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Abgang mit fahlem Beigeschmack: Der scheidende Allianz-Chef Henning Schulte-Noelle hat sich seinen Abschied wohl anders vorgestellt.

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München - Mit einem Sturm der Kritik haben Allianz-Aktionäre und Fondsmanager den nach zwölf Jahre ausscheidenden Vorstandschef Henning Schulte-Noelle verabschiedet. Auf der Hauptversammlung des Versicherungskonzerns am Dienstag in München warfen sie ihm Fehleinschätzungen, schlechtes Risiko-Management und verschleppte Entscheidungen vor. Schulte-Noelle räumte Fehler ein; aber die Weichen seien jetzt richtig gestellt, und sein Nachfolger Michael Diekmann sei "der richtige Mann, die Verantwortung zu schultern". Die 7.200 Aktionäre in der Münchener Olympiahalle quittierten die einstündige Abschiedsrede mit verhaltenem Beifall - nur für das Lob für Diekmann gab es spontanen Applaus. Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre beantragte, "den Vorstand nicht zu entlasten, weil das Risikomanagement nicht funktioniert".

"Jahr des Schreckens"

Das vergangene Jahr sei "ein Jahr des Schreckens" gewesen mit 1,2 Mrd. Euro Verlust und einem Kursverfall von fast 80 Prozent, sagte der Vorsitzende Klaus Schneider. Auch Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sagte: "Wir zeigen dem Vorstand die rote Karte!" Er habe sowohl den Markt als auch den Zustand der Dresdner Bank falsch eingeschätzt und "viel zu spät und zu lasch reagiert". Die Allianz-Profis hätten das Aktiendepot des Konzerns wie Kleinanleger gemanagt. "Inzwischen ist die Allianz entzaubert."

Kritik auch von institutionellen Anlegern

Auch große institutionelle Anleger gingen Schulte-Noelle hart an. DWS-Fondschef Klaus Kaldemorgen kritisierte, die Allianz habe hohe Umsätze statt hohe Gewinne angestrebt. Bei der Dresdner Bank seien Probleme verschleppt und leere Versprechen gemacht worden. Jetzt sammle die Allianz mit neuen Aktien Mrd. ein, nicht um neue Märkte zu erschließen, sondern um Löcher zu stopfen. Wie die Kleinaktionäre kritisierte auch er den Plan, Schulte-Noelle zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu wählen. SEB-Invest-Fondschef Thomas Körfgen nannte es nicht nachvollziehbar, für über 20 Mrd. Euro eine Bank zu kaufen, die Milliardenverluste produziere.

"Nichts zu beschönigen"

Schulte-Noelle verteidigte den Kauf der Dresdner Bank erneut als strategisch richtige Entscheidung. Der Verkauf von Lebens- und Sachversicherungen über die Bank habe sich schon jetzt vervielfacht. Dass die Allianz wegen katastrophaler Börsenkurse, Flut, Stürmen und den Verlusten der Bank erstmals seit 1945 rote Zahlen schreibe, sei bitter. "Hier gibt es nichts zu beschönigen", sagte er. Zugleich räumte er "auch hausgemachte Probleme und Fehleinschätzungen" ein. Aus den Erfahrungen habe die Allianz jedoch gelernt. Künftig müsse der Konzern im Kerngeschäft, unabhängig von der Entwicklung der Kapitalmärkte, Gewinne erwirtschaften.

Dieses Jahr sei ein deutlich besseres Betriebsergebnis zu erwarten. Das zeige die Entwicklung im ersten Quartal. Er wäre nicht zurückgetreten, "wenn ich nicht fest davon überzeugt wäre, dass es wieder bergauf geht", sagte der 60-Jährige.

Diekmann übernimmt

Der 48-jährige Diekmann übernimmt mit dem Ende der Hauptversammlung die Führung der größten europäischen Versicherung. Er gehört seit fünf Jahren dem Allianz-Vorstand an und war zuletzt für das Amerika-Geschäft verantwortlich. Aufsichtsratschef Klaus Liesen bedauerte Schulte-Noelles Rücktritt und lobte seine Lebensleistung. Mit Weitsicht habe er die Internationalisierung des Konzerns voran getrieben, sagte Liesen. (APA)