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Die Stadt Wien beruhigt: Es würde sicher gestellt, dass tatsächlich nur diejenigen Personen den Kostenbeitrag zahlen, die eine Mindestsicherung beziehen.

Foto: APA/Foto: Horst Ossinger dpa/lnw

Anfang September ist in Wien die bedarfsorientierte Mindestsicherung eingeführt worden. 744 Euro werden monatlich ausbezahlt. Die Neuerung hat auch Auswirkungen auf die Obdachlosen der Stadt: der Fond Soziales Wien (FSW) hat beschlossen, dass Obdachlose ab 1. September die Nachtnotquartiere nur noch zwei Monate nutzen dürfen, ohne etwas für die Übernachtung zu bezahlen. Danach wird ein Kostenbeitrag von vier Euro pro Nacht bzw. 120 Euro pro Monat für die Übernachtung eingehoben. 

In einer Stellungnahme des Fonds Soziales Wien, die derStandard.at vorliegt, heißt es: "Menschen ohne Obdach, die einen Nachtquartiersplatz benötigen, erhalten diesen weiterhin zwei Monate lang kostenlos." Wer länger als diese zwei Monate einen Nachtquartiersplatz in Anspruch nehmen möchte und die Mindestsicherung bezieht, müsse jedoch den Betrag entrichten.

180 Euro zur Deckung des Wohnbedarfs

Begründet wird die Maßnahme folgendermaßen: Auch wohnungslose Menschen erhalten über die Mindestsicherung einen Betrag zur Deckung ihres Wohnbedarfs, und dieser sollte zumindest teilweise auch zweckgebunden eingesetzt werden. Die Mindestsicherung umfasse ein ganzes Bündel von Maßnahmen, unter anderem sind 186 Euro zur Deckung des Wohnbedarfs enthalten.

Es würde aber sicher gestellt, dass tatsächlich nur diejenigen Personen den Kostenbeitrag zahlen, die eine Mindestsicherung beziehen oder über ein entsprechendes Einkommen verfügen.

Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) sagte zur APA, die Maßnahme sei "im Sinne der sozialpolitischen Steuerung". Schließlich sei es das Ziel, die Aufenthaltsdauer in Notquartieren eher kurz zu halten, um den Betroffenen möglichst bald Übergangs- oder betreute Wohnungen zur Verfügung stellen zu können.

Sozialarbeiter kritisieren Maßnahme

"Damit wird von der bisherigen Praxis, die Schlafplätze generell kostenlos zur Verfügung zu stellen, abgegangen", kritisieren Sozialarbeiter. Sie fürchten, dass die betroffenen Menschen ohne Unterkunft auf der Straße landen. Die durch den Verwaltungsaufwand entstehenden Kosten würden in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Einnahmen stehen, denn die Zahl der Betroffenen sei ohnehin überschaubar.

Auch machen sie darauf aufmerksam, dass die Nächtigung in den Notschlafstellen kein "Wohnen" sei: Es gibt kein Tagesangebot und die Unterkünfte müssen bei Tagesbeginn verlassen werden und können erst am Abend wieder betreten werden. In den Nachtnotquartieren müssen Menschen in der Regel in Mehrbettzimmern übernachten, es gibt ausschließlich Gemeinschaftssanitäranlagen und die Privatsphäre ist nicht gegeben.

Sie starteten Online-Petition und fordern die Zuständigen auf, von der Erhebung der Gebühren Abstand zu nehmen.

"Viktor Adler würde sich im Grab umdrehen"

Die Grünen forderten in einer Aussendung die Rücknahme der Maßnahme. "Menschen in ihrer prekären Situation auch noch zur Kasse zu bitten, kann nur als zynisch betrachtet werden", so David Ellensohn in einer Aussendung. Die Nächtigungsgebühr stelle eine erheblich aufwändige Verwaltungsmaßnahme dar und treffe Bevölkerungsgruppen mit einer ohnehin schon schwierigen persönlichen und sozialen Lage. Die Einhebung des Wohnkostenanteils sei angesichts der Mehrbettzimmern und Gemeinschaftssanitäranlagen nicht gerechtfertigt. "Das soll das soziale Wien sein? Viktor Adler würde sich im Grab umdrehen", befand Ellensohn. (rwh, derStandard.at, 22.9.2010)