sich in Form eines neuen Menüs, dafür wurde der bisherige Toolbar gestrichen, auch kann der zentrale Graph nun gezoomt werden und ist interaktiv.

Farben

Der einzige "sichtbare" Neuzugang in der Desktop-Sammlung ist der GNOME Color Manager, der Farbmanagement zu einem fixen Bestandteil der Linux-Desktop-Welt machen will. Die Software kann entweder bestehende Profile importieren oder - die richtige Hardware vorausgesetzt - eine individuelle Kalibrierung vornehmen. Neben Monitoren werden auch Drucker, Scanner und Digitalkameras als Ziel unterstützt, dabei kann die Anpassung entweder für den ganzen Bildschirm erfolgen oder nur bei Programmen, die dies explizit unterstützen, also etwa Bildbearbeitungssoftware.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Jenseits der "sichtbaren" Anwendungen gab es in GNOME 2.32 natürlich auch "unter der Haube" wieder diverse Umbauten, die wohl wichtigste davon: Mit GSettings beinhaltet die Glib 2.26 nun ein eigenes Konfigurations-API, das im Zusammenspiel mit DConf das bisher im GNOME-Umfeld gebräuchliche GConf ablösen soll. Die neue Kombination soll dabei vor allem flexibler sein und auch die Login-Zeit nicht ähnlich negativ beeinflussen wie die vielen verstreuten Dateien von GConf. Zudem kann in anderen Desktop-Welten dann statt DConf einfach das jeweils passende Pendant zur Abspeicherung der Einstellungen genutzt werden - unter Windows etwa die Registry.

Ausblick

Die vollständige Umstellung auf GSettings hat man sich für GNOME 3.0 vorgenommen, heißt auch: In GNOME 2.32 verwendet ein Teil der Anwendungen bereits DConf, das Gros allerdings noch nicht. Die bestehenden Einstellungen werden automatisch migriert, wer nachträglich manuelle Änderungen vornehmen will, sollte sich mit dem dconf-editor schon mal an ein neues Tool gewöhnen. Weitere Neuzugänge in der Glib sind GDBus und ein eigenes "Date and Time"-API.

GTK+ 2.22

Das Toolkit GTK+ konzentriert sich in der Version 2.22 vor allem auf interne Umbauten in Vorbereitung auf den "großen Bruch" mit der Version 3.0. So reicht man künftig einen weiten Teil der Zeichenfunktionen direkt an die 2D-Bibliothek Cairo durch, wodurch man das Toolkit nicht nur vereinfachen, sondern auch von der Cairo-Performancearbeit - und der dort zunehmend wichtiger werdenden Hardwarebeschleunigung - profitieren will. Für AnwendungsentwicklerInnen ist all dies auch deswegen relevant, weil die nicht mehr eingesetzten, alten GTK+-Drawing-APIs mit der Version 3.0 nicht mehr mitgeliefert werden - Programme, die diese nutzen, also angepasst werden müssen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Damit ist es allerdings noch nicht getan, ein zweiter Teil dieser internen Umbauten ist vor wenigen Tagen in den aktuellen Entwicklungszweig von GTK+ eingeflossen, auch dieser resultiert in zusätzlichen Anpassungen für externe EntwicklerInnen. Von dem ursprünglichen Plan, dass GTK+ 3.0 nur ein Aufräumen mit schon länger als "deprecated" markierten APIs bringt, ist man damit dann in den letzten Wochen und Monaten also doch noch ein Stück weit abgegangen - eine gewisse Mehrarbeit, von der man natürlich hofft, dass sie sich langfristig rentieren wird.

Aktuelles

Doch zuvor noch mal zurück zu GTK+2.22, denn auch wenn man sich dazu entschlossen hat, größere neue Funktionen erst wieder mit der Release 3.0 zu integrieren, gibt es doch trotzdem das eine oder andere Berichtenswerte. Ein Beispiel hierfür ist der Umstand, dass sich GTK+ nun auch intern an die Icon-Namen-Spezifikation von Freedesktop.org hält, was das Erzeugen von Desktop-übergreifenden Themes erheblich erleichtert.

Theming

Apropos Themes: Diese können nun sowohl eine helle als auch eine dunkle Variante spezifizieren, so dass sich dann die Anwendungen gezielt zwischen einer der beiden entscheiden können, eine Textverarbeitung also hell bleibt, während das Foto-Tool den dunklen Style wählt. Einen Teil des GTK+-Codes - um genau zu sein jenen zum Laden von Bildern - hat man mit der aktuellen Version in ein eigenes Paket (gdk-pixbuf) ausgelagert, was unter anderem den Vorteil hat, dass dieser Teil sowohl von GTK+2 als auch GTK+3 genutzt werden kann, ohne doppelt vorhanden sein zu müssen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Parallel zu den Optimierungen für GNOME 2.32 laufen natürlich auch die Arbeiten an den größeren Umbauten für GNOME 3.0 intensiv voran. Kernstück ist hier ja die GNOME Shell, die die User Experience des Desktops grundlegend verändern soll - und deren EntwicklerInnen federführend für eine Verschiebung von GNOME 3.0 plädiert hatten, um weiteren Feinschliff vornehmen zu können. 

Neues

Für die grundlegenden Prinzipien hinter der GNOME Shell sei auf ältere Artikel zu diesem Thema verwiesen, insofern nur ein paar Worte zu aktuellen Änderungen an der Software, die verdeutlichen, dass langsam all die unterschiedlichen konzeptionellen Fäden zusammenlaufen. So hat man zwischenzeitlich alle Benachrichtungs-Icons - jenseits von reinen System-Informationen - aus dem Panel entfernt, diese sind nun in der von Haus aus versteckten "Message Area" im rechten unteren Eck des Bildschirms zu finden. Neu hinzugekommen ist ein bereits im GNOME-Shell-Design gehaltenes Menü für die Einstellungen betreffs Barrierefreiheit, mit dem sich etwa flott eine integrierte Lupenfunktion (siehe voriges Bild) aktivieren lässt. Die anderen Dialoge für Systembenachrichtigungen sollen ebenfalls noch entsprechend angepasst werden, überhaupt steht der GNOME Shell in den nächsten Wochen noch eine optische Generalüberholung bevor, dabei sollen die vor einigen Wochen erstmals präsentierten Entwürfe implementiert werden.

Modal

Eine derzeit noch recht kontrovers diskutierte Entscheidung ist, dass Abfragen aller Art nicht mehr länger als eigenständige Fenster geführt werden, sondern fix an jenes Fenster gebunden sind, von dem sie aufgerufen wurden. Das heißt auch, dass sie sich nicht getrennt verschieben oder in der Größe verändern lassen. Einen immer wieder gewünschten Trick hat unlängst der Fenstermanager Mutter - der die Basis für GNOME Shell bildet - gelernt: Analog zu den entsprechenden Funktionen in Windows 7 und KDE 4 beherrscht nun auch der GNOME "Window Tiling", Fenster können also in die rechte oder linke obere Ecke gezogen werden, um automatisch auf die Hälfte des Bildschirms angepasst zu werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

GNOME 3.0 soll aber bei weitem nicht nur aus der neuen Shell bestehen, auch andere Komponenten planen derzeit größere Änderungen, bzw. haben diese schon implementiert. So wird, wie Eingangs bereits erwähnt, für den Dateimanager Nautilus an einem neuen - und schlankeren - Interface gearbeitet, zudem ist angedacht, dass dieser künftig nicht mehr den Desktop-Hintergrund übernimmt - dies aber nur wenn die mit der GNOME Shell einhergehenden Pläne zum leichteren Auffinden von Dokumenten rechtzeitig implementiert werden. Gänzlich neu gestaltet werden derzeit die Einstellungstools des Desktops, konkret werden sie in einer einheitlichen Oberfläche zusammengefasst, zudem kommen hier aber auch ganz neue Tools hinzu, andere werden entfernt.

Ausblick

Von all diesen Neuerungen können sich die NutzerInnen dann - wenn alles gut geht - am 6. April 2011 überzeugen, für diesen Termin visiert man derzeit die Release von GNOME 3.0 an. Auf dem Weg dorthin hat man sich einen recht ambitonierten Zeitplan vorgenommen, so soll es bereits am 6. Oktober eine erste Testversion von GNOME 3.0 geben. Ziel dieser ist es vor allem alle Projekte bereits frühzeitig an die aktuellen Änderungen in GTK+ 3 und Co. anzupassen, so dass man sich den restlichen Release-Zyklus spannenderen Aufgaben widmen kann.

Spekulatives

Abzuwarten bleibt freilich noch, welche Distributionen dann bereits im Frühjahr GNOME 3.0 als ihren Default-Desktop übernehmen werden, darüber lässt sich derzeit freilich nur spekulieren, angesichts der bisherigen Erfahrungen - und des Zeitplans - sei dem Autor folgender Tipp erlaubt: Ubuntu 11.04 - Nein, Fedora 15 - Ja, openSUSE 11.4 - sicher nicht (weil zu früh), 11.5 im Winter dann: Ja. Sicher ist hingegen ein anderer Umstand: Die Neuerung des jetzt präsentierten GNOME 2.32 werden schon bald in die Entwicklungsversionen aller großen Distributionen einfließen bzw. sind das bereits. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 29.09.10)

Screenshot: Andreas Proschofsky